Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
2) Die Gendarmerie.

Das Institut, welches wir jetzt als Gendarmerie bezeichnen, ist
nicht neu. Schon Berg hat in seinem Handbuch des T. Polizeirechts
Instruktionen für die "Hatschiere" und "Landdragoner" mehrerer deut-
schen Staaten aus dem vorigen Jahrhundert mitgetheilt. Das, was
demselben in unserem Jahrhundert aber seine eigentliche Bedeutung gab,
ist sein Verhältniß zum öffentlichen Waffenrecht.

Die Aufstellung der Gendarmerie bedeutet nämlich die Trennung
des zur Anwendung der Waffe speziell bestimmten Vollzugs-
organes von allen übrigen Polizeiorganen. In der Gendarmerie er-
scheint das polizeiliche Waffenrecht als ein selbständiger Körper; mit ihr
wird die Anwendung der Waffe zur Ausnahme im ganzen übrigen Ge-
biet des polizeilichen Vollzugs; die Möglichkeit, die Waffe nach Ermessen
anzuwenden, ist damit den letzteren grundsätzlich entzogen, und dem
entspricht die weitere Consequenz, daß da, wo einem Polizeiorgan jetzt
noch eine Waffe gegeben wird, dieselbe, wenn nicht ausdrückliche Gesetze
entgegenstehen, nicht mehr als Zwangsmittel, sondern nur als Mittel
des Schutzes bei voraussichtlichen Fällen der Nothwehr gebraucht
werden soll. In diesem Sinne ist das Aufstellen der Gendarmerie ein
keineswegs unwesentlicher Fortschritt, und das Recht derselben bildet
damit einen integrirenden Theil des öffentlichen Zwangs- und Polizei-
rechts.

Dieses Recht nun stellt sich in folgenden Hauptgesichtspunkten dar.
Zuerst enthält es das Princip seiner inneren Organisation; dann sein
Verhältniß zu der polizeilichen Vollziehung; dann seine selbständige
polizeiliche Thätigkeit, und endlich sein spezielles Waffenrecht, so weit
ein solches besonders zur Erscheinung kommt. Alle diese Punkte beruhen
nun gemeinschaftlich auf dem oben bezeichneten Wesen der Gendarmerie
als selbständigem Organ des öffentlichen Waffenrechts.

Was zuerst die innere Organisation derselben betrifft, so mußte
die Gendarmerie, als eine für die Waffen bestimmte und daher aus
dem Heere hervorgehende Anstalt, innerlich militärisch organisirt
bleiben. Die Grundlage dieser militärischen Organisation war dabei
formell die des Heeres in der Bildung, der Vertheilung, der Sub-
ordination und der höchsten Leitung des ganzen Körpers. Materiell
fand dem entsprechend, auf Recht und Disciplin der einzelnen Glieder
dieses Körpers, das militärische Recht und Verfahren Anwendung. So
stellte sich die Gendarmerie ganz selbständig und eigengeartet neben die
übrige Polizei. Wenn darin nun einerseits ein Element ihrer Kraft
lag, so war freilich damit andrerseits gerade durch diese Verschiedenheit

2) Die Gendarmerie.

Das Inſtitut, welches wir jetzt als Gendarmerie bezeichnen, iſt
nicht neu. Schon Berg hat in ſeinem Handbuch des T. Polizeirechts
Inſtruktionen für die „Hatſchiere“ und „Landdragoner“ mehrerer deut-
ſchen Staaten aus dem vorigen Jahrhundert mitgetheilt. Das, was
demſelben in unſerem Jahrhundert aber ſeine eigentliche Bedeutung gab,
iſt ſein Verhältniß zum öffentlichen Waffenrecht.

Die Aufſtellung der Gendarmerie bedeutet nämlich die Trennung
des zur Anwendung der Waffe ſpeziell beſtimmten Vollzugs-
organes von allen übrigen Polizeiorganen. In der Gendarmerie er-
ſcheint das polizeiliche Waffenrecht als ein ſelbſtändiger Körper; mit ihr
wird die Anwendung der Waffe zur Ausnahme im ganzen übrigen Ge-
biet des polizeilichen Vollzugs; die Möglichkeit, die Waffe nach Ermeſſen
anzuwenden, iſt damit den letzteren grundſätzlich entzogen, und dem
entſpricht die weitere Conſequenz, daß da, wo einem Polizeiorgan jetzt
noch eine Waffe gegeben wird, dieſelbe, wenn nicht ausdrückliche Geſetze
entgegenſtehen, nicht mehr als Zwangsmittel, ſondern nur als Mittel
des Schutzes bei vorausſichtlichen Fällen der Nothwehr gebraucht
werden ſoll. In dieſem Sinne iſt das Aufſtellen der Gendarmerie ein
keineswegs unweſentlicher Fortſchritt, und das Recht derſelben bildet
damit einen integrirenden Theil des öffentlichen Zwangs- und Polizei-
rechts.

Dieſes Recht nun ſtellt ſich in folgenden Hauptgeſichtspunkten dar.
Zuerſt enthält es das Princip ſeiner inneren Organiſation; dann ſein
Verhältniß zu der polizeilichen Vollziehung; dann ſeine ſelbſtändige
polizeiliche Thätigkeit, und endlich ſein ſpezielles Waffenrecht, ſo weit
ein ſolches beſonders zur Erſcheinung kommt. Alle dieſe Punkte beruhen
nun gemeinſchaftlich auf dem oben bezeichneten Weſen der Gendarmerie
als ſelbſtändigem Organ des öffentlichen Waffenrechts.

Was zuerſt die innere Organiſation derſelben betrifft, ſo mußte
die Gendarmerie, als eine für die Waffen beſtimmte und daher aus
dem Heere hervorgehende Anſtalt, innerlich militäriſch organiſirt
bleiben. Die Grundlage dieſer militäriſchen Organiſation war dabei
formell die des Heeres in der Bildung, der Vertheilung, der Sub-
ordination und der höchſten Leitung des ganzen Körpers. Materiell
fand dem entſprechend, auf Recht und Disciplin der einzelnen Glieder
dieſes Körpers, das militäriſche Recht und Verfahren Anwendung. So
ſtellte ſich die Gendarmerie ganz ſelbſtändig und eigengeartet neben die
übrige Polizei. Wenn darin nun einerſeits ein Element ihrer Kraft
lag, ſo war freilich damit andrerſeits gerade durch dieſe Verſchiedenheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0089" n="67"/>
                    <div n="8">
                      <head>2) Die Gendarmerie.</head><lb/>
                      <p>Das In&#x017F;titut, welches wir jetzt als Gendarmerie bezeichnen, i&#x017F;t<lb/>
nicht neu. Schon <hi rendition="#g">Berg</hi> hat in &#x017F;einem Handbuch des T. Polizeirechts<lb/>
In&#x017F;truktionen für die &#x201E;Hat&#x017F;chiere&#x201C; und &#x201E;Landdragoner&#x201C; mehrerer deut-<lb/>
&#x017F;chen Staaten aus dem vorigen Jahrhundert mitgetheilt. Das, was<lb/>
dem&#x017F;elben in un&#x017F;erem Jahrhundert aber &#x017F;eine eigentliche Bedeutung gab,<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ein Verhältniß zum öffentlichen Waffenrecht.</p><lb/>
                      <p>Die Auf&#x017F;tellung der Gendarmerie bedeutet nämlich die <hi rendition="#g">Trennung</hi><lb/>
des zur Anwendung <hi rendition="#g">der Waffe &#x017F;peziell be&#x017F;timmten</hi> Vollzugs-<lb/>
organes von allen übrigen Polizeiorganen. In der Gendarmerie er-<lb/>
&#x017F;cheint das polizeiliche Waffenrecht als ein &#x017F;elb&#x017F;tändiger Körper; mit ihr<lb/>
wird die Anwendung der Waffe zur Ausnahme im ganzen übrigen Ge-<lb/>
biet des polizeilichen Vollzugs; die Möglichkeit, die Waffe nach Erme&#x017F;&#x017F;en<lb/>
anzuwenden, i&#x017F;t damit den letzteren grund&#x017F;ätzlich entzogen, und dem<lb/>
ent&#x017F;pricht die weitere Con&#x017F;equenz, daß da, <hi rendition="#g">wo</hi> einem Polizeiorgan jetzt<lb/>
noch eine Waffe gegeben wird, die&#x017F;elbe, wenn nicht ausdrückliche Ge&#x017F;etze<lb/>
entgegen&#x017F;tehen, nicht mehr als Zwangsmittel, &#x017F;ondern nur als Mittel<lb/>
des Schutzes bei voraus&#x017F;ichtlichen Fällen der <hi rendition="#g">Nothwehr</hi> gebraucht<lb/>
werden &#x017F;oll. In die&#x017F;em Sinne i&#x017F;t das Auf&#x017F;tellen der Gendarmerie ein<lb/>
keineswegs unwe&#x017F;entlicher Fort&#x017F;chritt, und das Recht der&#x017F;elben bildet<lb/>
damit einen integrirenden Theil des öffentlichen Zwangs- und Polizei-<lb/>
rechts.</p><lb/>
                      <p>Die&#x017F;es Recht nun &#x017F;tellt &#x017F;ich in folgenden Hauptge&#x017F;ichtspunkten dar.<lb/>
Zuer&#x017F;t enthält es das Princip &#x017F;einer inneren Organi&#x017F;ation; dann &#x017F;ein<lb/>
Verhältniß zu der polizeilichen Vollziehung; dann &#x017F;eine &#x017F;elb&#x017F;tändige<lb/>
polizeiliche Thätigkeit, und endlich &#x017F;ein &#x017F;pezielles Waffenrecht, &#x017F;o weit<lb/>
ein &#x017F;olches be&#x017F;onders zur Er&#x017F;cheinung kommt. Alle die&#x017F;e Punkte beruhen<lb/>
nun gemein&#x017F;chaftlich auf dem oben bezeichneten We&#x017F;en der Gendarmerie<lb/>
als &#x017F;elb&#x017F;tändigem Organ des öffentlichen Waffenrechts.</p><lb/>
                      <p>Was zuer&#x017F;t die innere Organi&#x017F;ation der&#x017F;elben betrifft, &#x017F;o mußte<lb/>
die Gendarmerie, als eine für die Waffen be&#x017F;timmte und daher aus<lb/>
dem Heere hervorgehende An&#x017F;talt, innerlich <hi rendition="#g">militäri&#x017F;ch</hi> organi&#x017F;irt<lb/>
bleiben. Die Grundlage die&#x017F;er militäri&#x017F;chen Organi&#x017F;ation war dabei<lb/>
formell die des <hi rendition="#g">Heeres</hi> in der Bildung, der Vertheilung, der Sub-<lb/>
ordination und der höch&#x017F;ten Leitung des ganzen Körpers. Materiell<lb/>
fand dem ent&#x017F;prechend, auf Recht und Disciplin der einzelnen Glieder<lb/>
die&#x017F;es Körpers, das militäri&#x017F;che Recht und Verfahren Anwendung. So<lb/>
&#x017F;tellte &#x017F;ich die Gendarmerie ganz &#x017F;elb&#x017F;tändig und eigengeartet neben die<lb/>
übrige Polizei. Wenn darin nun einer&#x017F;eits ein Element ihrer Kraft<lb/>
lag, &#x017F;o war freilich damit andrer&#x017F;eits gerade durch die&#x017F;e Ver&#x017F;chiedenheit<lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0089] 2) Die Gendarmerie. Das Inſtitut, welches wir jetzt als Gendarmerie bezeichnen, iſt nicht neu. Schon Berg hat in ſeinem Handbuch des T. Polizeirechts Inſtruktionen für die „Hatſchiere“ und „Landdragoner“ mehrerer deut- ſchen Staaten aus dem vorigen Jahrhundert mitgetheilt. Das, was demſelben in unſerem Jahrhundert aber ſeine eigentliche Bedeutung gab, iſt ſein Verhältniß zum öffentlichen Waffenrecht. Die Aufſtellung der Gendarmerie bedeutet nämlich die Trennung des zur Anwendung der Waffe ſpeziell beſtimmten Vollzugs- organes von allen übrigen Polizeiorganen. In der Gendarmerie er- ſcheint das polizeiliche Waffenrecht als ein ſelbſtändiger Körper; mit ihr wird die Anwendung der Waffe zur Ausnahme im ganzen übrigen Ge- biet des polizeilichen Vollzugs; die Möglichkeit, die Waffe nach Ermeſſen anzuwenden, iſt damit den letzteren grundſätzlich entzogen, und dem entſpricht die weitere Conſequenz, daß da, wo einem Polizeiorgan jetzt noch eine Waffe gegeben wird, dieſelbe, wenn nicht ausdrückliche Geſetze entgegenſtehen, nicht mehr als Zwangsmittel, ſondern nur als Mittel des Schutzes bei vorausſichtlichen Fällen der Nothwehr gebraucht werden ſoll. In dieſem Sinne iſt das Aufſtellen der Gendarmerie ein keineswegs unweſentlicher Fortſchritt, und das Recht derſelben bildet damit einen integrirenden Theil des öffentlichen Zwangs- und Polizei- rechts. Dieſes Recht nun ſtellt ſich in folgenden Hauptgeſichtspunkten dar. Zuerſt enthält es das Princip ſeiner inneren Organiſation; dann ſein Verhältniß zu der polizeilichen Vollziehung; dann ſeine ſelbſtändige polizeiliche Thätigkeit, und endlich ſein ſpezielles Waffenrecht, ſo weit ein ſolches beſonders zur Erſcheinung kommt. Alle dieſe Punkte beruhen nun gemeinſchaftlich auf dem oben bezeichneten Weſen der Gendarmerie als ſelbſtändigem Organ des öffentlichen Waffenrechts. Was zuerſt die innere Organiſation derſelben betrifft, ſo mußte die Gendarmerie, als eine für die Waffen beſtimmte und daher aus dem Heere hervorgehende Anſtalt, innerlich militäriſch organiſirt bleiben. Die Grundlage dieſer militäriſchen Organiſation war dabei formell die des Heeres in der Bildung, der Vertheilung, der Sub- ordination und der höchſten Leitung des ganzen Körpers. Materiell fand dem entſprechend, auf Recht und Disciplin der einzelnen Glieder dieſes Körpers, das militäriſche Recht und Verfahren Anwendung. So ſtellte ſich die Gendarmerie ganz ſelbſtändig und eigengeartet neben die übrige Polizei. Wenn darin nun einerſeits ein Element ihrer Kraft lag, ſo war freilich damit andrerſeits gerade durch dieſe Verſchiedenheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/89
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/89>, abgerufen am 29.03.2024.