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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Das zweite große System ist nun das der beiden großen deutschen
Staaten, Oesterreichs und Preußens. Beide haben das öffentliche
Waffenrecht einzelnen Vollzugsorganen zugesprochen. Es war natür-
lich, daß bei diesen Bestimmungen die spezielle Natur der einzelnen
Funktionen entscheidend war. Im Allgemeinen läßt sich dabei nicht
verkennen, daß die betreffenden Gesetze das Bestreben haben, die An-
wendung der Waffen gesetzlich, so weit als irgend thunlich, einerseits
auf die Nothwehr zurückzuführen, andrerseits aber die Verantwort-
lichkeit für den Waffengebrauch festzuhalten; Grundsätze, welche eben nur
durch die Aufstellung der Gendarmerie möglich wurden, und stets in
Verbindung mit derselben gedacht werden müssen.

Was zunächst Oesterreich betrifft, so gibt es hier nur zwei Ka-
tegorien von Beamteten, denen die Waffe im Dienst überhaupt gegeben
ist, und für welche daher auch ein eigenes gesetzliches Waffengebrauchs-
recht aufgestellt werden mußte. Das ist das Personal des Forst- und
Feldschutzes einerseits, und das der Finanzwache andrerseits. Die ge-
setzlichen Bestimmungen für beide haben einen wesentlich verschiedenen
Charakter. Für die erste Kategorie ist die Anwendung der Waffe grund-
sätzlich auf die Nothwehr beschränkt, offenbar, weil hier der Beweis
des Widerstandes in den meisten Fällen kaum zu führen und die An-
wendung der Waffe daher ganz der Willkür der Bediensteten überlassen
sein würde. Für die zweite Kategorie findet eine solche Beschränkung
dagegen nicht statt. Die betreffenden Bestimmungen sind:

I. Forstgesetz vom 3. December 1852 (Reichsgesetzblatt 250). Nach
§. 54 darf im Forstdienst von der Waffe nur im Falle gerechter Noth-
wehr Gebrauch gemacht werden. -- II. Minist.-Verord. vom 2. Januar
1854 (Reichsgesetzblatt 4. §. 3) verordnet, daß das für den Forstschutz-
und Jagddienst oder für den Jagddienst allein beeidete Personal befugt
ist, von der Waffe nur im Falle gerechter Nothwehr Gebrauch zu machen.
(Außer diesem Falle ist es denselben nicht erlaubt, ihrer Selbsterhaltung
wegen auf Personen zu schießen, die auf ihr Zurufen sich nicht ergeben.)
-- III. Dasselbe bestimmt die Minst.-Verord. vom 30. Januar 1860
(Reichsgesetzblatt 28) für das beeidete Feldschutzpersonal. -- IV. Für die
Finanzwache bestehen mehrere Vorschriften. a) Die allgemeine des Hof-
kammerdecrets vom 8. Februar 1846 (Politische Gesetzsamml. 74. Band,
S. 21) b) Für die Gränzbezirke Minist.-Verord. vom 15. Okt. 1853
(Reichsgesetzblatt 210 und vom 27. Juli 1864, Reichsgesetzblatt 64).
Letztere Verordnungen beschränken das Recht zum Waffengebrauche nicht
auf den Fall gerechter Nothwehr. (Vergl. Herbst, Handbuch des öster-
reichischen Strafrechts.)

Alle übrigen Bestimmungen gehören in den folgenden Abschnitt

Das zweite große Syſtem iſt nun das der beiden großen deutſchen
Staaten, Oeſterreichs und Preußens. Beide haben das öffentliche
Waffenrecht einzelnen Vollzugsorganen zugeſprochen. Es war natür-
lich, daß bei dieſen Beſtimmungen die ſpezielle Natur der einzelnen
Funktionen entſcheidend war. Im Allgemeinen läßt ſich dabei nicht
verkennen, daß die betreffenden Geſetze das Beſtreben haben, die An-
wendung der Waffen geſetzlich, ſo weit als irgend thunlich, einerſeits
auf die Nothwehr zurückzuführen, andrerſeits aber die Verantwort-
lichkeit für den Waffengebrauch feſtzuhalten; Grundſätze, welche eben nur
durch die Aufſtellung der Gendarmerie möglich wurden, und ſtets in
Verbindung mit derſelben gedacht werden müſſen.

Was zunächſt Oeſterreich betrifft, ſo gibt es hier nur zwei Ka-
tegorien von Beamteten, denen die Waffe im Dienſt überhaupt gegeben
iſt, und für welche daher auch ein eigenes geſetzliches Waffengebrauchs-
recht aufgeſtellt werden mußte. Das iſt das Perſonal des Forſt- und
Feldſchutzes einerſeits, und das der Finanzwache andrerſeits. Die ge-
ſetzlichen Beſtimmungen für beide haben einen weſentlich verſchiedenen
Charakter. Für die erſte Kategorie iſt die Anwendung der Waffe grund-
ſätzlich auf die Nothwehr beſchränkt, offenbar, weil hier der Beweis
des Widerſtandes in den meiſten Fällen kaum zu führen und die An-
wendung der Waffe daher ganz der Willkür der Bedienſteten überlaſſen
ſein würde. Für die zweite Kategorie findet eine ſolche Beſchränkung
dagegen nicht ſtatt. Die betreffenden Beſtimmungen ſind:

I. Forſtgeſetz vom 3. December 1852 (Reichsgeſetzblatt 250). Nach
§. 54 darf im Forſtdienſt von der Waffe nur im Falle gerechter Noth-
wehr Gebrauch gemacht werden. — II. Miniſt.-Verord. vom 2. Januar
1854 (Reichsgeſetzblatt 4. §. 3) verordnet, daß das für den Forſtſchutz-
und Jagddienſt oder für den Jagddienſt allein beeidete Perſonal befugt
iſt, von der Waffe nur im Falle gerechter Nothwehr Gebrauch zu machen.
(Außer dieſem Falle iſt es denſelben nicht erlaubt, ihrer Selbſterhaltung
wegen auf Perſonen zu ſchießen, die auf ihr Zurufen ſich nicht ergeben.)
III. Daſſelbe beſtimmt die Minſt.-Verord. vom 30. Januar 1860
(Reichsgeſetzblatt 28) für das beeidete Feldſchutzperſonal. — IV. Für die
Finanzwache beſtehen mehrere Vorſchriften. a) Die allgemeine des Hof-
kammerdecrets vom 8. Februar 1846 (Politiſche Geſetzſamml. 74. Band,
S. 21) b) Für die Gränzbezirke Miniſt.-Verord. vom 15. Okt. 1853
(Reichsgeſetzblatt 210 und vom 27. Juli 1864, Reichsgeſetzblatt 64).
Letztere Verordnungen beſchränken das Recht zum Waffengebrauche nicht
auf den Fall gerechter Nothwehr. (Vergl. Herbſt, Handbuch des öſter-
reichiſchen Strafrechts.)

Alle übrigen Beſtimmungen gehören in den folgenden Abſchnitt

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[73/0095] Das zweite große Syſtem iſt nun das der beiden großen deutſchen Staaten, Oeſterreichs und Preußens. Beide haben das öffentliche Waffenrecht einzelnen Vollzugsorganen zugeſprochen. Es war natür- lich, daß bei dieſen Beſtimmungen die ſpezielle Natur der einzelnen Funktionen entſcheidend war. Im Allgemeinen läßt ſich dabei nicht verkennen, daß die betreffenden Geſetze das Beſtreben haben, die An- wendung der Waffen geſetzlich, ſo weit als irgend thunlich, einerſeits auf die Nothwehr zurückzuführen, andrerſeits aber die Verantwort- lichkeit für den Waffengebrauch feſtzuhalten; Grundſätze, welche eben nur durch die Aufſtellung der Gendarmerie möglich wurden, und ſtets in Verbindung mit derſelben gedacht werden müſſen. Was zunächſt Oeſterreich betrifft, ſo gibt es hier nur zwei Ka- tegorien von Beamteten, denen die Waffe im Dienſt überhaupt gegeben iſt, und für welche daher auch ein eigenes geſetzliches Waffengebrauchs- recht aufgeſtellt werden mußte. Das iſt das Perſonal des Forſt- und Feldſchutzes einerſeits, und das der Finanzwache andrerſeits. Die ge- ſetzlichen Beſtimmungen für beide haben einen weſentlich verſchiedenen Charakter. Für die erſte Kategorie iſt die Anwendung der Waffe grund- ſätzlich auf die Nothwehr beſchränkt, offenbar, weil hier der Beweis des Widerſtandes in den meiſten Fällen kaum zu führen und die An- wendung der Waffe daher ganz der Willkür der Bedienſteten überlaſſen ſein würde. Für die zweite Kategorie findet eine ſolche Beſchränkung dagegen nicht ſtatt. Die betreffenden Beſtimmungen ſind: I. Forſtgeſetz vom 3. December 1852 (Reichsgeſetzblatt 250). Nach §. 54 darf im Forſtdienſt von der Waffe nur im Falle gerechter Noth- wehr Gebrauch gemacht werden. — II. Miniſt.-Verord. vom 2. Januar 1854 (Reichsgeſetzblatt 4. §. 3) verordnet, daß das für den Forſtſchutz- und Jagddienſt oder für den Jagddienſt allein beeidete Perſonal befugt iſt, von der Waffe nur im Falle gerechter Nothwehr Gebrauch zu machen. (Außer dieſem Falle iſt es denſelben nicht erlaubt, ihrer Selbſterhaltung wegen auf Perſonen zu ſchießen, die auf ihr Zurufen ſich nicht ergeben.) — III. Daſſelbe beſtimmt die Minſt.-Verord. vom 30. Januar 1860 (Reichsgeſetzblatt 28) für das beeidete Feldſchutzperſonal. — IV. Für die Finanzwache beſtehen mehrere Vorſchriften. a) Die allgemeine des Hof- kammerdecrets vom 8. Februar 1846 (Politiſche Geſetzſamml. 74. Band, S. 21) b) Für die Gränzbezirke Miniſt.-Verord. vom 15. Okt. 1853 (Reichsgeſetzblatt 210 und vom 27. Juli 1864, Reichsgeſetzblatt 64). Letztere Verordnungen beſchränken das Recht zum Waffengebrauche nicht auf den Fall gerechter Nothwehr. (Vergl. Herbſt, Handbuch des öſter- reichiſchen Strafrechts.) Alle übrigen Beſtimmungen gehören in den folgenden Abſchnitt

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/95>, abgerufen am 25.04.2024.