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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Eine gemeinsame Auffassung der gesammten Heilanstalten mangelt;
gänzliche Unklarheit des allgemeinen Gesichtspunktes z. B. bei Mohl;
die Behandlung des Gegenstandes findet daher nur in seinen einzelnen
Theilen statt.

I. Das Hospitalwesen und die Armenkrankenpflege.

Das Hospitalwesen erscheint ursprünglich als ein rein auf Stif-
tungen beruhender Theil des Armen- und Hülfswesens. Die Hospitäler
sind daher anfänglich die eigentliche Form der pia corpora, und ihr
öffentliches Recht wie ihre Verwaltung gehören daher als Selbstverwal-
tung unter das Recht der Stiftungen und Corporationen, von denen
sie auch jetzt noch einen Theil bilden. Das sanitäre Element ist dabei
fast ganz unentwickelt. Erst als die Armenunterstützung -- und so
weit
dieselbe eine öffentliche Aufgabe wird, wird die Armenkrankenpflege
zu einem Theil der ersteren und damit tritt nun, namentlich seit der
Organisirung der staatlichen Gesundheitsverwaltung, zugleich eine Orga-
nisirung des Hospitalwesens ein, welche dasselbe in drei große Gruppen
theilt und für jede dieser Gruppen eine eigene Ordnung und ein eigenes
Recht erzeugt. Diese drei Gruppen sind die medicinischen Hospitäler,
die Stiftungs- und Vereinshospitäler und die Armenhospitäler
mit der Armenkrankenpflege. Der Charakter des Rechts dieser Anstalten
ist im Allgemeinen erstlich die Einzelverwaltung meist nach be-
sonderen Vorschriften für jede Anstalt, jedoch unter allgemeiner Ober-
aufsicht, welche namentlich die Führung genauer Kranken- und Sterbe-
listen
und genauer Verwaltungsbücher und Rechnungen fordert;
zweitens der allmählige Sieg der Forderungen der Heilkunde über die
rein ökonomische Administration und die zum Theil auch gesetzliche
Unterordnung der letzteren unter die erstere; endlich drittens die
Bestimmung des Verhältnisses dieser Anstalten zum eigentlichen Armen-
wesen
. Diese drei Hauptpunkte erscheinen nun bei jeder der drei
Gruppen wieder verschieden, wie denn auch andercrseits das gesammte
öffentliche Rechtsverhältniß in den einzelnen Ländern gleichfalls ein
wesentlich verschiedenes ist.

1) Die medicinischen Hospitäler sind die zum Zwecke der Klinik
angelegten und zunächst als Lehrmittel gebrauchten Anstalten. Sie sind,
wenn auch oft auf Grundlage von Stiftungen errichtet, doch Staats-
anstalten, und die wirthschaftliche Administration ist natürlich den Vor-
schriften der medicinischen Leitungen durchaus untergeordnet, wie
denn auch das für sie geltende Recht dem Unterrichtswesen angehört.

2) Die Stiftungs- und Vereinshospitäler. Die ersteren beruhen

Eine gemeinſame Auffaſſung der geſammten Heilanſtalten mangelt;
gänzliche Unklarheit des allgemeinen Geſichtspunktes z. B. bei Mohl;
die Behandlung des Gegenſtandes findet daher nur in ſeinen einzelnen
Theilen ſtatt.

I. Das Hoſpitalweſen und die Armenkrankenpflege.

Das Hoſpitalweſen erſcheint urſprünglich als ein rein auf Stif-
tungen beruhender Theil des Armen- und Hülfsweſens. Die Hoſpitäler
ſind daher anfänglich die eigentliche Form der pia corpora, und ihr
öffentliches Recht wie ihre Verwaltung gehören daher als Selbſtverwal-
tung unter das Recht der Stiftungen und Corporationen, von denen
ſie auch jetzt noch einen Theil bilden. Das ſanitäre Element iſt dabei
faſt ganz unentwickelt. Erſt als die Armenunterſtützung — und ſo
weit
dieſelbe eine öffentliche Aufgabe wird, wird die Armenkrankenpflege
zu einem Theil der erſteren und damit tritt nun, namentlich ſeit der
Organiſirung der ſtaatlichen Geſundheitsverwaltung, zugleich eine Orga-
niſirung des Hoſpitalweſens ein, welche daſſelbe in drei große Gruppen
theilt und für jede dieſer Gruppen eine eigene Ordnung und ein eigenes
Recht erzeugt. Dieſe drei Gruppen ſind die mediciniſchen Hoſpitäler,
die Stiftungs- und Vereinshoſpitäler und die Armenhoſpitäler
mit der Armenkrankenpflege. Der Charakter des Rechts dieſer Anſtalten
iſt im Allgemeinen erſtlich die Einzelverwaltung meiſt nach be-
ſonderen Vorſchriften für jede Anſtalt, jedoch unter allgemeiner Ober-
aufſicht, welche namentlich die Führung genauer Kranken- und Sterbe-
liſten
und genauer Verwaltungsbücher und Rechnungen fordert;
zweitens der allmählige Sieg der Forderungen der Heilkunde über die
rein ökonomiſche Adminiſtration und die zum Theil auch geſetzliche
Unterordnung der letzteren unter die erſtere; endlich drittens die
Beſtimmung des Verhältniſſes dieſer Anſtalten zum eigentlichen Armen-
weſen
. Dieſe drei Hauptpunkte erſcheinen nun bei jeder der drei
Gruppen wieder verſchieden, wie denn auch andercrſeits das geſammte
öffentliche Rechtsverhältniß in den einzelnen Ländern gleichfalls ein
weſentlich verſchiedenes iſt.

1) Die mediciniſchen Hoſpitäler ſind die zum Zwecke der Klinik
angelegten und zunächſt als Lehrmittel gebrauchten Anſtalten. Sie ſind,
wenn auch oft auf Grundlage von Stiftungen errichtet, doch Staats-
anſtalten, und die wirthſchaftliche Adminiſtration iſt natürlich den Vor-
ſchriften der mediciniſchen Leitungen durchaus untergeordnet, wie
denn auch das für ſie geltende Recht dem Unterrichtsweſen angehört.

2) Die Stiftungs- und Vereinshoſpitäler. Die erſteren beruhen

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[122/0138] Eine gemeinſame Auffaſſung der geſammten Heilanſtalten mangelt; gänzliche Unklarheit des allgemeinen Geſichtspunktes z. B. bei Mohl; die Behandlung des Gegenſtandes findet daher nur in ſeinen einzelnen Theilen ſtatt. I. Das Hoſpitalweſen und die Armenkrankenpflege. Das Hoſpitalweſen erſcheint urſprünglich als ein rein auf Stif- tungen beruhender Theil des Armen- und Hülfsweſens. Die Hoſpitäler ſind daher anfänglich die eigentliche Form der pia corpora, und ihr öffentliches Recht wie ihre Verwaltung gehören daher als Selbſtverwal- tung unter das Recht der Stiftungen und Corporationen, von denen ſie auch jetzt noch einen Theil bilden. Das ſanitäre Element iſt dabei faſt ganz unentwickelt. Erſt als die Armenunterſtützung — und ſo weit dieſelbe eine öffentliche Aufgabe wird, wird die Armenkrankenpflege zu einem Theil der erſteren und damit tritt nun, namentlich ſeit der Organiſirung der ſtaatlichen Geſundheitsverwaltung, zugleich eine Orga- niſirung des Hoſpitalweſens ein, welche daſſelbe in drei große Gruppen theilt und für jede dieſer Gruppen eine eigene Ordnung und ein eigenes Recht erzeugt. Dieſe drei Gruppen ſind die mediciniſchen Hoſpitäler, die Stiftungs- und Vereinshoſpitäler und die Armenhoſpitäler mit der Armenkrankenpflege. Der Charakter des Rechts dieſer Anſtalten iſt im Allgemeinen erſtlich die Einzelverwaltung meiſt nach be- ſonderen Vorſchriften für jede Anſtalt, jedoch unter allgemeiner Ober- aufſicht, welche namentlich die Führung genauer Kranken- und Sterbe- liſten und genauer Verwaltungsbücher und Rechnungen fordert; zweitens der allmählige Sieg der Forderungen der Heilkunde über die rein ökonomiſche Adminiſtration und die zum Theil auch geſetzliche Unterordnung der letzteren unter die erſtere; endlich drittens die Beſtimmung des Verhältniſſes dieſer Anſtalten zum eigentlichen Armen- weſen. Dieſe drei Hauptpunkte erſcheinen nun bei jeder der drei Gruppen wieder verſchieden, wie denn auch andercrſeits das geſammte öffentliche Rechtsverhältniß in den einzelnen Ländern gleichfalls ein weſentlich verſchiedenes iſt. 1) Die mediciniſchen Hoſpitäler ſind die zum Zwecke der Klinik angelegten und zunächſt als Lehrmittel gebrauchten Anſtalten. Sie ſind, wenn auch oft auf Grundlage von Stiftungen errichtet, doch Staats- anſtalten, und die wirthſchaftliche Adminiſtration iſt natürlich den Vor- ſchriften der mediciniſchen Leitungen durchaus untergeordnet, wie denn auch das für ſie geltende Recht dem Unterrichtsweſen angehört. 2) Die Stiftungs- und Vereinshoſpitäler. Die erſteren beruhen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/138>, abgerufen am 29.03.2024.