Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

hat. Und es ist auch dabei wieder festzuhalten, daß diese drei Mo-
mente auch für das gelten, was wir die gerichtliche Polizei genannt
haben.

II. Princip des Rechts der Verwaltungspolizei.

Das Princip des Rechts aller Verwaltungspolizei, auch der ge-
richtlichen, ist an sich ziemlich einfach. Es beruht dasselbe auf dem
Wesen der Gefährdung, wobei die Straflosigkeit der Verbrechen gleich-
falls zunächst als eine Art der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
aufgefaßt werden muß.

Das Wesen der "Gefährdung" nämlich bringt es mit sich, daß
es unthunlich ist, die Gränze des Gefährlichen von dem Ungefährlichen
in objektiver Bestimmung zu scheiden, oder diejenigen Maßregeln ob-
jektiv festzustellen, welche jedesmal vorgenommen werden müssen, um
der Gefahr vorzubeugen. Es ist vielmehr klar, daß dieß Einschreiten
gegen die öffentliche Gefährdung wenigstens in einer von vorn herein
unbestimmbaren Masse von Fällen demjenigen Organ überlassen
werden muß, das der Staat zur Wahrung der allgemeinen Sicherheit
aufstellt. Das dafür eingesetzte Organ nennen wir nun die Polizei.
Die Bestimmung der Polizei, die somit in ihrem Wesen liegt, gibt
ihr damit die Verpflichtung, dasjenige zu thun, was als Bedingung
für die Abwendung der öffentlichen Gefahr nothwendig erscheint, und
mithin auch das Recht, diejenige Beschränkung der staatsbürgerlichen
Freiheit eintreten zu lassen, welche als Bedingung der öffentlichen Sicher-
heit erscheint. Und das Recht auf diese Maßregeln bildet das Recht
der Verwaltungspolizei
.

Die Wichtigkeit der möglichst scharfen Bestimmung dieses Rechts,
sowohl in seinem allgemeinen Princip als in seinen einzelnen Momen-
ten, beruht nun in Folgendem:

In der That ist es nämlich unmöglich, in dem ganzen Gebiete
dieser polizeilichen Thätigkeit mit dem positiven Recht im Einzelnen
auszureichen. Es muß vielmehr unabweisbar dem Organismus der
Polizei überlassen werden, selbständig und einseitig über dasjenige zu
entscheiden, was in jedem einzelnen Falle für die öffentliche Sicher-
heit nothwendig ist, und die Einzelnen müssen sich demselben eben so
nothwendig unterwerfen. Nun aber enthält jedes Einschreiten der
Polizei eine Beschränkung der persönlichen Freiheit. Es ergibt sich
daraus, daß die Aufgabe der Polizei das Recht derselben involvirt,
durch ihre Thätigkeit, und zwar ganz nach ihrem Ermessen, in die
Sphäre der persönlichen Freiheit hineinzugreifen. Es ist nicht möglich,
der Polizei dieß Recht zu nehmen, wenn man ihr die Verantwortlichkeit

hat. Und es iſt auch dabei wieder feſtzuhalten, daß dieſe drei Mo-
mente auch für das gelten, was wir die gerichtliche Polizei genannt
haben.

II. Princip des Rechts der Verwaltungspolizei.

Das Princip des Rechts aller Verwaltungspolizei, auch der ge-
richtlichen, iſt an ſich ziemlich einfach. Es beruht daſſelbe auf dem
Weſen der Gefährdung, wobei die Strafloſigkeit der Verbrechen gleich-
falls zunächſt als eine Art der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
aufgefaßt werden muß.

Das Weſen der „Gefährdung“ nämlich bringt es mit ſich, daß
es unthunlich iſt, die Gränze des Gefährlichen von dem Ungefährlichen
in objektiver Beſtimmung zu ſcheiden, oder diejenigen Maßregeln ob-
jektiv feſtzuſtellen, welche jedesmal vorgenommen werden müſſen, um
der Gefahr vorzubeugen. Es iſt vielmehr klar, daß dieß Einſchreiten
gegen die öffentliche Gefährdung wenigſtens in einer von vorn herein
unbeſtimmbaren Maſſe von Fällen demjenigen Organ überlaſſen
werden muß, das der Staat zur Wahrung der allgemeinen Sicherheit
aufſtellt. Das dafür eingeſetzte Organ nennen wir nun die Polizei.
Die Beſtimmung der Polizei, die ſomit in ihrem Weſen liegt, gibt
ihr damit die Verpflichtung, dasjenige zu thun, was als Bedingung
für die Abwendung der öffentlichen Gefahr nothwendig erſcheint, und
mithin auch das Recht, diejenige Beſchränkung der ſtaatsbürgerlichen
Freiheit eintreten zu laſſen, welche als Bedingung der öffentlichen Sicher-
heit erſcheint. Und das Recht auf dieſe Maßregeln bildet das Recht
der Verwaltungspolizei
.

Die Wichtigkeit der möglichſt ſcharfen Beſtimmung dieſes Rechts,
ſowohl in ſeinem allgemeinen Princip als in ſeinen einzelnen Momen-
ten, beruht nun in Folgendem:

In der That iſt es nämlich unmöglich, in dem ganzen Gebiete
dieſer polizeilichen Thätigkeit mit dem poſitiven Recht im Einzelnen
auszureichen. Es muß vielmehr unabweisbar dem Organismus der
Polizei überlaſſen werden, ſelbſtändig und einſeitig über dasjenige zu
entſcheiden, was in jedem einzelnen Falle für die öffentliche Sicher-
heit nothwendig iſt, und die Einzelnen müſſen ſich demſelben eben ſo
nothwendig unterwerfen. Nun aber enthält jedes Einſchreiten der
Polizei eine Beſchränkung der perſönlichen Freiheit. Es ergibt ſich
daraus, daß die Aufgabe der Polizei das Recht derſelben involvirt,
durch ihre Thätigkeit, und zwar ganz nach ihrem Ermeſſen, in die
Sphäre der perſönlichen Freiheit hineinzugreifen. Es iſt nicht möglich,
der Polizei dieß Recht zu nehmen, wenn man ihr die Verantwortlichkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0049" n="27"/>
hat. Und es i&#x017F;t auch dabei wieder fe&#x017F;tzuhalten, daß die&#x017F;e drei Mo-<lb/>
mente auch für das gelten, was wir die gerichtliche Polizei genannt<lb/>
haben.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Princip des Rechts der Verwaltungspolizei.</hi> </head><lb/>
              <p>Das Princip des Rechts aller Verwaltungspolizei, auch der ge-<lb/>
richtlichen, i&#x017F;t an &#x017F;ich ziemlich einfach. Es beruht da&#x017F;&#x017F;elbe auf dem<lb/>
We&#x017F;en der Gefährdung, wobei die Straflo&#x017F;igkeit der Verbrechen gleich-<lb/>
falls zunäch&#x017F;t als eine Art der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit<lb/>
aufgefaßt werden muß.</p><lb/>
              <p>Das We&#x017F;en der &#x201E;Gefährdung&#x201C; nämlich bringt es mit &#x017F;ich, daß<lb/>
es unthunlich i&#x017F;t, die Gränze des Gefährlichen von dem Ungefährlichen<lb/>
in objektiver Be&#x017F;timmung zu &#x017F;cheiden, oder diejenigen Maßregeln ob-<lb/>
jektiv fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen, welche jedesmal vorgenommen werden mü&#x017F;&#x017F;en, um<lb/>
der Gefahr vorzubeugen. Es i&#x017F;t vielmehr klar, daß dieß Ein&#x017F;chreiten<lb/>
gegen die öffentliche Gefährdung wenig&#x017F;tens in einer von vorn herein<lb/>
unbe&#x017F;timmbaren Ma&#x017F;&#x017F;e von Fällen demjenigen Organ <hi rendition="#g">überla&#x017F;&#x017F;en</hi><lb/>
werden muß, das der Staat zur Wahrung der allgemeinen Sicherheit<lb/>
auf&#x017F;tellt. Das dafür einge&#x017F;etzte Organ nennen wir nun die Polizei.<lb/>
Die Be&#x017F;timmung der Polizei, die &#x017F;omit in ihrem We&#x017F;en liegt, gibt<lb/>
ihr damit die Verpflichtung, dasjenige zu thun, was als Bedingung<lb/>
für die Abwendung der öffentlichen Gefahr nothwendig er&#x017F;cheint, und<lb/>
mithin auch das <hi rendition="#g">Recht</hi>, diejenige Be&#x017F;chränkung der &#x017F;taatsbürgerlichen<lb/>
Freiheit eintreten zu la&#x017F;&#x017F;en, welche als Bedingung der öffentlichen Sicher-<lb/>
heit er&#x017F;cheint. Und das Recht auf die&#x017F;e Maßregeln bildet das <hi rendition="#g">Recht<lb/>
der Verwaltungspolizei</hi>.</p><lb/>
              <p>Die Wichtigkeit der möglich&#x017F;t &#x017F;charfen Be&#x017F;timmung die&#x017F;es Rechts,<lb/>
&#x017F;owohl in &#x017F;einem allgemeinen Princip als in &#x017F;einen einzelnen Momen-<lb/>
ten, beruht nun in Folgendem:</p><lb/>
              <p>In der That i&#x017F;t es nämlich unmöglich, in dem ganzen Gebiete<lb/>
die&#x017F;er polizeilichen Thätigkeit mit dem po&#x017F;itiven Recht im Einzelnen<lb/>
auszureichen. Es muß vielmehr unabweisbar dem Organismus der<lb/>
Polizei überla&#x017F;&#x017F;en werden, &#x017F;elb&#x017F;tändig und ein&#x017F;eitig über dasjenige zu<lb/><hi rendition="#g">ent&#x017F;cheiden</hi>, was in jedem einzelnen Falle für die öffentliche Sicher-<lb/>
heit nothwendig i&#x017F;t, und die Einzelnen mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich dem&#x017F;elben eben &#x017F;o<lb/>
nothwendig unterwerfen. Nun aber enthält jedes Ein&#x017F;chreiten der<lb/>
Polizei eine Be&#x017F;chränkung der per&#x017F;önlichen Freiheit. Es ergibt &#x017F;ich<lb/>
daraus, daß die Aufgabe der Polizei das Recht der&#x017F;elben involvirt,<lb/>
durch ihre Thätigkeit, und zwar ganz nach ihrem Erme&#x017F;&#x017F;en, in die<lb/>
Sphäre der per&#x017F;önlichen Freiheit hineinzugreifen. Es i&#x017F;t nicht möglich,<lb/>
der Polizei dieß Recht zu nehmen, wenn man ihr die Verantwortlichkeit<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0049] hat. Und es iſt auch dabei wieder feſtzuhalten, daß dieſe drei Mo- mente auch für das gelten, was wir die gerichtliche Polizei genannt haben. II. Princip des Rechts der Verwaltungspolizei. Das Princip des Rechts aller Verwaltungspolizei, auch der ge- richtlichen, iſt an ſich ziemlich einfach. Es beruht daſſelbe auf dem Weſen der Gefährdung, wobei die Strafloſigkeit der Verbrechen gleich- falls zunächſt als eine Art der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aufgefaßt werden muß. Das Weſen der „Gefährdung“ nämlich bringt es mit ſich, daß es unthunlich iſt, die Gränze des Gefährlichen von dem Ungefährlichen in objektiver Beſtimmung zu ſcheiden, oder diejenigen Maßregeln ob- jektiv feſtzuſtellen, welche jedesmal vorgenommen werden müſſen, um der Gefahr vorzubeugen. Es iſt vielmehr klar, daß dieß Einſchreiten gegen die öffentliche Gefährdung wenigſtens in einer von vorn herein unbeſtimmbaren Maſſe von Fällen demjenigen Organ überlaſſen werden muß, das der Staat zur Wahrung der allgemeinen Sicherheit aufſtellt. Das dafür eingeſetzte Organ nennen wir nun die Polizei. Die Beſtimmung der Polizei, die ſomit in ihrem Weſen liegt, gibt ihr damit die Verpflichtung, dasjenige zu thun, was als Bedingung für die Abwendung der öffentlichen Gefahr nothwendig erſcheint, und mithin auch das Recht, diejenige Beſchränkung der ſtaatsbürgerlichen Freiheit eintreten zu laſſen, welche als Bedingung der öffentlichen Sicher- heit erſcheint. Und das Recht auf dieſe Maßregeln bildet das Recht der Verwaltungspolizei. Die Wichtigkeit der möglichſt ſcharfen Beſtimmung dieſes Rechts, ſowohl in ſeinem allgemeinen Princip als in ſeinen einzelnen Momen- ten, beruht nun in Folgendem: In der That iſt es nämlich unmöglich, in dem ganzen Gebiete dieſer polizeilichen Thätigkeit mit dem poſitiven Recht im Einzelnen auszureichen. Es muß vielmehr unabweisbar dem Organismus der Polizei überlaſſen werden, ſelbſtändig und einſeitig über dasjenige zu entſcheiden, was in jedem einzelnen Falle für die öffentliche Sicher- heit nothwendig iſt, und die Einzelnen müſſen ſich demſelben eben ſo nothwendig unterwerfen. Nun aber enthält jedes Einſchreiten der Polizei eine Beſchränkung der perſönlichen Freiheit. Es ergibt ſich daraus, daß die Aufgabe der Polizei das Recht derſelben involvirt, durch ihre Thätigkeit, und zwar ganz nach ihrem Ermeſſen, in die Sphäre der perſönlichen Freiheit hineinzugreifen. Es iſt nicht möglich, der Polizei dieß Recht zu nehmen, wenn man ihr die Verantwortlichkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/49
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/49>, abgerufen am 28.03.2024.