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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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unfertiges Mittelding zwischen Elementarschulen und Warteschulen; ge-
wiß berechtigte harte Urtheile darüber bei Schöll und Gugler a. a. O.
-- In Frankreich sind die Privatschulen oder Ecoles libres in das
System der Universite mit aufgenommen. Die großen Mängel der
öffentlichen Schulen hatten sie schon von 1833 zu einem wichtigen Ele-
mente der Volksbildung gemacht; sie bedurften aber der autorisation
prealable,
die von den kirchlichen Behörden wesentlich abhängig war.
Das Gesetz vom 28. Juni 1833 machte sie als ecoles primaires pri-
vees (T. II)
davon frei und schrieb nur vor ein brevet de capacite
und ein certificat de moralite vom Maire und drei Mitgliedern des
Gemeinderathes; die Aufsicht sollte gleichmäßig über die Privat- und
öffentlichen Schulen vom Schulcomite des Gemeinderathes ausgehen
(art. 21). Das Gesetz von 1850 hat dieß alles dahin geändert, daß
außer dem brevet de capacite auch ein certificat de stage genügt, daß
der Maire kein Recht des Widerspruches hat, daß jedoch jetzt der In-
specteur
entscheidet und mit völliger Ausschließung des Gemeinderathes
eine Aufsicht übt, die strenge die Aufsicht über das Lehrwesen aus-
schließt und nur Moralität und Gesundheit betreffen soll. Bei geist-
lichen Körperschaften genügt sogar die einfache lettre d'obedience statt
aller Genehmigung. Der Rückschritt, der hierin liegt, ist klar genug.
-- In Deutschland hat die Tüchtigkeit der Volksschule die Privat-
schulen zu sehr untergeordneten Elementen gemacht. Das Princip der
Genehmigung ist wohl allgemein, nach den Grundsätzen des Gewerbe-
rechts; die Aufsicht besteht meistens wohl nur in dem Grundsatz, daß
die Zulassung zu den Vorbildungsanstalten von einer Prüfung, ent-
weder in den Hauptschulen wie in Oesterreich (Verfassung der deutschen
Volksschule §. 96) oder bei der Aufnahme, resp. bei der Confir-
mation (Preußen) abhängig ist. Ueber Oesterreichs Verhältnisse
siehe Ficker a. a. O. S. 325 ff. Das preußische Recht ist in seinen
Grundzügen bereits durch das Allgemeine Landrecht II. 12 festgestellt:
Anzeige, Genehmigung, Oberaufsicht, Verbot der Winkelschulen. Edikt
vom 12. Juli 1810 entbindet die Privatlehrer der Prüfung; die Ge-
werbeordnung vom 7. September 1811 gibt den Privatunterricht ganz
frei; dann Gesetz vom 10. Juli 1834, welches wieder die Erlaubniß
fordert, nebst Zeugniß. Diese Bestimmung macht dann eine genauere
Competenzordnung nöthig und diese erschien in der Instruktion vom
31. December 1839, welche auch hier neben dem System der Oberauf-
sicht und Zeugnisse ein strenges Prüfungssystem durchführt (Rönne,
Staatsrecht I. §. 200). Die verschiedenen Artikel bei Schmid liefern für
die Frage leider kein Material; Gesetze scheinen vielfach ganz zu fehlen.


unfertiges Mittelding zwiſchen Elementarſchulen und Warteſchulen; ge-
wiß berechtigte harte Urtheile darüber bei Schöll und Gugler a. a. O.
— In Frankreich ſind die Privatſchulen oder Écoles libres in das
Syſtem der Université mit aufgenommen. Die großen Mängel der
öffentlichen Schulen hatten ſie ſchon von 1833 zu einem wichtigen Ele-
mente der Volksbildung gemacht; ſie bedurften aber der autorisation
préalable,
die von den kirchlichen Behörden weſentlich abhängig war.
Das Geſetz vom 28. Juni 1833 machte ſie als écoles primaires pri-
vées (T. II)
davon frei und ſchrieb nur vor ein brévet de capacité
und ein certificat de moralité vom Maire und drei Mitgliedern des
Gemeinderathes; die Aufſicht ſollte gleichmäßig über die Privat- und
öffentlichen Schulen vom Schulcomité des Gemeinderathes ausgehen
(art. 21). Das Geſetz von 1850 hat dieß alles dahin geändert, daß
außer dem brevet de capacité auch ein certificat de stage genügt, daß
der Maire kein Recht des Widerſpruches hat, daß jedoch jetzt der In-
specteur
entſcheidet und mit völliger Ausſchließung des Gemeinderathes
eine Aufſicht übt, die ſtrenge die Aufſicht über das Lehrweſen aus-
ſchließt und nur Moralität und Geſundheit betreffen ſoll. Bei geiſt-
lichen Körperſchaften genügt ſogar die einfache lettre d’obédience ſtatt
aller Genehmigung. Der Rückſchritt, der hierin liegt, iſt klar genug.
— In Deutſchland hat die Tüchtigkeit der Volksſchule die Privat-
ſchulen zu ſehr untergeordneten Elementen gemacht. Das Princip der
Genehmigung iſt wohl allgemein, nach den Grundſätzen des Gewerbe-
rechts; die Aufſicht beſteht meiſtens wohl nur in dem Grundſatz, daß
die Zulaſſung zu den Vorbildungsanſtalten von einer Prüfung, ent-
weder in den Hauptſchulen wie in Oeſterreich (Verfaſſung der deutſchen
Volksſchule §. 96) oder bei der Aufnahme, reſp. bei der Confir-
mation (Preußen) abhängig iſt. Ueber Oeſterreichs Verhältniſſe
ſiehe Ficker a. a. O. S. 325 ff. Das preußiſche Recht iſt in ſeinen
Grundzügen bereits durch das Allgemeine Landrecht II. 12 feſtgeſtellt:
Anzeige, Genehmigung, Oberaufſicht, Verbot der Winkelſchulen. Edikt
vom 12. Juli 1810 entbindet die Privatlehrer der Prüfung; die Ge-
werbeordnung vom 7. September 1811 gibt den Privatunterricht ganz
frei; dann Geſetz vom 10. Juli 1834, welches wieder die Erlaubniß
fordert, nebſt Zeugniß. Dieſe Beſtimmung macht dann eine genauere
Competenzordnung nöthig und dieſe erſchien in der Inſtruktion vom
31. December 1839, welche auch hier neben dem Syſtem der Oberauf-
ſicht und Zeugniſſe ein ſtrenges Prüfungsſyſtem durchführt (Rönne,
Staatsrecht I. §. 200). Die verſchiedenen Artikel bei Schmid liefern für
die Frage leider kein Material; Geſetze ſcheinen vielfach ganz zu fehlen.


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[147/0175] unfertiges Mittelding zwiſchen Elementarſchulen und Warteſchulen; ge- wiß berechtigte harte Urtheile darüber bei Schöll und Gugler a. a. O. — In Frankreich ſind die Privatſchulen oder Écoles libres in das Syſtem der Université mit aufgenommen. Die großen Mängel der öffentlichen Schulen hatten ſie ſchon von 1833 zu einem wichtigen Ele- mente der Volksbildung gemacht; ſie bedurften aber der autorisation préalable, die von den kirchlichen Behörden weſentlich abhängig war. Das Geſetz vom 28. Juni 1833 machte ſie als écoles primaires pri- vées (T. II) davon frei und ſchrieb nur vor ein brévet de capacité und ein certificat de moralité vom Maire und drei Mitgliedern des Gemeinderathes; die Aufſicht ſollte gleichmäßig über die Privat- und öffentlichen Schulen vom Schulcomité des Gemeinderathes ausgehen (art. 21). Das Geſetz von 1850 hat dieß alles dahin geändert, daß außer dem brevet de capacité auch ein certificat de stage genügt, daß der Maire kein Recht des Widerſpruches hat, daß jedoch jetzt der In- specteur entſcheidet und mit völliger Ausſchließung des Gemeinderathes eine Aufſicht übt, die ſtrenge die Aufſicht über das Lehrweſen aus- ſchließt und nur Moralität und Geſundheit betreffen ſoll. Bei geiſt- lichen Körperſchaften genügt ſogar die einfache lettre d’obédience ſtatt aller Genehmigung. Der Rückſchritt, der hierin liegt, iſt klar genug. — In Deutſchland hat die Tüchtigkeit der Volksſchule die Privat- ſchulen zu ſehr untergeordneten Elementen gemacht. Das Princip der Genehmigung iſt wohl allgemein, nach den Grundſätzen des Gewerbe- rechts; die Aufſicht beſteht meiſtens wohl nur in dem Grundſatz, daß die Zulaſſung zu den Vorbildungsanſtalten von einer Prüfung, ent- weder in den Hauptſchulen wie in Oeſterreich (Verfaſſung der deutſchen Volksſchule §. 96) oder bei der Aufnahme, reſp. bei der Confir- mation (Preußen) abhängig iſt. Ueber Oeſterreichs Verhältniſſe ſiehe Ficker a. a. O. S. 325 ff. Das preußiſche Recht iſt in ſeinen Grundzügen bereits durch das Allgemeine Landrecht II. 12 feſtgeſtellt: Anzeige, Genehmigung, Oberaufſicht, Verbot der Winkelſchulen. Edikt vom 12. Juli 1810 entbindet die Privatlehrer der Prüfung; die Ge- werbeordnung vom 7. September 1811 gibt den Privatunterricht ganz frei; dann Geſetz vom 10. Juli 1834, welches wieder die Erlaubniß fordert, nebſt Zeugniß. Dieſe Beſtimmung macht dann eine genauere Competenzordnung nöthig und dieſe erſchien in der Inſtruktion vom 31. December 1839, welche auch hier neben dem Syſtem der Oberauf- ſicht und Zeugniſſe ein ſtrenges Prüfungsſyſtem durchführt (Rönne, Staatsrecht I. §. 200). Die verſchiedenen Artikel bei Schmid liefern für die Frage leider kein Material; Geſetze ſcheinen vielfach ganz zu fehlen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/175>, abgerufen am 16.04.2024.