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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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auf die höheren Klassen der Gesellschaft berechnet, in ihrer Lehrordnung
den Uebergang zu den Berufsschulen in sich trägt.

Es ist dabei festzuhalten, daß, je höher die Gesittung eines Volkes
steht, um so mehr der Unterschied zwischen Volks- und Be-
rufsschulen sich auch im Rechtssystem
derselben verwischt, und
der letzteren daher so weit möglich die Aufgabe gestellt wird, dasselbe
zu leisten, was die Privatschulen leisten. Je mehr dieß erreicht
wird -- und das Kriterium dafür sind Klassensystem und Lehrordnung
-- um so höher steht das Volksschulwesen.

Erste Gruppe. Oeffentliche Volksschule.
A. Organismus der Verwaltung.

Der Organismus der Schulverwaltung enthält die Organe der
vollziehenden Gewalt und ihre Competenz, welche für die Ausführung
der den Elementarunterricht durch die öffentliche Volksschule betreffenden
öffentlich rechtlichen Bestimmungen zu sorgen haben.

Die Einheit dieses Organismus wird stets von dem Vorhandensein
des Ministerialsystems, die Klarheit der Gliederung von der allgemeinen
hierarchischen Eintheilung, das Princip ihres Rechts von der Aner-
kennung und dem Rechte der Selbstverwaltung, speziell der Gemeinde,
Umfang und Inhalt der einzelnen Competenzen dagegen vorzugsweise
von dem Maße abhangen, nach welchem der Staat oder die Gemeinde
zu den Schullasten beitragen.

Das System des Organismus wird stets auf die drei großen Ka-
tegorien: Ministerium, Behörden und Selbstverwaltung zurückgeführt
werden. Die historische Entwicklung dieses Systems beruht in allen
Ländern zunächst formell darauf, daß der Antheil, den jedes jener
drei Elemente an die Verwaltung hat, immer genauer bestimmt oder
die Competenz derselben immer mehr mit der naturgemäßen Funktion
jener Elemente in Harmonie gebracht wird. Dem Inhalte nach geht
dann diese Entwicklung dahin, die Schulverwaltung mit der
Schullast mehr und mehr in die Hände der Gemeinden zu legen,
den Behörden aller Art die Oberaufsicht über die Harmonie dieser
Gemeindeverwaltung mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften zu
geben, durch die Ministerien aber die Gesetze zu entwerfen und für
die Gleichartigkeit ihrer Befolgung für alle einzelnen Grundverhält-
nisse des Volksschulwesens zu sorgen. Diesen drei Competenzen ent-
sprechen die Bezeichnungen: Ortsschulwesen, Landesschulwesen und
Volksschulwesen.

auf die höheren Klaſſen der Geſellſchaft berechnet, in ihrer Lehrordnung
den Uebergang zu den Berufsſchulen in ſich trägt.

Es iſt dabei feſtzuhalten, daß, je höher die Geſittung eines Volkes
ſteht, um ſo mehr der Unterſchied zwiſchen Volks- und Be-
rufsſchulen ſich auch im Rechtsſyſtem
derſelben verwiſcht, und
der letzteren daher ſo weit möglich die Aufgabe geſtellt wird, daſſelbe
zu leiſten, was die Privatſchulen leiſten. Je mehr dieß erreicht
wird — und das Kriterium dafür ſind Klaſſenſyſtem und Lehrordnung
— um ſo höher ſteht das Volksſchulweſen.

Erſte Gruppe. Oeffentliche Volksſchule.
A. Organismus der Verwaltung.

Der Organismus der Schulverwaltung enthält die Organe der
vollziehenden Gewalt und ihre Competenz, welche für die Ausführung
der den Elementarunterricht durch die öffentliche Volksſchule betreffenden
öffentlich rechtlichen Beſtimmungen zu ſorgen haben.

Die Einheit dieſes Organismus wird ſtets von dem Vorhandenſein
des Miniſterialſyſtems, die Klarheit der Gliederung von der allgemeinen
hierarchiſchen Eintheilung, das Princip ihres Rechts von der Aner-
kennung und dem Rechte der Selbſtverwaltung, ſpeziell der Gemeinde,
Umfang und Inhalt der einzelnen Competenzen dagegen vorzugsweiſe
von dem Maße abhangen, nach welchem der Staat oder die Gemeinde
zu den Schullaſten beitragen.

Das Syſtem des Organismus wird ſtets auf die drei großen Ka-
tegorien: Miniſterium, Behörden und Selbſtverwaltung zurückgeführt
werden. Die hiſtoriſche Entwicklung dieſes Syſtems beruht in allen
Ländern zunächſt formell darauf, daß der Antheil, den jedes jener
drei Elemente an die Verwaltung hat, immer genauer beſtimmt oder
die Competenz derſelben immer mehr mit der naturgemäßen Funktion
jener Elemente in Harmonie gebracht wird. Dem Inhalte nach geht
dann dieſe Entwicklung dahin, die Schulverwaltung mit der
Schullaſt mehr und mehr in die Hände der Gemeinden zu legen,
den Behörden aller Art die Oberaufſicht über die Harmonie dieſer
Gemeindeverwaltung mit den beſtehenden rechtlichen Vorſchriften zu
geben, durch die Miniſterien aber die Geſetze zu entwerfen und für
die Gleichartigkeit ihrer Befolgung für alle einzelnen Grundverhält-
niſſe des Volksſchulweſens zu ſorgen. Dieſen drei Competenzen ent-
ſprechen die Bezeichnungen: Ortsſchulweſen, Landesſchulweſen und
Volksſchulweſen.

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[114/0142] auf die höheren Klaſſen der Geſellſchaft berechnet, in ihrer Lehrordnung den Uebergang zu den Berufsſchulen in ſich trägt. Es iſt dabei feſtzuhalten, daß, je höher die Geſittung eines Volkes ſteht, um ſo mehr der Unterſchied zwiſchen Volks- und Be- rufsſchulen ſich auch im Rechtsſyſtem derſelben verwiſcht, und der letzteren daher ſo weit möglich die Aufgabe geſtellt wird, daſſelbe zu leiſten, was die Privatſchulen leiſten. Je mehr dieß erreicht wird — und das Kriterium dafür ſind Klaſſenſyſtem und Lehrordnung — um ſo höher ſteht das Volksſchulweſen. Erſte Gruppe. Oeffentliche Volksſchule. A. Organismus der Verwaltung. Der Organismus der Schulverwaltung enthält die Organe der vollziehenden Gewalt und ihre Competenz, welche für die Ausführung der den Elementarunterricht durch die öffentliche Volksſchule betreffenden öffentlich rechtlichen Beſtimmungen zu ſorgen haben. Die Einheit dieſes Organismus wird ſtets von dem Vorhandenſein des Miniſterialſyſtems, die Klarheit der Gliederung von der allgemeinen hierarchiſchen Eintheilung, das Princip ihres Rechts von der Aner- kennung und dem Rechte der Selbſtverwaltung, ſpeziell der Gemeinde, Umfang und Inhalt der einzelnen Competenzen dagegen vorzugsweiſe von dem Maße abhangen, nach welchem der Staat oder die Gemeinde zu den Schullaſten beitragen. Das Syſtem des Organismus wird ſtets auf die drei großen Ka- tegorien: Miniſterium, Behörden und Selbſtverwaltung zurückgeführt werden. Die hiſtoriſche Entwicklung dieſes Syſtems beruht in allen Ländern zunächſt formell darauf, daß der Antheil, den jedes jener drei Elemente an die Verwaltung hat, immer genauer beſtimmt oder die Competenz derſelben immer mehr mit der naturgemäßen Funktion jener Elemente in Harmonie gebracht wird. Dem Inhalte nach geht dann dieſe Entwicklung dahin, die Schulverwaltung mit der Schullaſt mehr und mehr in die Hände der Gemeinden zu legen, den Behörden aller Art die Oberaufſicht über die Harmonie dieſer Gemeindeverwaltung mit den beſtehenden rechtlichen Vorſchriften zu geben, durch die Miniſterien aber die Geſetze zu entwerfen und für die Gleichartigkeit ihrer Befolgung für alle einzelnen Grundverhält- niſſe des Volksſchulweſens zu ſorgen. Dieſen drei Competenzen ent- ſprechen die Bezeichnungen: Ortsſchulweſen, Landesſchulweſen und Volksſchulweſen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/142>, abgerufen am 29.03.2024.