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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Charakter ist daher im durchgreifenden Gegensatze zu dem eigentlichen
Strafrecht der, vielmehr eine Verwaltungsmaßregel als eine
Strafe
zu sein.

Dieser Charakter entscheidet nun einerseits für das ganze Recht,
und andererseits für das Maß der Polizeistrafe.

Eine Verwaltungsmaßregel nennen wir die Polizeistrafe, weil es
nicht ihre Aufgabe ist, dem sittlichen Princip der Strafe für eine ge-
schehene Rechtsverletzung zu genügen, sondern nur den Einzelnen zur
nothwendigen Befolgung der Vorschriften der Verwaltung zu veran-
lassen. Daher heißt sie auch mit ihrem allgemeinen Namen Ordnungs-
strafe
, das ist eine Strafe, deren Basis nicht die Idee des Rechts,
sondern die durch die Verwaltung aufrecht zu haltende öffentliche Ord-
nung ist. Und dieser Charakter der Polizeistrafe entscheidet nun auch
für das Maß und für das Rechtsprincip derselben.

Was zunächst das letztere betrifft, so folgt aus jenem Charakter
derselben zunächst, daß sie als Verwaltungsmaßregel auch principiell
von der Verwaltung ausgehen kann, und daher an sich keines
eigentlichen Gesetzes bedarf, um gültig zu sein. Das ist für die Ge-
schichte des Polizeistrafrechts von entscheidender Bedeutung geworden,
und darf bei der heutigen Gestalt desselben nicht übersehen werden, wie
es andererseits ein nicht unwesentliches Element für die Geschichte der
eigentlichen Strafgesetzgebung bildet.

Geht man aber einen Schritt weiter, so ist es wohl keine Frage,
daß eben damit auch das, was die Verwaltung als Verwaltungs- oder
Ordnungsstrafe auflegt, auch einen wesentlich verschiedenen inneren
Charakter hat, der schon dadurch äußerlich sich manifestirt, daß jede
Verwaltungsstrafe keine That, sondern nur eine Gefahr voraussetzt,
und daher in Form und Inhalt sich als eine wesentlich verschiedene
von der peinlichen Strafe herausstellt. Indeß bleibt die äußere Ent-
wicklung hier zunächst bei den obigen Momenten stehen; jener tiefere
Unterschied tritt noch nicht hervor, und die Entwicklung bewegt sich
noch bis auf die neueste Zeit im rein formellen Rechtsgebiet.

In der That hat nämlich das alte Strafrecht bis zum Ende des
vorigen Jahrhunderts sich grundsätzlich auf dem Standpunkt gehalten,
alle Ordnungs- und Polizeistrafen als ganz außerhalb seiner Sphäre
liegend anzusehen. Es genügt ein Blick auf die Carolina, um dieß zu
beweisen. Da aber die Nothwendigkeit eines strafrechtlichen Zwanges
zur Befolgung der Polizeivorschriften dadurch natürlich nicht geringer
ward, so mußte man das Recht zur Auferlegung von Polizeistrafen
einfach der Polizeiverwaltung selbst überlassen. Dieß nun schien um
so natürlicher, als der Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung

Charakter iſt daher im durchgreifenden Gegenſatze zu dem eigentlichen
Strafrecht der, vielmehr eine Verwaltungsmaßregel als eine
Strafe
zu ſein.

Dieſer Charakter entſcheidet nun einerſeits für das ganze Recht,
und andererſeits für das Maß der Polizeiſtrafe.

Eine Verwaltungsmaßregel nennen wir die Polizeiſtrafe, weil es
nicht ihre Aufgabe iſt, dem ſittlichen Princip der Strafe für eine ge-
ſchehene Rechtsverletzung zu genügen, ſondern nur den Einzelnen zur
nothwendigen Befolgung der Vorſchriften der Verwaltung zu veran-
laſſen. Daher heißt ſie auch mit ihrem allgemeinen Namen Ordnungs-
ſtrafe
, das iſt eine Strafe, deren Baſis nicht die Idee des Rechts,
ſondern die durch die Verwaltung aufrecht zu haltende öffentliche Ord-
nung iſt. Und dieſer Charakter der Polizeiſtrafe entſcheidet nun auch
für das Maß und für das Rechtsprincip derſelben.

Was zunächſt das letztere betrifft, ſo folgt aus jenem Charakter
derſelben zunächſt, daß ſie als Verwaltungsmaßregel auch principiell
von der Verwaltung ausgehen kann, und daher an ſich keines
eigentlichen Geſetzes bedarf, um gültig zu ſein. Das iſt für die Ge-
ſchichte des Polizeiſtrafrechts von entſcheidender Bedeutung geworden,
und darf bei der heutigen Geſtalt deſſelben nicht überſehen werden, wie
es andererſeits ein nicht unweſentliches Element für die Geſchichte der
eigentlichen Strafgeſetzgebung bildet.

Geht man aber einen Schritt weiter, ſo iſt es wohl keine Frage,
daß eben damit auch das, was die Verwaltung als Verwaltungs- oder
Ordnungsſtrafe auflegt, auch einen weſentlich verſchiedenen inneren
Charakter hat, der ſchon dadurch äußerlich ſich manifeſtirt, daß jede
Verwaltungsſtrafe keine That, ſondern nur eine Gefahr vorausſetzt,
und daher in Form und Inhalt ſich als eine weſentlich verſchiedene
von der peinlichen Strafe herausſtellt. Indeß bleibt die äußere Ent-
wicklung hier zunächſt bei den obigen Momenten ſtehen; jener tiefere
Unterſchied tritt noch nicht hervor, und die Entwicklung bewegt ſich
noch bis auf die neueſte Zeit im rein formellen Rechtsgebiet.

In der That hat nämlich das alte Strafrecht bis zum Ende des
vorigen Jahrhunderts ſich grundſätzlich auf dem Standpunkt gehalten,
alle Ordnungs- und Polizeiſtrafen als ganz außerhalb ſeiner Sphäre
liegend anzuſehen. Es genügt ein Blick auf die Carolina, um dieß zu
beweiſen. Da aber die Nothwendigkeit eines ſtrafrechtlichen Zwanges
zur Befolgung der Polizeivorſchriften dadurch natürlich nicht geringer
ward, ſo mußte man das Recht zur Auferlegung von Polizeiſtrafen
einfach der Polizeiverwaltung ſelbſt überlaſſen. Dieß nun ſchien um
ſo natürlicher, als der Unterſchied zwiſchen Geſetz und Verordnung

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[37/0059] Charakter iſt daher im durchgreifenden Gegenſatze zu dem eigentlichen Strafrecht der, vielmehr eine Verwaltungsmaßregel als eine Strafe zu ſein. Dieſer Charakter entſcheidet nun einerſeits für das ganze Recht, und andererſeits für das Maß der Polizeiſtrafe. Eine Verwaltungsmaßregel nennen wir die Polizeiſtrafe, weil es nicht ihre Aufgabe iſt, dem ſittlichen Princip der Strafe für eine ge- ſchehene Rechtsverletzung zu genügen, ſondern nur den Einzelnen zur nothwendigen Befolgung der Vorſchriften der Verwaltung zu veran- laſſen. Daher heißt ſie auch mit ihrem allgemeinen Namen Ordnungs- ſtrafe, das iſt eine Strafe, deren Baſis nicht die Idee des Rechts, ſondern die durch die Verwaltung aufrecht zu haltende öffentliche Ord- nung iſt. Und dieſer Charakter der Polizeiſtrafe entſcheidet nun auch für das Maß und für das Rechtsprincip derſelben. Was zunächſt das letztere betrifft, ſo folgt aus jenem Charakter derſelben zunächſt, daß ſie als Verwaltungsmaßregel auch principiell von der Verwaltung ausgehen kann, und daher an ſich keines eigentlichen Geſetzes bedarf, um gültig zu ſein. Das iſt für die Ge- ſchichte des Polizeiſtrafrechts von entſcheidender Bedeutung geworden, und darf bei der heutigen Geſtalt deſſelben nicht überſehen werden, wie es andererſeits ein nicht unweſentliches Element für die Geſchichte der eigentlichen Strafgeſetzgebung bildet. Geht man aber einen Schritt weiter, ſo iſt es wohl keine Frage, daß eben damit auch das, was die Verwaltung als Verwaltungs- oder Ordnungsſtrafe auflegt, auch einen weſentlich verſchiedenen inneren Charakter hat, der ſchon dadurch äußerlich ſich manifeſtirt, daß jede Verwaltungsſtrafe keine That, ſondern nur eine Gefahr vorausſetzt, und daher in Form und Inhalt ſich als eine weſentlich verſchiedene von der peinlichen Strafe herausſtellt. Indeß bleibt die äußere Ent- wicklung hier zunächſt bei den obigen Momenten ſtehen; jener tiefere Unterſchied tritt noch nicht hervor, und die Entwicklung bewegt ſich noch bis auf die neueſte Zeit im rein formellen Rechtsgebiet. In der That hat nämlich das alte Strafrecht bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts ſich grundſätzlich auf dem Standpunkt gehalten, alle Ordnungs- und Polizeiſtrafen als ganz außerhalb ſeiner Sphäre liegend anzuſehen. Es genügt ein Blick auf die Carolina, um dieß zu beweiſen. Da aber die Nothwendigkeit eines ſtrafrechtlichen Zwanges zur Befolgung der Polizeivorſchriften dadurch natürlich nicht geringer ward, ſo mußte man das Recht zur Auferlegung von Polizeiſtrafen einfach der Polizeiverwaltung ſelbſt überlaſſen. Dieß nun ſchien um ſo natürlicher, als der Unterſchied zwiſchen Geſetz und Verordnung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/59>, abgerufen am 19.04.2024.