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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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sich wieder in die Sonn- und Feiertagsschulen und die eigentlichen Ge-
werbeschulen.

a) Die Sonn- und Feiertagsschulen bilden in der That nichts
anders als die Fortsetzung der Elementarbildung für die Lehrlinge.
Sie sind meistens aus der Unmöglichkeit entstanden, einen genügenden
Elementarunterricht für die Kinder der arbeitenden Klasse zu bieten und
vertreten daher die Volksschule. Darauf beruht nicht bloß ihre
Lehrordnung, sondern auch ihr öffentliches Recht. Die Frage der
Sonntagsschulen entsteht nun aber da, wo der Elementarunterricht ge-
nügend vorhanden ist und besteht darin, ob auch nach dem fertigen
Elementarunterricht solche Schulen vorhanden sein und was sie in solchem
Falle enthalten sollen? Offenbar ruht die Antwort auf diese Frage in
der Bestimmung dessen, was man als Elementarunterricht bezeichnet.
Wo die drei Elemente fehlen, sind sie unbedingt nothwendig; wo sie
sind, sind sie unbedingt nützlich, müssen aber einen höheren Inhalt
haben und den Charakter der allgemeinen Gewerbeschulen annehmen;
sie werden dann speciell für die höhere Rechnung und das Zeichnen be-
stimmt sein müssen. Das Mittel, beide Zwecke zu erreichen, besteht
in der Einrichtung des Klassensystems; dem doppelten Zwecke müssen
zwei Klassen entsprechen, die Elementar- und die höhere Klasse, welche
den Uebergang zur Gewerbeschule bietet.

b) Das, was wir nun als die zweite Abtheilung der Fortbildungs-
schule bezeichnen, nennen wir die Gewerbeschulen. Die Gewerbe-
schulen haben zwei Voraussetzungen. Die erste ist ein vollendeter
Elementarunterricht; die zweite ist die bereits geschehene Berufswahl
des Lernenden; derselbe muß -- ebenso wie der Sonntagsschüler --
bereits sein Gewerbe gewählt haben. Innerhalb dieser Gränzen aber
scheiden sich nun wieder zwei Formen.

Die erste ist die allgemeine Fortbildungsschule. Die Auf-
gabe derselben ist die Bildung für diejenigen Kenntnisse und Fähig-
keiten, welche allen Handwerken gemeinsam sind. Ohne Zweifel
bestehen die Hauptgebiete derselben in den Elementen der höheren Rech-
nung, und dann im Zeichnen, "der Sprache der Technik." An jenes
hat sich das anzuschließen, was leider noch wenig ausgebildet ist, näm-
lich die einfache Buchführung über die Wirthschaft der Handwerker.
Nicht blos die Nationalökonomie, sondern auch die Verwaltungslehre
kann nicht genug betonen, daß diese Aufgabe eine unabweisbare, daß
der Segen, den das Verständniß der Haushalts- und Handwerksrech-
nung bringt, ein unmeßbarer ist! Sie ist das Maß des wirthschaft-
lichen Wohlergehens jedes Einzelnen, und ihr Resultat das Bewußt-
sein
desselben! Wie gerne verweilten wir hier einen Augenblick! Aber

ſich wieder in die Sonn- und Feiertagsſchulen und die eigentlichen Ge-
werbeſchulen.

a) Die Sonn- und Feiertagsſchulen bilden in der That nichts
anders als die Fortſetzung der Elementarbildung für die Lehrlinge.
Sie ſind meiſtens aus der Unmöglichkeit entſtanden, einen genügenden
Elementarunterricht für die Kinder der arbeitenden Klaſſe zu bieten und
vertreten daher die Volksſchule. Darauf beruht nicht bloß ihre
Lehrordnung, ſondern auch ihr öffentliches Recht. Die Frage der
Sonntagsſchulen entſteht nun aber da, wo der Elementarunterricht ge-
nügend vorhanden iſt und beſteht darin, ob auch nach dem fertigen
Elementarunterricht ſolche Schulen vorhanden ſein und was ſie in ſolchem
Falle enthalten ſollen? Offenbar ruht die Antwort auf dieſe Frage in
der Beſtimmung deſſen, was man als Elementarunterricht bezeichnet.
Wo die drei Elemente fehlen, ſind ſie unbedingt nothwendig; wo ſie
ſind, ſind ſie unbedingt nützlich, müſſen aber einen höheren Inhalt
haben und den Charakter der allgemeinen Gewerbeſchulen annehmen;
ſie werden dann ſpeciell für die höhere Rechnung und das Zeichnen be-
ſtimmt ſein müſſen. Das Mittel, beide Zwecke zu erreichen, beſteht
in der Einrichtung des Klaſſenſyſtems; dem doppelten Zwecke müſſen
zwei Klaſſen entſprechen, die Elementar- und die höhere Klaſſe, welche
den Uebergang zur Gewerbeſchule bietet.

b) Das, was wir nun als die zweite Abtheilung der Fortbildungs-
ſchule bezeichnen, nennen wir die Gewerbeſchulen. Die Gewerbe-
ſchulen haben zwei Vorausſetzungen. Die erſte iſt ein vollendeter
Elementarunterricht; die zweite iſt die bereits geſchehene Berufswahl
des Lernenden; derſelbe muß — ebenſo wie der Sonntagsſchüler —
bereits ſein Gewerbe gewählt haben. Innerhalb dieſer Gränzen aber
ſcheiden ſich nun wieder zwei Formen.

Die erſte iſt die allgemeine Fortbildungsſchule. Die Auf-
gabe derſelben iſt die Bildung für diejenigen Kenntniſſe und Fähig-
keiten, welche allen Handwerken gemeinſam ſind. Ohne Zweifel
beſtehen die Hauptgebiete derſelben in den Elementen der höheren Rech-
nung, und dann im Zeichnen, „der Sprache der Technik.“ An jenes
hat ſich das anzuſchließen, was leider noch wenig ausgebildet iſt, näm-
lich die einfache Buchführung über die Wirthſchaft der Handwerker.
Nicht blos die Nationalökonomie, ſondern auch die Verwaltungslehre
kann nicht genug betonen, daß dieſe Aufgabe eine unabweisbare, daß
der Segen, den das Verſtändniß der Haushalts- und Handwerksrech-
nung bringt, ein unmeßbarer iſt! Sie iſt das Maß des wirthſchaft-
lichen Wohlergehens jedes Einzelnen, und ihr Reſultat das Bewußt-
ſein
deſſelben! Wie gerne verweilten wir hier einen Augenblick! Aber

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[251/0279] ſich wieder in die Sonn- und Feiertagsſchulen und die eigentlichen Ge- werbeſchulen. a) Die Sonn- und Feiertagsſchulen bilden in der That nichts anders als die Fortſetzung der Elementarbildung für die Lehrlinge. Sie ſind meiſtens aus der Unmöglichkeit entſtanden, einen genügenden Elementarunterricht für die Kinder der arbeitenden Klaſſe zu bieten und vertreten daher die Volksſchule. Darauf beruht nicht bloß ihre Lehrordnung, ſondern auch ihr öffentliches Recht. Die Frage der Sonntagsſchulen entſteht nun aber da, wo der Elementarunterricht ge- nügend vorhanden iſt und beſteht darin, ob auch nach dem fertigen Elementarunterricht ſolche Schulen vorhanden ſein und was ſie in ſolchem Falle enthalten ſollen? Offenbar ruht die Antwort auf dieſe Frage in der Beſtimmung deſſen, was man als Elementarunterricht bezeichnet. Wo die drei Elemente fehlen, ſind ſie unbedingt nothwendig; wo ſie ſind, ſind ſie unbedingt nützlich, müſſen aber einen höheren Inhalt haben und den Charakter der allgemeinen Gewerbeſchulen annehmen; ſie werden dann ſpeciell für die höhere Rechnung und das Zeichnen be- ſtimmt ſein müſſen. Das Mittel, beide Zwecke zu erreichen, beſteht in der Einrichtung des Klaſſenſyſtems; dem doppelten Zwecke müſſen zwei Klaſſen entſprechen, die Elementar- und die höhere Klaſſe, welche den Uebergang zur Gewerbeſchule bietet. b) Das, was wir nun als die zweite Abtheilung der Fortbildungs- ſchule bezeichnen, nennen wir die Gewerbeſchulen. Die Gewerbe- ſchulen haben zwei Vorausſetzungen. Die erſte iſt ein vollendeter Elementarunterricht; die zweite iſt die bereits geſchehene Berufswahl des Lernenden; derſelbe muß — ebenſo wie der Sonntagsſchüler — bereits ſein Gewerbe gewählt haben. Innerhalb dieſer Gränzen aber ſcheiden ſich nun wieder zwei Formen. Die erſte iſt die allgemeine Fortbildungsſchule. Die Auf- gabe derſelben iſt die Bildung für diejenigen Kenntniſſe und Fähig- keiten, welche allen Handwerken gemeinſam ſind. Ohne Zweifel beſtehen die Hauptgebiete derſelben in den Elementen der höheren Rech- nung, und dann im Zeichnen, „der Sprache der Technik.“ An jenes hat ſich das anzuſchließen, was leider noch wenig ausgebildet iſt, näm- lich die einfache Buchführung über die Wirthſchaft der Handwerker. Nicht blos die Nationalökonomie, ſondern auch die Verwaltungslehre kann nicht genug betonen, daß dieſe Aufgabe eine unabweisbare, daß der Segen, den das Verſtändniß der Haushalts- und Handwerksrech- nung bringt, ein unmeßbarer iſt! Sie iſt das Maß des wirthſchaft- lichen Wohlergehens jedes Einzelnen, und ihr Reſultat das Bewußt- ſein deſſelben! Wie gerne verweilten wir hier einen Augenblick! Aber

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/279>, abgerufen am 23.04.2024.