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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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über die strafrechtliche Haftung für die Vollziehung. Es war wohl
nicht ganz richtig, sie einfach mit dem Obigen zusammen zu stellen.

Das amtliche Waffengebrauchsrecht in Preußen steht formell
in allem Wesentlichen auf demselben Standpunkt; jedoch ist es nicht zu
verkennen, daß die preußische Gesetzgebung ihren Beamteten viel größeren
Spielraum in der Anwendung der Waffen einräumt, als die öster-
reichische. Die Kategorien sind dabei dieselben. In Preußen haben
nämlich das Recht des Waffengebrauchs erstlich die Gränzaufsichts-
beamteten (also nicht wie in Oesterreich alle Finanzwachebeamteten) in
Gemäßheit des Gesetzes vom 28. Juni 1834, dann die königlichen
Forst- und Jagdbeamteten in Gemäßheit des Gesetzes vom 31. März
1837 und endlich die Gefängnißaufsichtsbeamteten (Instruktion
vom 11. März 1839). Diese Gesetze sind viel genauer und bestimmter
als die betreffenden österreichischen, und dürfen in dieser Beziehung
als Muster gelten. Genaue Darstellung bei Rönne, Staatsrecht II.
§. 298. -- Im französischen Recht muß wohl der allgemeine Grundsatz
des Code Penal (art. 28 und 42) ausreichen, daß jeder das Recht hat,
Waffen zu tragen, wenn ihm dieß Recht nicht durch das Urtheil eines
Gerichtes entzogen ist. Eine besondere Vorschrift über den Waffen-
gebrauch einzelner Organe, wie der Garde champetre oder Garde des
forets
findet sich nicht. Ich habe auch bei den deutschen Staaten keine
näheren Bestimmungen finden können.

C. Die Verantwortlichkeit der Polizei.
Begriff.

Der dritte, wichtige Theil des öffentlichen Rechts der Polizei ent-
hält nun dasjenige, was wir die öffentlich rechtliche Verant-
wortlichkeit
derselben nennen.

Dieselbe ist in der That nirgends nothwendiger als hier. Denn
jene Unbestimmtheit, welche in dem Wesen der Gefahr liegt, erzeugt
theils Unaufmerksamkeit auf die polizeiliche Thätigkeit, welche sie ab-
wenden soll, theils auch geradezu Willkür; und doch ist gerade bei der
Polizei, deren Aufgabe so selten scharf begränzt werden kann, die mög-
lichst bestimmte Reducirung derselben auf eine rechtliche Gränze noth-
wendig. Da nun das Gesetz diese Gränze nicht geben kann, so muß
sie für jeden einzelnen Akt der Polizei eintreten; das ist, es muß jedes
Polizeiorgan für jede ihrer einzelnen Thätigkeiten in rechtlicher Haftung
sein. Erst mit dieser und ihrem System ist das verfassungsmäßige Po-
lizeirecht vollständig.

über die ſtrafrechtliche Haftung für die Vollziehung. Es war wohl
nicht ganz richtig, ſie einfach mit dem Obigen zuſammen zu ſtellen.

Das amtliche Waffengebrauchsrecht in Preußen ſteht formell
in allem Weſentlichen auf demſelben Standpunkt; jedoch iſt es nicht zu
verkennen, daß die preußiſche Geſetzgebung ihren Beamteten viel größeren
Spielraum in der Anwendung der Waffen einräumt, als die öſter-
reichiſche. Die Kategorien ſind dabei dieſelben. In Preußen haben
nämlich das Recht des Waffengebrauchs erſtlich die Gränzaufſichts-
beamteten (alſo nicht wie in Oeſterreich alle Finanzwachebeamteten) in
Gemäßheit des Geſetzes vom 28. Juni 1834, dann die königlichen
Forſt- und Jagdbeamteten in Gemäßheit des Geſetzes vom 31. März
1837 und endlich die Gefängnißaufſichtsbeamteten (Inſtruktion
vom 11. März 1839). Dieſe Geſetze ſind viel genauer und beſtimmter
als die betreffenden öſterreichiſchen, und dürfen in dieſer Beziehung
als Muſter gelten. Genaue Darſtellung bei Rönne, Staatsrecht II.
§. 298. — Im franzöſiſchen Recht muß wohl der allgemeine Grundſatz
des Code Pénal (art. 28 und 42) ausreichen, daß jeder das Recht hat,
Waffen zu tragen, wenn ihm dieß Recht nicht durch das Urtheil eines
Gerichtes entzogen iſt. Eine beſondere Vorſchrift über den Waffen-
gebrauch einzelner Organe, wie der Garde champêtre oder Garde des
forêts
findet ſich nicht. Ich habe auch bei den deutſchen Staaten keine
näheren Beſtimmungen finden können.

C. Die Verantwortlichkeit der Polizei.
Begriff.

Der dritte, wichtige Theil des öffentlichen Rechts der Polizei ent-
hält nun dasjenige, was wir die öffentlich rechtliche Verant-
wortlichkeit
derſelben nennen.

Dieſelbe iſt in der That nirgends nothwendiger als hier. Denn
jene Unbeſtimmtheit, welche in dem Weſen der Gefahr liegt, erzeugt
theils Unaufmerkſamkeit auf die polizeiliche Thätigkeit, welche ſie ab-
wenden ſoll, theils auch geradezu Willkür; und doch iſt gerade bei der
Polizei, deren Aufgabe ſo ſelten ſcharf begränzt werden kann, die mög-
lichſt beſtimmte Reducirung derſelben auf eine rechtliche Gränze noth-
wendig. Da nun das Geſetz dieſe Gränze nicht geben kann, ſo muß
ſie für jeden einzelnen Akt der Polizei eintreten; das iſt, es muß jedes
Polizeiorgan für jede ihrer einzelnen Thätigkeiten in rechtlicher Haftung
ſein. Erſt mit dieſer und ihrem Syſtem iſt das verfaſſungsmäßige Po-
lizeirecht vollſtändig.

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[74/0096] über die ſtrafrechtliche Haftung für die Vollziehung. Es war wohl nicht ganz richtig, ſie einfach mit dem Obigen zuſammen zu ſtellen. Das amtliche Waffengebrauchsrecht in Preußen ſteht formell in allem Weſentlichen auf demſelben Standpunkt; jedoch iſt es nicht zu verkennen, daß die preußiſche Geſetzgebung ihren Beamteten viel größeren Spielraum in der Anwendung der Waffen einräumt, als die öſter- reichiſche. Die Kategorien ſind dabei dieſelben. In Preußen haben nämlich das Recht des Waffengebrauchs erſtlich die Gränzaufſichts- beamteten (alſo nicht wie in Oeſterreich alle Finanzwachebeamteten) in Gemäßheit des Geſetzes vom 28. Juni 1834, dann die königlichen Forſt- und Jagdbeamteten in Gemäßheit des Geſetzes vom 31. März 1837 und endlich die Gefängnißaufſichtsbeamteten (Inſtruktion vom 11. März 1839). Dieſe Geſetze ſind viel genauer und beſtimmter als die betreffenden öſterreichiſchen, und dürfen in dieſer Beziehung als Muſter gelten. Genaue Darſtellung bei Rönne, Staatsrecht II. §. 298. — Im franzöſiſchen Recht muß wohl der allgemeine Grundſatz des Code Pénal (art. 28 und 42) ausreichen, daß jeder das Recht hat, Waffen zu tragen, wenn ihm dieß Recht nicht durch das Urtheil eines Gerichtes entzogen iſt. Eine beſondere Vorſchrift über den Waffen- gebrauch einzelner Organe, wie der Garde champêtre oder Garde des forêts findet ſich nicht. Ich habe auch bei den deutſchen Staaten keine näheren Beſtimmungen finden können. C. Die Verantwortlichkeit der Polizei. Begriff. Der dritte, wichtige Theil des öffentlichen Rechts der Polizei ent- hält nun dasjenige, was wir die öffentlich rechtliche Verant- wortlichkeit derſelben nennen. Dieſelbe iſt in der That nirgends nothwendiger als hier. Denn jene Unbeſtimmtheit, welche in dem Weſen der Gefahr liegt, erzeugt theils Unaufmerkſamkeit auf die polizeiliche Thätigkeit, welche ſie ab- wenden ſoll, theils auch geradezu Willkür; und doch iſt gerade bei der Polizei, deren Aufgabe ſo ſelten ſcharf begränzt werden kann, die mög- lichſt beſtimmte Reducirung derſelben auf eine rechtliche Gränze noth- wendig. Da nun das Geſetz dieſe Gränze nicht geben kann, ſo muß ſie für jeden einzelnen Akt der Polizei eintreten; das iſt, es muß jedes Polizeiorgan für jede ihrer einzelnen Thätigkeiten in rechtlicher Haftung ſein. Erſt mit dieſer und ihrem Syſtem iſt das verfaſſungsmäßige Po- lizeirecht vollſtändig.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/96>, abgerufen am 18.04.2024.