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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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wissenschaftlichen Bildung vertritt; aber eben darum ist es selbst schon keine
Berufbildungsanstalt, sondern in der That eine von der Verwal-
tung organisirte Anstalt für freie wissenschaftliche Vorträge außerhalb der
Instruction superieure, entsprungen aus dem Bedürfniß einer höheren
Einheit der wissenschaftlichen Bildung, ohne jedoch dieß Bedürfniß organisch
befriedigen zu können, da es theils keine Verpflichtung der Studirenden
gibt, es zu besuchen, theils auch nur das Eine College in Paris be-
steht. Die Unfähigkeit, dieß College seit Jahrhunderten weder auf-
heben noch es der Universite unterwerfen zu können, zeigt am deut-
lichsten den tiefen Gegensatz, der im ganzen wissenschaftlichen Berufs-
bildungswesen Frankreichs herrscht und ihm eigentlich seinen Charakter
gibt. Vergl. über das College de France Franchart bei Block Dict.
de l'Admin.
Das Gefühl der Sache sehr klar bei Charles Read
(Block
, Dict. de la Politique): "le College de France est cense repre-
senter d'une maniere speciale l'esprit de hardie initiative et de
liberte entiere."

C. Specialinstitute.

Aus demselben Mangel aller allgemeinen Bildung in der Instruction
superieure
hat sich nun die Nothwendigkeit gebildet, bei gewissen Special-
instituten zugleich systematische Lehrvorträge zu halten und sie so als
selbständige Glieder des Fachbildungswesens neben die übrigen zu stellen,
wobei jedoch nie übersehen werden muß, daß sie nicht etwa wie in
Deutschland regelmäßig mit den Universitäten verbunden sind, sondern
daß je Eine Anstalt für ganz Frankreich genügen muß. Diese In-
stitute der rein wissenschaftlichen Specialbildung sind:

a) Museum d'histoire naturelle seit Decret vom 10. Juni 1793,
mit 15 Lehrstühlen und Einem Besuch.
b) Ecole des langues orientales, schon seit 1669 errichtet als
Lehr- und Erziehungsanstalt zugleich auf öffentliche Kosten; Fachbildung
für die orientalischen Consulate unter der Verwaltung des Ministers
des Aeußern; die Zöglinge heißen "Jeunes de langue" (Verordnung
vom 20. April 1833).
c) Bureau des longitudes, Errichtung vom 7. Messidor an III
(1795). Neueste Ordnung durch Decret vom 30. Januar 1854 mit
völliger Trennung vom Observatoire, speciell für Beobachtungen in
der Astronomie, Entwicklung der astronomischen Instrumente, Publika-
tionen über die Connaissance des temps u. s. w.
d) L'Observatoire: rein astronomisches Beobachtungsinstitut. Neue
Ordnung durch Decret vom 30. Januar und 1. Februar 1854.
e) Ecole des chartes. Fachschule für Paläographie; die Schüler

wiſſenſchaftlichen Bildung vertritt; aber eben darum iſt es ſelbſt ſchon keine
Berufbildungsanſtalt, ſondern in der That eine von der Verwal-
tung organiſirte Anſtalt für freie wiſſenſchaftliche Vorträge außerhalb der
Instruction supérieure, entſprungen aus dem Bedürfniß einer höheren
Einheit der wiſſenſchaftlichen Bildung, ohne jedoch dieß Bedürfniß organiſch
befriedigen zu können, da es theils keine Verpflichtung der Studirenden
gibt, es zu beſuchen, theils auch nur das Eine Collège in Paris be-
ſteht. Die Unfähigkeit, dieß Collège ſeit Jahrhunderten weder auf-
heben noch es der Université unterwerfen zu können, zeigt am deut-
lichſten den tiefen Gegenſatz, der im ganzen wiſſenſchaftlichen Berufs-
bildungsweſen Frankreichs herrſcht und ihm eigentlich ſeinen Charakter
gibt. Vergl. über das Collège de France Franchart bei Block Dict.
de l’Admin.
Das Gefühl der Sache ſehr klar bei Charles Read
(Block
, Dict. de la Politique): „le Collège de France est censé repré-
senter d’une manière speciale l’esprit de hardie initiative et de
liberté entière.

C. Specialinſtitute.

Aus demſelben Mangel aller allgemeinen Bildung in der Instruction
supérieure
hat ſich nun die Nothwendigkeit gebildet, bei gewiſſen Special-
inſtituten zugleich ſyſtematiſche Lehrvorträge zu halten und ſie ſo als
ſelbſtändige Glieder des Fachbildungsweſens neben die übrigen zu ſtellen,
wobei jedoch nie überſehen werden muß, daß ſie nicht etwa wie in
Deutſchland regelmäßig mit den Univerſitäten verbunden ſind, ſondern
daß je Eine Anſtalt für ganz Frankreich genügen muß. Dieſe In-
ſtitute der rein wiſſenſchaftlichen Specialbildung ſind:

a) Museum d’histoire naturelle ſeit Decret vom 10. Juni 1793,
mit 15 Lehrſtühlen und Einem Beſuch.
b) École des langues orientales, ſchon ſeit 1669 errichtet als
Lehr- und Erziehungsanſtalt zugleich auf öffentliche Koſten; Fachbildung
für die orientaliſchen Conſulate unter der Verwaltung des Miniſters
des Aeußern; die Zöglinge heißen „Jeunes de langue“ (Verordnung
vom 20. April 1833).
c) Bureau des longitudes, Errichtung vom 7. Messidor an III
(1795). Neueſte Ordnung durch Decret vom 30. Januar 1854 mit
völliger Trennung vom Observatoire, ſpeciell für Beobachtungen in
der Aſtronomie, Entwicklung der aſtronomiſchen Inſtrumente, Publika-
tionen über die Connaissance des temps u. ſ. w.
d) L’Observatoire: rein aſtronomiſches Beobachtungsinſtitut. Neue
Ordnung durch Decret vom 30. Januar und 1. Februar 1854.
e) École des chartes. Fachſchule für Paläographie; die Schüler
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[312/0340] wiſſenſchaftlichen Bildung vertritt; aber eben darum iſt es ſelbſt ſchon keine Berufbildungsanſtalt, ſondern in der That eine von der Verwal- tung organiſirte Anſtalt für freie wiſſenſchaftliche Vorträge außerhalb der Instruction supérieure, entſprungen aus dem Bedürfniß einer höheren Einheit der wiſſenſchaftlichen Bildung, ohne jedoch dieß Bedürfniß organiſch befriedigen zu können, da es theils keine Verpflichtung der Studirenden gibt, es zu beſuchen, theils auch nur das Eine Collège in Paris be- ſteht. Die Unfähigkeit, dieß Collège ſeit Jahrhunderten weder auf- heben noch es der Université unterwerfen zu können, zeigt am deut- lichſten den tiefen Gegenſatz, der im ganzen wiſſenſchaftlichen Berufs- bildungsweſen Frankreichs herrſcht und ihm eigentlich ſeinen Charakter gibt. Vergl. über das Collège de France Franchart bei Block Dict. de l’Admin. Das Gefühl der Sache ſehr klar bei Charles Read (Block, Dict. de la Politique): „le Collège de France est censé repré- senter d’une manière speciale l’esprit de hardie initiative et de liberté entière.“ C. Specialinſtitute. Aus demſelben Mangel aller allgemeinen Bildung in der Instruction supérieure hat ſich nun die Nothwendigkeit gebildet, bei gewiſſen Special- inſtituten zugleich ſyſtematiſche Lehrvorträge zu halten und ſie ſo als ſelbſtändige Glieder des Fachbildungsweſens neben die übrigen zu ſtellen, wobei jedoch nie überſehen werden muß, daß ſie nicht etwa wie in Deutſchland regelmäßig mit den Univerſitäten verbunden ſind, ſondern daß je Eine Anſtalt für ganz Frankreich genügen muß. Dieſe In- ſtitute der rein wiſſenſchaftlichen Specialbildung ſind: a) Museum d’histoire naturelle ſeit Decret vom 10. Juni 1793, mit 15 Lehrſtühlen und Einem Beſuch. b) École des langues orientales, ſchon ſeit 1669 errichtet als Lehr- und Erziehungsanſtalt zugleich auf öffentliche Koſten; Fachbildung für die orientaliſchen Conſulate unter der Verwaltung des Miniſters des Aeußern; die Zöglinge heißen „Jeunes de langue“ (Verordnung vom 20. April 1833). c) Bureau des longitudes, Errichtung vom 7. Messidor an III (1795). Neueſte Ordnung durch Decret vom 30. Januar 1854 mit völliger Trennung vom Observatoire, ſpeciell für Beobachtungen in der Aſtronomie, Entwicklung der aſtronomiſchen Inſtrumente, Publika- tionen über die Connaissance des temps u. ſ. w. d) L’Observatoire: rein aſtronomiſches Beobachtungsinſtitut. Neue Ordnung durch Decret vom 30. Januar und 1. Februar 1854. e) École des chartes. Fachſchule für Paläographie; die Schüler

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/340>, abgerufen am 29.03.2024.