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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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weil sich nur daran künftig eine klare und ausreichende Gesetzgebung
über dasselbe anschließen kann.

Diese Grundlage besteht nämlich darin, daß der Gebrauch der
Waffe von den übrigen Exekutionsmitteln zuerst geschieden und
dann in seinen Hauptformen selbständig behandelt wird, in der
Weise, daß jede dieser Hauptformen wieder ihr besonderes öffentliches
Waffenrecht bekommt.

Diese Hauptformen sind nun erstlich die Benutzung der militä-
rischen Assistenz
, zweitens die Aufstellung der Gendarmerie als
selbständiges Organ für den polizeilichen Waffendienst, und drittens
das Waffenrecht einzelner Polizeiorgane.

Die leitenden Grundsätze sind dabei, daß kein Vollzugsorgan
Waffen ohne öffentliche Betheiligung führen darf, daß die Anwen-
dung der Waffe daher regelmäßig dem polizeilichen Waffencorps der
Gendarmerie und nur bei gesetzlichen Ausnahmen den einzelnen
Polizeiorganen zusteht, und daß die militärische Assistenz an bestimmte
gesetzliche Formen gebunden ist. Diese drei Grundlagen gelten wohl
praktisch allenthalben. Allein sie sind verhältnißmäßig wenig ausgebildet,
und zum Theil nur in den einzelnen Fällen der Sicherheitspolizei ge-
nauer bestimmt worden.

1) Die militärische Assistenz.

Das Recht der militärischen Assistenz hat zwei Stadien durchge-
macht, welche, von Frankreich ausgehend, im preußischen Recht in sehr
bestimmter Weise formulirt, in den übrigen Staaten dagegen, so viel
wir sehen, noch im öffentlichen Recht zu keiner Klarheit gediehen sind.
Vor der Einführung der Gendarmerie nämlich vertrat das reguläre
Militär in allen Fällen die Anwendung der Waffengewalt, und ob-
wohl darüber keine uns bekannte Gesetze bestanden, wurde es allenthalben
als selbstverständlich angenommen, daß das Militär den Aufforderun-
gen der Behörden zu folgen haben, so wie dieselben erklärten, mit
ihren Mitteln nicht mehr für die öffentliche Ordnung einstehen zu
können. Die Einführung der Gendarmerie ändert dieß Verhältniß
wenigstens für Preußen dahin, daß die Verwaltungs- und Justizbehörden,
wenn die Nothwendigkeit der Waffenanwendung eintritt, sich nur an
die Gendarmerie zu wenden und dieser die anderweitige Requisition
der bewaffneten Macht zu überlassen haben. Den ersten Standpunkt drückt
die preußische Verordnung vom 26. December 1808 (§. 48) und die
allgemeine Gerichtsordnung (Tit. 24. Thl. I. §. 148--150) aus; letztere
jedoch schreibt noch vor, daß die Gerichte, ehe sie solche Hülfe eigenmächtig
nachsuchen, sich erst an die Gerichte erster Instanz wenden und diese

Stein, die Verwaltungslehre. IV. 5

weil ſich nur daran künftig eine klare und ausreichende Geſetzgebung
über daſſelbe anſchließen kann.

Dieſe Grundlage beſteht nämlich darin, daß der Gebrauch der
Waffe von den übrigen Exekutionsmitteln zuerſt geſchieden und
dann in ſeinen Hauptformen ſelbſtändig behandelt wird, in der
Weiſe, daß jede dieſer Hauptformen wieder ihr beſonderes öffentliches
Waffenrecht bekommt.

Dieſe Hauptformen ſind nun erſtlich die Benutzung der militä-
riſchen Aſſiſtenz
, zweitens die Aufſtellung der Gendarmerie als
ſelbſtändiges Organ für den polizeilichen Waffendienſt, und drittens
das Waffenrecht einzelner Polizeiorgane.

Die leitenden Grundſätze ſind dabei, daß kein Vollzugsorgan
Waffen ohne öffentliche Betheiligung führen darf, daß die Anwen-
dung der Waffe daher regelmäßig dem polizeilichen Waffencorps der
Gendarmerie und nur bei geſetzlichen Ausnahmen den einzelnen
Polizeiorganen zuſteht, und daß die militäriſche Aſſiſtenz an beſtimmte
geſetzliche Formen gebunden iſt. Dieſe drei Grundlagen gelten wohl
praktiſch allenthalben. Allein ſie ſind verhältnißmäßig wenig ausgebildet,
und zum Theil nur in den einzelnen Fällen der Sicherheitspolizei ge-
nauer beſtimmt worden.

1) Die militäriſche Aſſiſtenz.

Das Recht der militäriſchen Aſſiſtenz hat zwei Stadien durchge-
macht, welche, von Frankreich ausgehend, im preußiſchen Recht in ſehr
beſtimmter Weiſe formulirt, in den übrigen Staaten dagegen, ſo viel
wir ſehen, noch im öffentlichen Recht zu keiner Klarheit gediehen ſind.
Vor der Einführung der Gendarmerie nämlich vertrat das reguläre
Militär in allen Fällen die Anwendung der Waffengewalt, und ob-
wohl darüber keine uns bekannte Geſetze beſtanden, wurde es allenthalben
als ſelbſtverſtändlich angenommen, daß das Militär den Aufforderun-
gen der Behörden zu folgen haben, ſo wie dieſelben erklärten, mit
ihren Mitteln nicht mehr für die öffentliche Ordnung einſtehen zu
können. Die Einführung der Gendarmerie ändert dieß Verhältniß
wenigſtens für Preußen dahin, daß die Verwaltungs- und Juſtizbehörden,
wenn die Nothwendigkeit der Waffenanwendung eintritt, ſich nur an
die Gendarmerie zu wenden und dieſer die anderweitige Requiſition
der bewaffneten Macht zu überlaſſen haben. Den erſten Standpunkt drückt
die preußiſche Verordnung vom 26. December 1808 (§. 48) und die
allgemeine Gerichtsordnung (Tit. 24. Thl. I. §. 148—150) aus; letztere
jedoch ſchreibt noch vor, daß die Gerichte, ehe ſie ſolche Hülfe eigenmächtig
nachſuchen, ſich erſt an die Gerichte erſter Inſtanz wenden und dieſe

Stein, die Verwaltungslehre. IV. 5
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[65/0087] weil ſich nur daran künftig eine klare und ausreichende Geſetzgebung über daſſelbe anſchließen kann. Dieſe Grundlage beſteht nämlich darin, daß der Gebrauch der Waffe von den übrigen Exekutionsmitteln zuerſt geſchieden und dann in ſeinen Hauptformen ſelbſtändig behandelt wird, in der Weiſe, daß jede dieſer Hauptformen wieder ihr beſonderes öffentliches Waffenrecht bekommt. Dieſe Hauptformen ſind nun erſtlich die Benutzung der militä- riſchen Aſſiſtenz, zweitens die Aufſtellung der Gendarmerie als ſelbſtändiges Organ für den polizeilichen Waffendienſt, und drittens das Waffenrecht einzelner Polizeiorgane. Die leitenden Grundſätze ſind dabei, daß kein Vollzugsorgan Waffen ohne öffentliche Betheiligung führen darf, daß die Anwen- dung der Waffe daher regelmäßig dem polizeilichen Waffencorps der Gendarmerie und nur bei geſetzlichen Ausnahmen den einzelnen Polizeiorganen zuſteht, und daß die militäriſche Aſſiſtenz an beſtimmte geſetzliche Formen gebunden iſt. Dieſe drei Grundlagen gelten wohl praktiſch allenthalben. Allein ſie ſind verhältnißmäßig wenig ausgebildet, und zum Theil nur in den einzelnen Fällen der Sicherheitspolizei ge- nauer beſtimmt worden. 1) Die militäriſche Aſſiſtenz. Das Recht der militäriſchen Aſſiſtenz hat zwei Stadien durchge- macht, welche, von Frankreich ausgehend, im preußiſchen Recht in ſehr beſtimmter Weiſe formulirt, in den übrigen Staaten dagegen, ſo viel wir ſehen, noch im öffentlichen Recht zu keiner Klarheit gediehen ſind. Vor der Einführung der Gendarmerie nämlich vertrat das reguläre Militär in allen Fällen die Anwendung der Waffengewalt, und ob- wohl darüber keine uns bekannte Geſetze beſtanden, wurde es allenthalben als ſelbſtverſtändlich angenommen, daß das Militär den Aufforderun- gen der Behörden zu folgen haben, ſo wie dieſelben erklärten, mit ihren Mitteln nicht mehr für die öffentliche Ordnung einſtehen zu können. Die Einführung der Gendarmerie ändert dieß Verhältniß wenigſtens für Preußen dahin, daß die Verwaltungs- und Juſtizbehörden, wenn die Nothwendigkeit der Waffenanwendung eintritt, ſich nur an die Gendarmerie zu wenden und dieſer die anderweitige Requiſition der bewaffneten Macht zu überlaſſen haben. Den erſten Standpunkt drückt die preußiſche Verordnung vom 26. December 1808 (§. 48) und die allgemeine Gerichtsordnung (Tit. 24. Thl. I. §. 148—150) aus; letztere jedoch ſchreibt noch vor, daß die Gerichte, ehe ſie ſolche Hülfe eigenmächtig nachſuchen, ſich erſt an die Gerichte erſter Inſtanz wenden und dieſe Stein, die Verwaltungslehre. IV. 5

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/87>, abgerufen am 29.03.2024.