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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Diese nun bestehen in drei Punkten, welche bis jetzt erst in wenig
Staaten selbständige Berücksichtigung gefunden haben.

Der erste Punkt betrifft das eigentliche Verordnungsrecht; der
leitende Grundsatz ist die Unterzeichnung der Minister, welche wiederum
die ministerielle Verantwortlichkeit für das, in den Verordnungen auf-
gestellte Recht gegenüber den Gesetzen enthaltene gesetzliche Recht be-
gründet. Dieß Verordnungsrecht gehört jedoch nur im weiteren Sinne
hierher, insofern die Verfügungen auf demselben beruhen.

Der zweite Punkt -- bereits erwähnt unter Polizeiverfügung --
betrifft die Vorschriften über den Erlaß von örtlichen Polizeiver-
fügungen. Das Princip derselben, das erst die neuere Zeit ausgebildet
hat, hat sich in einigen Staaten zu einem förmlichen System entwickelt.
Man muß hier das französische von dem deutschen Princip scheiden, und
es ist kein Zweifel, daß das letztere viel höher steht, als das erstere.
Nach dem französischen Princip ist nämlich jede Polizeiverfügung eine
rein amtliche, und steht daher nur unter der Controle der höheren
amtlichen Stellen, ohne alle Herbeiziehung der Theilnahme der Selbst-
verwaltungskörper. Nach deutschem Princip dagegen sind solche orts-
polizeilichen Verfügungen von Seiten der Ortsbehörden unter Zuziehung
der Selbstverwaltungskörper -- des Gemeinderathes -- zu erlassen,
und nur wenn sie allgemeine und dauernde Vorschriften enthalten, der
höheren amtlichen Stelle mitzutheilen, welche dieselben eventuell außer
Kraft setzen können.

Der dritte Punkt endlich betrifft die Publikation solcher Ver-
fügungen, welche in einigen Staaten genau geregelt ist.

Auf diesen Elementen nun beruht das verfassungsmäßige Recht der
Polizeiverfügung, welches, wie die Natur der Sache es fordert, in dem
Recht der Beschwerde gegen die Verfügung als solche besteht.
Da dieß Recht noch keineswegs gehörig entwickelt ist, so stellen wir für
die Beurtheilung des geltenden Rechts hier die beiden leitenden Gesichts-
punkte auf.

Der erste ist der der Anerkennung des Beschwerderechts im All-
gemeinen, dessen Unbestimmtheit im deutschen, dessen Klarheit im fran-
zösischen, und dessen Vermischung mit dem Klagrecht im englischen Recht
bereits in der "vollziehenden Gewalt" dargelegt worden ist (S. 121 ff.).
Es versteht sich dabei von selbst, daß auch da, wo keine besondere Be-
ziehung auf das Recht der Polizeiverfügung vorhanden ist, dennoch die
letztere unter dasselbe fällt, ja wohl meistens das eigentliche Objekt des-
selben bildet. Es gelten daher hier alle am angemerkten Orte auf-
gestellten Grundsätze für diese Verfügungen.

Der zweite schließt sich nun auf das Genaueste an den tiefen,

Dieſe nun beſtehen in drei Punkten, welche bis jetzt erſt in wenig
Staaten ſelbſtändige Berückſichtigung gefunden haben.

Der erſte Punkt betrifft das eigentliche Verordnungsrecht; der
leitende Grundſatz iſt die Unterzeichnung der Miniſter, welche wiederum
die miniſterielle Verantwortlichkeit für das, in den Verordnungen auf-
geſtellte Recht gegenüber den Geſetzen enthaltene geſetzliche Recht be-
gründet. Dieß Verordnungsrecht gehört jedoch nur im weiteren Sinne
hierher, inſofern die Verfügungen auf demſelben beruhen.

Der zweite Punkt — bereits erwähnt unter Polizeiverfügung —
betrifft die Vorſchriften über den Erlaß von örtlichen Polizeiver-
fügungen. Das Princip derſelben, das erſt die neuere Zeit ausgebildet
hat, hat ſich in einigen Staaten zu einem förmlichen Syſtem entwickelt.
Man muß hier das franzöſiſche von dem deutſchen Princip ſcheiden, und
es iſt kein Zweifel, daß das letztere viel höher ſteht, als das erſtere.
Nach dem franzöſiſchen Princip iſt nämlich jede Polizeiverfügung eine
rein amtliche, und ſteht daher nur unter der Controle der höheren
amtlichen Stellen, ohne alle Herbeiziehung der Theilnahme der Selbſt-
verwaltungskörper. Nach deutſchem Princip dagegen ſind ſolche orts-
polizeilichen Verfügungen von Seiten der Ortsbehörden unter Zuziehung
der Selbſtverwaltungskörper — des Gemeinderathes — zu erlaſſen,
und nur wenn ſie allgemeine und dauernde Vorſchriften enthalten, der
höheren amtlichen Stelle mitzutheilen, welche dieſelben eventuell außer
Kraft ſetzen können.

Der dritte Punkt endlich betrifft die Publikation ſolcher Ver-
fügungen, welche in einigen Staaten genau geregelt iſt.

Auf dieſen Elementen nun beruht das verfaſſungsmäßige Recht der
Polizeiverfügung, welches, wie die Natur der Sache es fordert, in dem
Recht der Beſchwerde gegen die Verfügung als ſolche beſteht.
Da dieß Recht noch keineswegs gehörig entwickelt iſt, ſo ſtellen wir für
die Beurtheilung des geltenden Rechts hier die beiden leitenden Geſichts-
punkte auf.

Der erſte iſt der der Anerkennung des Beſchwerderechts im All-
gemeinen, deſſen Unbeſtimmtheit im deutſchen, deſſen Klarheit im fran-
zöſiſchen, und deſſen Vermiſchung mit dem Klagrecht im engliſchen Recht
bereits in der „vollziehenden Gewalt“ dargelegt worden iſt (S. 121 ff.).
Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß auch da, wo keine beſondere Be-
ziehung auf das Recht der Polizeiverfügung vorhanden iſt, dennoch die
letztere unter daſſelbe fällt, ja wohl meiſtens das eigentliche Objekt des-
ſelben bildet. Es gelten daher hier alle am angemerkten Orte auf-
geſtellten Grundſätze für dieſe Verfügungen.

Der zweite ſchließt ſich nun auf das Genaueſte an den tiefen,

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[76/0098] Dieſe nun beſtehen in drei Punkten, welche bis jetzt erſt in wenig Staaten ſelbſtändige Berückſichtigung gefunden haben. Der erſte Punkt betrifft das eigentliche Verordnungsrecht; der leitende Grundſatz iſt die Unterzeichnung der Miniſter, welche wiederum die miniſterielle Verantwortlichkeit für das, in den Verordnungen auf- geſtellte Recht gegenüber den Geſetzen enthaltene geſetzliche Recht be- gründet. Dieß Verordnungsrecht gehört jedoch nur im weiteren Sinne hierher, inſofern die Verfügungen auf demſelben beruhen. Der zweite Punkt — bereits erwähnt unter Polizeiverfügung — betrifft die Vorſchriften über den Erlaß von örtlichen Polizeiver- fügungen. Das Princip derſelben, das erſt die neuere Zeit ausgebildet hat, hat ſich in einigen Staaten zu einem förmlichen Syſtem entwickelt. Man muß hier das franzöſiſche von dem deutſchen Princip ſcheiden, und es iſt kein Zweifel, daß das letztere viel höher ſteht, als das erſtere. Nach dem franzöſiſchen Princip iſt nämlich jede Polizeiverfügung eine rein amtliche, und ſteht daher nur unter der Controle der höheren amtlichen Stellen, ohne alle Herbeiziehung der Theilnahme der Selbſt- verwaltungskörper. Nach deutſchem Princip dagegen ſind ſolche orts- polizeilichen Verfügungen von Seiten der Ortsbehörden unter Zuziehung der Selbſtverwaltungskörper — des Gemeinderathes — zu erlaſſen, und nur wenn ſie allgemeine und dauernde Vorſchriften enthalten, der höheren amtlichen Stelle mitzutheilen, welche dieſelben eventuell außer Kraft ſetzen können. Der dritte Punkt endlich betrifft die Publikation ſolcher Ver- fügungen, welche in einigen Staaten genau geregelt iſt. Auf dieſen Elementen nun beruht das verfaſſungsmäßige Recht der Polizeiverfügung, welches, wie die Natur der Sache es fordert, in dem Recht der Beſchwerde gegen die Verfügung als ſolche beſteht. Da dieß Recht noch keineswegs gehörig entwickelt iſt, ſo ſtellen wir für die Beurtheilung des geltenden Rechts hier die beiden leitenden Geſichts- punkte auf. Der erſte iſt der der Anerkennung des Beſchwerderechts im All- gemeinen, deſſen Unbeſtimmtheit im deutſchen, deſſen Klarheit im fran- zöſiſchen, und deſſen Vermiſchung mit dem Klagrecht im engliſchen Recht bereits in der „vollziehenden Gewalt“ dargelegt worden iſt (S. 121 ff.). Es verſteht ſich dabei von ſelbſt, daß auch da, wo keine beſondere Be- ziehung auf das Recht der Polizeiverfügung vorhanden iſt, dennoch die letztere unter daſſelbe fällt, ja wohl meiſtens das eigentliche Objekt des- ſelben bildet. Es gelten daher hier alle am angemerkten Orte auf- geſtellten Grundſätze für dieſe Verfügungen. Der zweite ſchließt ſich nun auf das Genaueſte an den tiefen,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/98>, abgerufen am 28.03.2024.