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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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auf Stiftungen meist der ständischen Epoche, die zweiten entweder auf
bestimmten Genossenschaften wie in Deutschland, oder auf ganz freien
Vereinen wie in England. In ihnen beruht das Recht der Aufnahme
meist auf speciellen, jeder Anstalt eigenthümlichen Bestimmungen, und
der Organismus ihrer Selbstverwaltung ist bei ihrer Herstellung sogleich
gegeben. Allein als Organe der großen öffentlichen Aufgabe der Ge-
sundheitsverwaltung hat mit dem vorigen Jahrhundert der Staat den
Inhalt seines Oberaufsichtsrechts vielfach bestimmt juristisch formulirt,
und die wesentlichen Punkte desselben sind folgende: 1) Recht auf An-
erkennung und Bestätigung der Errichtung und Statuten; 2) Recht auf
Oberaufsicht über die statutenmäßige wirthschaftliche Verwaltung; 3) mei-
stens gewisse Vorrechte in Erwerb und Vertretung von Vermögen und
Ansprüchen; 4) endlich Recht zur medicinischen Oberaufsicht und Unter-
ordnung der medicinischen Thätigkeit unter die Gesundheitsverwaltung.
Natürlich steigert sich das Recht der staatlichen Oberaufsicht bis zur
wirklichen Theilnahme an der Verwaltung, wenn der Staat um des
öffentlichen Zweckes willen Zuschüsse leisten muß. Das nun wird wieder
in jedem einzelnen Falle genauer bestimmt. Jedes dieser Hospitäler
hat demgemäß seine Statuten und meist auch seine Instruktionen. Doch
ist die Gränze der medicinischen Forderungen an die Verwaltung in
den Mitteln und zuweilen auch in dem Rechte der einzelnen Anstalten
gegeben.

3) Die Armenhospitäler und Armenkrankenpflege. Beide
erscheinen zunächst als Theil des Armenwesens und bilden mit dem
Institut der Armenärzte und der freien Apothekenbenutzung ein
Ganzes. Allein die Organisation und das Recht derselben ist natürlich
dennoch sehr verschieden. Der Unterschied zwischen Frankreich und
Deutschland besteht hier wesentlich darin, daß in Frankreich die Armen-
krankenpflege eben nur in Hospitälern stattfindet, statt daß es in
Deutschland zum Theil solche Hospitäler für Arme noch neben der
Armenkrankenpflege gibt. Daraus entstehen denn eine Reihe besonderer
Vorschriften über zwei Hauptpunkte der wirthschaftlichen Verwaltung
dieser Hospitäler; zuerst über die Aufnahme und Entlassung in den-
selben, und dann über das mit dem Heimathsrecht zusammenhängende
Recht der Verpflegungslast für die aufgenommenen Kranken. Offen-
bar ist das deutsche Princip der Verbindung der Armenhospitäler
mit der (häuslichen) Armenkrankenpflege um so richtiger, als nur das
letztere den Keim zur Selbsthülfe in sich trägt. An die letztere hat sich
daher das große System der gegenseitigen Krankenhülfe der niedern
Classen angeschlossen, das in England, Frankreich und Deutschland in
wesentlich gleichartigen Formen seit unserm Jahrhundert sehr ausgebildet

auf Stiftungen meiſt der ſtändiſchen Epoche, die zweiten entweder auf
beſtimmten Genoſſenſchaften wie in Deutſchland, oder auf ganz freien
Vereinen wie in England. In ihnen beruht das Recht der Aufnahme
meiſt auf ſpeciellen, jeder Anſtalt eigenthümlichen Beſtimmungen, und
der Organismus ihrer Selbſtverwaltung iſt bei ihrer Herſtellung ſogleich
gegeben. Allein als Organe der großen öffentlichen Aufgabe der Ge-
ſundheitsverwaltung hat mit dem vorigen Jahrhundert der Staat den
Inhalt ſeines Oberaufſichtsrechts vielfach beſtimmt juriſtiſch formulirt,
und die weſentlichen Punkte deſſelben ſind folgende: 1) Recht auf An-
erkennung und Beſtätigung der Errichtung und Statuten; 2) Recht auf
Oberaufſicht über die ſtatutenmäßige wirthſchaftliche Verwaltung; 3) mei-
ſtens gewiſſe Vorrechte in Erwerb und Vertretung von Vermögen und
Anſprüchen; 4) endlich Recht zur mediciniſchen Oberaufſicht und Unter-
ordnung der mediciniſchen Thätigkeit unter die Geſundheitsverwaltung.
Natürlich ſteigert ſich das Recht der ſtaatlichen Oberaufſicht bis zur
wirklichen Theilnahme an der Verwaltung, wenn der Staat um des
öffentlichen Zweckes willen Zuſchüſſe leiſten muß. Das nun wird wieder
in jedem einzelnen Falle genauer beſtimmt. Jedes dieſer Hoſpitäler
hat demgemäß ſeine Statuten und meiſt auch ſeine Inſtruktionen. Doch
iſt die Gränze der mediciniſchen Forderungen an die Verwaltung in
den Mitteln und zuweilen auch in dem Rechte der einzelnen Anſtalten
gegeben.

3) Die Armenhoſpitäler und Armenkrankenpflege. Beide
erſcheinen zunächſt als Theil des Armenweſens und bilden mit dem
Inſtitut der Armenärzte und der freien Apothekenbenutzung ein
Ganzes. Allein die Organiſation und das Recht derſelben iſt natürlich
dennoch ſehr verſchieden. Der Unterſchied zwiſchen Frankreich und
Deutſchland beſteht hier weſentlich darin, daß in Frankreich die Armen-
krankenpflege eben nur in Hoſpitälern ſtattfindet, ſtatt daß es in
Deutſchland zum Theil ſolche Hoſpitäler für Arme noch neben der
Armenkrankenpflege gibt. Daraus entſtehen denn eine Reihe beſonderer
Vorſchriften über zwei Hauptpunkte der wirthſchaftlichen Verwaltung
dieſer Hoſpitäler; zuerſt über die Aufnahme und Entlaſſung in den-
ſelben, und dann über das mit dem Heimathsrecht zuſammenhängende
Recht der Verpflegungslaſt für die aufgenommenen Kranken. Offen-
bar iſt das deutſche Princip der Verbindung der Armenhoſpitäler
mit der (häuslichen) Armenkrankenpflege um ſo richtiger, als nur das
letztere den Keim zur Selbſthülfe in ſich trägt. An die letztere hat ſich
daher das große Syſtem der gegenſeitigen Krankenhülfe der niedern
Claſſen angeſchloſſen, das in England, Frankreich und Deutſchland in
weſentlich gleichartigen Formen ſeit unſerm Jahrhundert ſehr ausgebildet

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[123/0139] auf Stiftungen meiſt der ſtändiſchen Epoche, die zweiten entweder auf beſtimmten Genoſſenſchaften wie in Deutſchland, oder auf ganz freien Vereinen wie in England. In ihnen beruht das Recht der Aufnahme meiſt auf ſpeciellen, jeder Anſtalt eigenthümlichen Beſtimmungen, und der Organismus ihrer Selbſtverwaltung iſt bei ihrer Herſtellung ſogleich gegeben. Allein als Organe der großen öffentlichen Aufgabe der Ge- ſundheitsverwaltung hat mit dem vorigen Jahrhundert der Staat den Inhalt ſeines Oberaufſichtsrechts vielfach beſtimmt juriſtiſch formulirt, und die weſentlichen Punkte deſſelben ſind folgende: 1) Recht auf An- erkennung und Beſtätigung der Errichtung und Statuten; 2) Recht auf Oberaufſicht über die ſtatutenmäßige wirthſchaftliche Verwaltung; 3) mei- ſtens gewiſſe Vorrechte in Erwerb und Vertretung von Vermögen und Anſprüchen; 4) endlich Recht zur mediciniſchen Oberaufſicht und Unter- ordnung der mediciniſchen Thätigkeit unter die Geſundheitsverwaltung. Natürlich ſteigert ſich das Recht der ſtaatlichen Oberaufſicht bis zur wirklichen Theilnahme an der Verwaltung, wenn der Staat um des öffentlichen Zweckes willen Zuſchüſſe leiſten muß. Das nun wird wieder in jedem einzelnen Falle genauer beſtimmt. Jedes dieſer Hoſpitäler hat demgemäß ſeine Statuten und meiſt auch ſeine Inſtruktionen. Doch iſt die Gränze der mediciniſchen Forderungen an die Verwaltung in den Mitteln und zuweilen auch in dem Rechte der einzelnen Anſtalten gegeben. 3) Die Armenhoſpitäler und Armenkrankenpflege. Beide erſcheinen zunächſt als Theil des Armenweſens und bilden mit dem Inſtitut der Armenärzte und der freien Apothekenbenutzung ein Ganzes. Allein die Organiſation und das Recht derſelben iſt natürlich dennoch ſehr verſchieden. Der Unterſchied zwiſchen Frankreich und Deutſchland beſteht hier weſentlich darin, daß in Frankreich die Armen- krankenpflege eben nur in Hoſpitälern ſtattfindet, ſtatt daß es in Deutſchland zum Theil ſolche Hoſpitäler für Arme noch neben der Armenkrankenpflege gibt. Daraus entſtehen denn eine Reihe beſonderer Vorſchriften über zwei Hauptpunkte der wirthſchaftlichen Verwaltung dieſer Hoſpitäler; zuerſt über die Aufnahme und Entlaſſung in den- ſelben, und dann über das mit dem Heimathsrecht zuſammenhängende Recht der Verpflegungslaſt für die aufgenommenen Kranken. Offen- bar iſt das deutſche Princip der Verbindung der Armenhoſpitäler mit der (häuslichen) Armenkrankenpflege um ſo richtiger, als nur das letztere den Keim zur Selbſthülfe in ſich trägt. An die letztere hat ſich daher das große Syſtem der gegenſeitigen Krankenhülfe der niedern Claſſen angeſchloſſen, das in England, Frankreich und Deutſchland in weſentlich gleichartigen Formen ſeit unſerm Jahrhundert ſehr ausgebildet

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/139>, abgerufen am 28.03.2024.