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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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dieß sociale Moment der Krankenhülfe der niederen Classe künftig durch
diese Heildiener einer der wichtigsten Faktoren der öffentlichen Gesund-
heit werden wird, wie es bereits in dem eigens dafür gebildeten reli-
giösen Krankendienstverein angedeutet ist. Es ist kein Zweifel, daß die
Ausbildung dieses Organismus im Großen und Ganzen, namentlich
wenn in seiner Bildung mehr auf das Verständniß der allgemeinen
Bedingungen von Gesundheit und Krankheit als auf den mechanischen
Dienst hingewirkt wird, vielleicht das praktisch wichtigste, gewiß aber
ein unendlich segensreiches Element des öffentlichen Heilwesens zu
werden bestimmt ist.


Die Verbindung des Heildienstes mit der Chirurgie hat in der
Epoche der großen medicinalpolizeilichen Literatur eine eigene Behand-
lung derselben verhindert. Frankreich hat in den Officiers de sante
die Heildiener als selbständigen Beruf geschaffen, aber nur als Ersatz
für eigentliche Aerzte, durch das Gesetz 19 Vent. an XI. a 15. Grund-
lage: die Bedingung für die niedere Praxis entweder drei Jahre Stu-
dium, oder sechs Jahre Dienst bei einem Arzt, oder fünf bis sieben
Jahre in einem Hospital. Darauf drei Prüfungen in den Elementen
der Anatomie, Medicin und Pharmacie und Aufnahme durch eine jury
medical.
Das neue Gesetz vom 31. Dec. 1854 hat sie dagegen zu dem
gemacht, was bisher die Aerzte zweiter Classe waren. Sie werden nur
für ein bestimmtes Departement aufgenommen, und an die Stelle der
Jury ist der Präfekt getreten. Damit ist dann das eigentliche Heildiener-
wesen im Grunde verschwunden (s. oben). -- In Preußen dagegen
wurde 1851 das Institut der eigentlichen Heildiener von dem der
Krankenwärter geschieden; jene haben das Recht auf die niedere
Chirurgie nach abgelegter Prüfung, Taxe und Approbation; diese nur
eine gewerbliche Commission. (Die betreffende Verordnung bei Simon
und Rönne, preuß. Medicinalwesen I. 343; Horn, preuß. Medicinal-
wesen II. 236; die Statuten der Diaconissen-Anstalten bei Horn,
Medicinalwesen II. 226--234 und Rescript vom 4. Oct. 1854; vergl.
Rönne, preuß. Staatsrecht II. §. 355.) -- Oesterreich hat nur die
Pflicht der Krankenpflege strafrechtlich festgestellt (Strafgesetzbuch 360)
und die Armenkrankenpflege geordnet (Stubenrauch II. §. 296). --
Uebrigens ist in manchen deutschen Staaten das Verhältniß und die
Gränze wohl kaum genau geordnet. (S. oben Sachsen-Altenburg
in seiner niederen Chirurgie.) Funke hat nichts über Sachsen. In
Württemberg forderte schon die Medicinalordnung von 1755 (Tit. IV.
§. 19. 21) die Aufstellung von öffentlichen Krankenwärtern. Das ganze

dieß ſociale Moment der Krankenhülfe der niederen Claſſe künftig durch
dieſe Heildiener einer der wichtigſten Faktoren der öffentlichen Geſund-
heit werden wird, wie es bereits in dem eigens dafür gebildeten reli-
giöſen Krankendienſtverein angedeutet iſt. Es iſt kein Zweifel, daß die
Ausbildung dieſes Organismus im Großen und Ganzen, namentlich
wenn in ſeiner Bildung mehr auf das Verſtändniß der allgemeinen
Bedingungen von Geſundheit und Krankheit als auf den mechaniſchen
Dienſt hingewirkt wird, vielleicht das praktiſch wichtigſte, gewiß aber
ein unendlich ſegensreiches Element des öffentlichen Heilweſens zu
werden beſtimmt iſt.


Die Verbindung des Heildienſtes mit der Chirurgie hat in der
Epoche der großen medicinalpolizeilichen Literatur eine eigene Behand-
lung derſelben verhindert. Frankreich hat in den Officiers de santé
die Heildiener als ſelbſtändigen Beruf geſchaffen, aber nur als Erſatz
für eigentliche Aerzte, durch das Geſetz 19 Vent. an XI. a 15. Grund-
lage: die Bedingung für die niedere Praxis entweder drei Jahre Stu-
dium, oder ſechs Jahre Dienſt bei einem Arzt, oder fünf bis ſieben
Jahre in einem Hoſpital. Darauf drei Prüfungen in den Elementen
der Anatomie, Medicin und Pharmacie und Aufnahme durch eine jury
medical.
Das neue Geſetz vom 31. Dec. 1854 hat ſie dagegen zu dem
gemacht, was bisher die Aerzte zweiter Claſſe waren. Sie werden nur
für ein beſtimmtes Departement aufgenommen, und an die Stelle der
Jury iſt der Präfekt getreten. Damit iſt dann das eigentliche Heildiener-
weſen im Grunde verſchwunden (ſ. oben). — In Preußen dagegen
wurde 1851 das Inſtitut der eigentlichen Heildiener von dem der
Krankenwärter geſchieden; jene haben das Recht auf die niedere
Chirurgie nach abgelegter Prüfung, Taxe und Approbation; dieſe nur
eine gewerbliche Commiſſion. (Die betreffende Verordnung bei Simon
und Rönne, preuß. Medicinalweſen I. 343; Horn, preuß. Medicinal-
weſen II. 236; die Statuten der Diaconiſſen-Anſtalten bei Horn,
Medicinalweſen II. 226—234 und Reſcript vom 4. Oct. 1854; vergl.
Rönne, preuß. Staatsrecht II. §. 355.) — Oeſterreich hat nur die
Pflicht der Krankenpflege ſtrafrechtlich feſtgeſtellt (Strafgeſetzbuch 360)
und die Armenkrankenpflege geordnet (Stubenrauch II. §. 296). —
Uebrigens iſt in manchen deutſchen Staaten das Verhältniß und die
Gränze wohl kaum genau geordnet. (S. oben Sachſen-Altenburg
in ſeiner niederen Chirurgie.) Funke hat nichts über Sachſen. In
Württemberg forderte ſchon die Medicinalordnung von 1755 (Tit. IV.
§. 19. 21) die Aufſtellung von öffentlichen Krankenwärtern. Das ganze

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[120/0136] dieß ſociale Moment der Krankenhülfe der niederen Claſſe künftig durch dieſe Heildiener einer der wichtigſten Faktoren der öffentlichen Geſund- heit werden wird, wie es bereits in dem eigens dafür gebildeten reli- giöſen Krankendienſtverein angedeutet iſt. Es iſt kein Zweifel, daß die Ausbildung dieſes Organismus im Großen und Ganzen, namentlich wenn in ſeiner Bildung mehr auf das Verſtändniß der allgemeinen Bedingungen von Geſundheit und Krankheit als auf den mechaniſchen Dienſt hingewirkt wird, vielleicht das praktiſch wichtigſte, gewiß aber ein unendlich ſegensreiches Element des öffentlichen Heilweſens zu werden beſtimmt iſt. Die Verbindung des Heildienſtes mit der Chirurgie hat in der Epoche der großen medicinalpolizeilichen Literatur eine eigene Behand- lung derſelben verhindert. Frankreich hat in den Officiers de santé die Heildiener als ſelbſtändigen Beruf geſchaffen, aber nur als Erſatz für eigentliche Aerzte, durch das Geſetz 19 Vent. an XI. a 15. Grund- lage: die Bedingung für die niedere Praxis entweder drei Jahre Stu- dium, oder ſechs Jahre Dienſt bei einem Arzt, oder fünf bis ſieben Jahre in einem Hoſpital. Darauf drei Prüfungen in den Elementen der Anatomie, Medicin und Pharmacie und Aufnahme durch eine jury medical. Das neue Geſetz vom 31. Dec. 1854 hat ſie dagegen zu dem gemacht, was bisher die Aerzte zweiter Claſſe waren. Sie werden nur für ein beſtimmtes Departement aufgenommen, und an die Stelle der Jury iſt der Präfekt getreten. Damit iſt dann das eigentliche Heildiener- weſen im Grunde verſchwunden (ſ. oben). — In Preußen dagegen wurde 1851 das Inſtitut der eigentlichen Heildiener von dem der Krankenwärter geſchieden; jene haben das Recht auf die niedere Chirurgie nach abgelegter Prüfung, Taxe und Approbation; dieſe nur eine gewerbliche Commiſſion. (Die betreffende Verordnung bei Simon und Rönne, preuß. Medicinalweſen I. 343; Horn, preuß. Medicinal- weſen II. 236; die Statuten der Diaconiſſen-Anſtalten bei Horn, Medicinalweſen II. 226—234 und Reſcript vom 4. Oct. 1854; vergl. Rönne, preuß. Staatsrecht II. §. 355.) — Oeſterreich hat nur die Pflicht der Krankenpflege ſtrafrechtlich feſtgeſtellt (Strafgeſetzbuch 360) und die Armenkrankenpflege geordnet (Stubenrauch II. §. 296). — Uebrigens iſt in manchen deutſchen Staaten das Verhältniß und die Gränze wohl kaum genau geordnet. (S. oben Sachſen-Altenburg in ſeiner niederen Chirurgie.) Funke hat nichts über Sachſen. In Württemberg forderte ſchon die Medicinalordnung von 1755 (Tit. IV. §. 19. 21) die Aufſtellung von öffentlichen Krankenwärtern. Das ganze

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/136>, abgerufen am 25.04.2024.