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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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wieder den höheren Stellen der Gendarmerie unterworfen bleiben,
welche sie zum Dienst für die Civilbehörden commandiren kann. Das
Recht der Waffen ist daneben mit möglichster Bestimmtheit vorge-
schrieben, und so weit als möglich auf das Princip der Nothwehr zu-
rückgeführt. (Siehe bei Rönne, Staatsrecht I. §. 52, II. §. 298 und
§. 331.) Die Gendarmerie Oesterreichs ist durch das Gesetz vom
18. Januar 1850 organisirt. Die beiden Funktionen, die selbständige
und die auf Aufforderung der Behörden geschehende, sind allerdings
bestimmt geschieden, allein die Verbindung derselben mit den letztern,
ist denn doch wesentlich nur auf die höheren Stellen angewiesen; münd-
liche
Befehle kann der Gendarme nur von seinen Vorgesetzten em-
pfangen. Die Unterordnung ist strenge ausgeschlossen. Von einer straf-
rechtlichen Verantwortlichkeit für den Gebrauch der Waffen ist keine
Rede. (Stubenrauch, I. §. 158.) Auf demselben Standpunkt steht
die bayerische Gendarmerie-Ordnung vom 11. Oktober 1812. (Pözl,
Bayerisches Verwaltungsrecht §§. 74, 75.) Ueber die preußische Schutz-
mannschaft
, auf welche die Grundsätze der Gendarmerie durch das
Gesetz vom 4. Februar 1854 anwendbar erklärt worden sind, siehe
Rönne a. a. O. I. §. 52.

3) Waffenrecht einzelner Vollzugsorgane.

Obwohl nun durch diese Organisation der Gendarmerie das all-
gemeine Waffenrecht der vollziehenden Gewalt gesetzmäßig festgestellt ist, so
gibt es dennoch eine Reihe von Verhältnissen, in welchen die Ueberweisung
aller der Fälle, in denen die Anwendung der Waffen nothwendig wird,
an die Gendarmerie nicht thunlich ist. Es handelt sich dabei um die
Vollziehung öffentlich rechtlicher Anordnungen gegen den offenen Wider-
stand der Betheiligten. Es scheint nun -- denn besondere gesetzliche
Vorschriften wüßten wir darüber nicht aufzuführen -- daß bis zur neue-
sten Zeit die Beleihung eines Polizeiorgans mit der Waffe schon an
und für sich als die Berechtigung für dieselbe galt, nach eigenem Er-
messen von dieser Waffe Gebrauch zu machen. Natürlich war das ein
um so ernsteres Princip, als die Verantwortlichkeit für den wirklichen
Gebrauch der Waffe im Dienste in der That nirgends gesetzlich aner-
kannt war, und die Staatsbürger daher dem Ermessen, ja der Willkür
und selbst schlechteren Motiven jener Organe bei jeder Exekution preis
gegeben waren.

Als nun das große Princip der Verfassungsmäßigkeit für die poli-
zeiliche Vollziehung zur Geltung gelangte, mußte die Gesetzgebung das
öffentliche Waffenrecht der Exekutivorgane dadurch zum vollen Abschluß
bringen, daß sie für diejenigen einzelnen Fälle, in denen die Gendarmerie

wieder den höheren Stellen der Gendarmerie unterworfen bleiben,
welche ſie zum Dienſt für die Civilbehörden commandiren kann. Das
Recht der Waffen iſt daneben mit möglichſter Beſtimmtheit vorge-
ſchrieben, und ſo weit als möglich auf das Princip der Nothwehr zu-
rückgeführt. (Siehe bei Rönne, Staatsrecht I. §. 52, II. §. 298 und
§. 331.) Die Gendarmerie Oeſterreichs iſt durch das Geſetz vom
18. Januar 1850 organiſirt. Die beiden Funktionen, die ſelbſtändige
und die auf Aufforderung der Behörden geſchehende, ſind allerdings
beſtimmt geſchieden, allein die Verbindung derſelben mit den letztern,
iſt denn doch weſentlich nur auf die höheren Stellen angewieſen; münd-
liche
Befehle kann der Gendarme nur von ſeinen Vorgeſetzten em-
pfangen. Die Unterordnung iſt ſtrenge ausgeſchloſſen. Von einer ſtraf-
rechtlichen Verantwortlichkeit für den Gebrauch der Waffen iſt keine
Rede. (Stubenrauch, I. §. 158.) Auf demſelben Standpunkt ſteht
die bayeriſche Gendarmerie-Ordnung vom 11. Oktober 1812. (Pözl,
Bayeriſches Verwaltungsrecht §§. 74, 75.) Ueber die preußiſche Schutz-
mannſchaft
, auf welche die Grundſätze der Gendarmerie durch das
Geſetz vom 4. Februar 1854 anwendbar erklärt worden ſind, ſiehe
Rönne a. a. O. I. §. 52.

3) Waffenrecht einzelner Vollzugsorgane.

Obwohl nun durch dieſe Organiſation der Gendarmerie das all-
gemeine Waffenrecht der vollziehenden Gewalt geſetzmäßig feſtgeſtellt iſt, ſo
gibt es dennoch eine Reihe von Verhältniſſen, in welchen die Ueberweiſung
aller der Fälle, in denen die Anwendung der Waffen nothwendig wird,
an die Gendarmerie nicht thunlich iſt. Es handelt ſich dabei um die
Vollziehung öffentlich rechtlicher Anordnungen gegen den offenen Wider-
ſtand der Betheiligten. Es ſcheint nun — denn beſondere geſetzliche
Vorſchriften wüßten wir darüber nicht aufzuführen — daß bis zur neue-
ſten Zeit die Beleihung eines Polizeiorgans mit der Waffe ſchon an
und für ſich als die Berechtigung für dieſelbe galt, nach eigenem Er-
meſſen von dieſer Waffe Gebrauch zu machen. Natürlich war das ein
um ſo ernſteres Princip, als die Verantwortlichkeit für den wirklichen
Gebrauch der Waffe im Dienſte in der That nirgends geſetzlich aner-
kannt war, und die Staatsbürger daher dem Ermeſſen, ja der Willkür
und ſelbſt ſchlechteren Motiven jener Organe bei jeder Exekution preis
gegeben waren.

Als nun das große Princip der Verfaſſungsmäßigkeit für die poli-
zeiliche Vollziehung zur Geltung gelangte, mußte die Geſetzgebung das
öffentliche Waffenrecht der Exekutivorgane dadurch zum vollen Abſchluß
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[70/0092] wieder den höheren Stellen der Gendarmerie unterworfen bleiben, welche ſie zum Dienſt für die Civilbehörden commandiren kann. Das Recht der Waffen iſt daneben mit möglichſter Beſtimmtheit vorge- ſchrieben, und ſo weit als möglich auf das Princip der Nothwehr zu- rückgeführt. (Siehe bei Rönne, Staatsrecht I. §. 52, II. §. 298 und §. 331.) Die Gendarmerie Oeſterreichs iſt durch das Geſetz vom 18. Januar 1850 organiſirt. Die beiden Funktionen, die ſelbſtändige und die auf Aufforderung der Behörden geſchehende, ſind allerdings beſtimmt geſchieden, allein die Verbindung derſelben mit den letztern, iſt denn doch weſentlich nur auf die höheren Stellen angewieſen; münd- liche Befehle kann der Gendarme nur von ſeinen Vorgeſetzten em- pfangen. Die Unterordnung iſt ſtrenge ausgeſchloſſen. Von einer ſtraf- rechtlichen Verantwortlichkeit für den Gebrauch der Waffen iſt keine Rede. (Stubenrauch, I. §. 158.) Auf demſelben Standpunkt ſteht die bayeriſche Gendarmerie-Ordnung vom 11. Oktober 1812. (Pözl, Bayeriſches Verwaltungsrecht §§. 74, 75.) Ueber die preußiſche Schutz- mannſchaft, auf welche die Grundſätze der Gendarmerie durch das Geſetz vom 4. Februar 1854 anwendbar erklärt worden ſind, ſiehe Rönne a. a. O. I. §. 52. 3) Waffenrecht einzelner Vollzugsorgane. Obwohl nun durch dieſe Organiſation der Gendarmerie das all- gemeine Waffenrecht der vollziehenden Gewalt geſetzmäßig feſtgeſtellt iſt, ſo gibt es dennoch eine Reihe von Verhältniſſen, in welchen die Ueberweiſung aller der Fälle, in denen die Anwendung der Waffen nothwendig wird, an die Gendarmerie nicht thunlich iſt. Es handelt ſich dabei um die Vollziehung öffentlich rechtlicher Anordnungen gegen den offenen Wider- ſtand der Betheiligten. Es ſcheint nun — denn beſondere geſetzliche Vorſchriften wüßten wir darüber nicht aufzuführen — daß bis zur neue- ſten Zeit die Beleihung eines Polizeiorgans mit der Waffe ſchon an und für ſich als die Berechtigung für dieſelbe galt, nach eigenem Er- meſſen von dieſer Waffe Gebrauch zu machen. Natürlich war das ein um ſo ernſteres Princip, als die Verantwortlichkeit für den wirklichen Gebrauch der Waffe im Dienſte in der That nirgends geſetzlich aner- kannt war, und die Staatsbürger daher dem Ermeſſen, ja der Willkür und ſelbſt ſchlechteren Motiven jener Organe bei jeder Exekution preis gegeben waren. Als nun das große Princip der Verfaſſungsmäßigkeit für die poli- zeiliche Vollziehung zur Geltung gelangte, mußte die Geſetzgebung das öffentliche Waffenrecht der Exekutivorgane dadurch zum vollen Abſchluß bringen, daß ſie für diejenigen einzelnen Fälle, in denen die Gendarmerie

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/92>, abgerufen am 25.04.2024.