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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Das zweite Stadium besteht dann darin, daß die Polizei die an-
geordnete Vornahme auf Kosten des Betreffenden selbst vornehmen
läßt. Es muß sich nach dem Wesen der abzuwendenden Gefahr richten,
ob und wann dieß geschehen soll. Dabei ist ohne Zweifel festzuhalten,
daß eine solche Vornahme den Betreffenden nicht von der Anwendung
der allgemeinen Ordnungsstrafe befreit; jedoch dürfte gegen die Verur-
theilung zu der letzteren in solchem Falle stets die Einwendung gelten,
daß der Beklagte nicht im Stande war, aus einem nachweisbaren
äußeren Grunde der polizeilichen Anordnung Folge zu leisten.

Mit diesen beiden Schritten ist nun das polizeiliche Vollzugsver-
fahren erschöpft, womit der Zweck der Polizei erreicht ist. Das Zwangs-
verfahren kann in dem Sinne des speziellen Zwanges immer erst in
dem folgenden Falle eintreten.


Von den uns bekannten Gesetzgebungen hat zunächst Oesterreich
die obigen Elemente ziemlich systematisch und genau anerkannt und
ausgeführt in der "Vorschrift für die Vollstreckung der Verfügungen
und Erkenntnisse der politischen und polizeilichen Behörden" (Verord-
nung vom 20. April 1854), obwohl der §. 7 noch immer zu gewissen
Unsicherheiten Anlaß gibt, da er neben der Vollziehung auf Kosten
des Betreffenden und neben der allgemeinen Ordnungsstrafe des §. 11
noch den Behörden gestattet, "die zum Zwecke führenden Vollzugs- und (?)
Exekutionsmittel in Anwendung zu bringen." Das Verfahren in den
zur politischen Amtshandlung gehörigen Uebertretungsfällen ist weiter
geregelt durch Verordnung vom 5. März 1858. (S. Stubenrauch,
österreichische Verwaltungsgesetzeskunde I. §. 158.) Das bayerische Poli-
zeistrafgesetzbuch §. 30 ist nicht bloß kürzer, sondern auch juristisch besser
gefaßt. Das badische stellt sich wesentlich auf den Standpunkt der
Vollzugserzwingung durch Strafe (§. 30. 31); was nicht ausreicht,
selbst wenn man in dieser Strafandrohung so weit geht, der Polizei
das Recht auf eine 24stündige Verhaftung zu geben. -- Der in dem
Code d'Instr. Crim. mehrmals gebrauchte Ausdruck, daß derjenige, der
sich nicht gehorsam zeigt, "sera contraint" -- natürlich von der con-
trainte par corps
zu unterscheiden -- läßt sich eigentlich juristisch nicht
weiter definiren.

b) Das persönliche Zwangsrecht.

Dem Obigen entsprechend tritt nun der Zwang gegen die Person
erst da ein, wo der Zwang gegen den Willen derselben oder die eigene
polizeiliche Vollstreckung nicht mehr ausreichen. Welcher Art nun diese

Das zweite Stadium beſteht dann darin, daß die Polizei die an-
geordnete Vornahme auf Koſten des Betreffenden ſelbſt vornehmen
läßt. Es muß ſich nach dem Weſen der abzuwendenden Gefahr richten,
ob und wann dieß geſchehen ſoll. Dabei iſt ohne Zweifel feſtzuhalten,
daß eine ſolche Vornahme den Betreffenden nicht von der Anwendung
der allgemeinen Ordnungsſtrafe befreit; jedoch dürfte gegen die Verur-
theilung zu der letzteren in ſolchem Falle ſtets die Einwendung gelten,
daß der Beklagte nicht im Stande war, aus einem nachweisbaren
äußeren Grunde der polizeilichen Anordnung Folge zu leiſten.

Mit dieſen beiden Schritten iſt nun das polizeiliche Vollzugsver-
fahren erſchöpft, womit der Zweck der Polizei erreicht iſt. Das Zwangs-
verfahren kann in dem Sinne des ſpeziellen Zwanges immer erſt in
dem folgenden Falle eintreten.


Von den uns bekannten Geſetzgebungen hat zunächſt Oeſterreich
die obigen Elemente ziemlich ſyſtematiſch und genau anerkannt und
ausgeführt in der „Vorſchrift für die Vollſtreckung der Verfügungen
und Erkenntniſſe der politiſchen und polizeilichen Behörden“ (Verord-
nung vom 20. April 1854), obwohl der §. 7 noch immer zu gewiſſen
Unſicherheiten Anlaß gibt, da er neben der Vollziehung auf Koſten
des Betreffenden und neben der allgemeinen Ordnungsſtrafe des §. 11
noch den Behörden geſtattet, „die zum Zwecke führenden Vollzugs- und (?)
Exekutionsmittel in Anwendung zu bringen.“ Das Verfahren in den
zur politiſchen Amtshandlung gehörigen Uebertretungsfällen iſt weiter
geregelt durch Verordnung vom 5. März 1858. (S. Stubenrauch,
öſterreichiſche Verwaltungsgeſetzeskunde I. §. 158.) Das bayeriſche Poli-
zeiſtrafgeſetzbuch §. 30 iſt nicht bloß kürzer, ſondern auch juriſtiſch beſſer
gefaßt. Das badiſche ſtellt ſich weſentlich auf den Standpunkt der
Vollzugserzwingung durch Strafe (§. 30. 31); was nicht ausreicht,
ſelbſt wenn man in dieſer Strafandrohung ſo weit geht, der Polizei
das Recht auf eine 24ſtündige Verhaftung zu geben. — Der in dem
Code d’Instr. Crim. mehrmals gebrauchte Ausdruck, daß derjenige, der
ſich nicht gehorſam zeigt, „sera contraint“ — natürlich von der con-
trainte par corps
zu unterſcheiden — läßt ſich eigentlich juriſtiſch nicht
weiter definiren.

b) Das perſönliche Zwangsrecht.

Dem Obigen entſprechend tritt nun der Zwang gegen die Perſon
erſt da ein, wo der Zwang gegen den Willen derſelben oder die eigene
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[62/0084] Das zweite Stadium beſteht dann darin, daß die Polizei die an- geordnete Vornahme auf Koſten des Betreffenden ſelbſt vornehmen läßt. Es muß ſich nach dem Weſen der abzuwendenden Gefahr richten, ob und wann dieß geſchehen ſoll. Dabei iſt ohne Zweifel feſtzuhalten, daß eine ſolche Vornahme den Betreffenden nicht von der Anwendung der allgemeinen Ordnungsſtrafe befreit; jedoch dürfte gegen die Verur- theilung zu der letzteren in ſolchem Falle ſtets die Einwendung gelten, daß der Beklagte nicht im Stande war, aus einem nachweisbaren äußeren Grunde der polizeilichen Anordnung Folge zu leiſten. Mit dieſen beiden Schritten iſt nun das polizeiliche Vollzugsver- fahren erſchöpft, womit der Zweck der Polizei erreicht iſt. Das Zwangs- verfahren kann in dem Sinne des ſpeziellen Zwanges immer erſt in dem folgenden Falle eintreten. Von den uns bekannten Geſetzgebungen hat zunächſt Oeſterreich die obigen Elemente ziemlich ſyſtematiſch und genau anerkannt und ausgeführt in der „Vorſchrift für die Vollſtreckung der Verfügungen und Erkenntniſſe der politiſchen und polizeilichen Behörden“ (Verord- nung vom 20. April 1854), obwohl der §. 7 noch immer zu gewiſſen Unſicherheiten Anlaß gibt, da er neben der Vollziehung auf Koſten des Betreffenden und neben der allgemeinen Ordnungsſtrafe des §. 11 noch den Behörden geſtattet, „die zum Zwecke führenden Vollzugs- und (?) Exekutionsmittel in Anwendung zu bringen.“ Das Verfahren in den zur politiſchen Amtshandlung gehörigen Uebertretungsfällen iſt weiter geregelt durch Verordnung vom 5. März 1858. (S. Stubenrauch, öſterreichiſche Verwaltungsgeſetzeskunde I. §. 158.) Das bayeriſche Poli- zeiſtrafgeſetzbuch §. 30 iſt nicht bloß kürzer, ſondern auch juriſtiſch beſſer gefaßt. Das badiſche ſtellt ſich weſentlich auf den Standpunkt der Vollzugserzwingung durch Strafe (§. 30. 31); was nicht ausreicht, ſelbſt wenn man in dieſer Strafandrohung ſo weit geht, der Polizei das Recht auf eine 24ſtündige Verhaftung zu geben. — Der in dem Code d’Instr. Crim. mehrmals gebrauchte Ausdruck, daß derjenige, der ſich nicht gehorſam zeigt, „sera contraint“ — natürlich von der con- trainte par corps zu unterſcheiden — läßt ſich eigentlich juriſtiſch nicht weiter definiren. b) Das perſönliche Zwangsrecht. Dem Obigen entſprechend tritt nun der Zwang gegen die Perſon erſt da ein, wo der Zwang gegen den Willen derſelben oder die eigene polizeiliche Vollſtreckung nicht mehr ausreichen. Welcher Art nun dieſe

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/84>, abgerufen am 24.04.2024.