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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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nicht bloß äußerliche, sondern auch innerliche Scheidung mit vollstän-
diger Selbständigkeit jeder Fachbildungsanstalt von der andern. Wäh-
rend für jene das Verhältniß der Vorbildungsanstalten in dem gelehrten
Schulwesen sich leicht und sicher geordnet hat, ist das Verhältniß von
Anfang an für diese sehr unsicher gewesen, und auch jetzt noch keines-
wegs ein festgeordnetes oder gleichartiges. Während für jene daher das
öffentliche Recht und die Aufgabe des Staats als ein geschlossenes
Ganze auftritt und die Ordnung eine einheitliche ist, ist das erstere
für jede Anstalt des letztern verschieden, und die letztere beruht auf
den speciellen Verhältnissen der einzelnen Institute. Während endlich
jene als Staatsanstalten anerkannt sind und als solche behandelt wer-
den, treten hier theils Vereine, theils sogar Privatunternehmungen in
gleicher Weise auf; und so ist es nicht möglich, den viel zerfahrenen
Stoff der wirthschaftlichen Fachbildung in gleicher Weise wie den der
wissenschaftlichen zu behandeln. Das ist unzweifelhaft der Grund, weß-
halb wir überhaupt noch keine umfassende Darstellung, ja nicht einmal
eine einheitliche Auffassung der ersteren besitzen.

Die Verwaltungslehre wird daher gezwungen, hier die Elemente
eines festen Systems aufzustellen und kann erst auf dieser Grundlage
zur Uebersicht über das Recht und die Funktion des Ganzen und der
einzelnen Theile dieses Gebietes gelangen.

Dieß nun wird kaum besser geschehen können, als indem wir den
historischen Entwicklungsgang der Sache auf Grundlage ihres allgemeinen
Begriffes kurz andeuten.

II. Begriff und Elemente der geschichtlichen Gestaltung der wirthschaftlichen
Fachbildung.

Das, was wir dem Begriffe nach als wirthschaftliche Fachbildung
bezeichnen müssen, besteht in dem Erwerb derjenigen Kenntnisse und
Fähigkeiten für wirthschaftliche Produktionen, welche durch den wirk-
lichen Betrieb von Unternehmungen aller Art nicht erst erworben wer-
den können, sondern vielmehr die geistige Bedingung der Leitung und
Entwicklung desselben bilden.

Es ist daher an sich kein Zweifel, daß jede Art der Unternehmungen
eine eigene Fachbildung voraussetzt und wünschenswerth macht. Es ist
aber auch klar, daß diese Fachbildung zunächst Sache des Einzelnen ist,
und durch den Einzelnen erworben werden muß, wie sie für den Nutzen
des Einzelnen dient. Allerdings liegt sie daher in der Natur der volks-
wirthschaftlichen Entwicklung; allein eben darum erscheint sie nicht als
Angelegenheit und Aufgabe des Staats, wenn nicht ein besonderes
Moment hinzutritt. Und in der That hat sich die Verwaltung um

nicht bloß äußerliche, ſondern auch innerliche Scheidung mit vollſtän-
diger Selbſtändigkeit jeder Fachbildungsanſtalt von der andern. Wäh-
rend für jene das Verhältniß der Vorbildungsanſtalten in dem gelehrten
Schulweſen ſich leicht und ſicher geordnet hat, iſt das Verhältniß von
Anfang an für dieſe ſehr unſicher geweſen, und auch jetzt noch keines-
wegs ein feſtgeordnetes oder gleichartiges. Während für jene daher das
öffentliche Recht und die Aufgabe des Staats als ein geſchloſſenes
Ganze auftritt und die Ordnung eine einheitliche iſt, iſt das erſtere
für jede Anſtalt des letztern verſchieden, und die letztere beruht auf
den ſpeciellen Verhältniſſen der einzelnen Inſtitute. Während endlich
jene als Staatsanſtalten anerkannt ſind und als ſolche behandelt wer-
den, treten hier theils Vereine, theils ſogar Privatunternehmungen in
gleicher Weiſe auf; und ſo iſt es nicht möglich, den viel zerfahrenen
Stoff der wirthſchaftlichen Fachbildung in gleicher Weiſe wie den der
wiſſenſchaftlichen zu behandeln. Das iſt unzweifelhaft der Grund, weß-
halb wir überhaupt noch keine umfaſſende Darſtellung, ja nicht einmal
eine einheitliche Auffaſſung der erſteren beſitzen.

Die Verwaltungslehre wird daher gezwungen, hier die Elemente
eines feſten Syſtems aufzuſtellen und kann erſt auf dieſer Grundlage
zur Ueberſicht über das Recht und die Funktion des Ganzen und der
einzelnen Theile dieſes Gebietes gelangen.

Dieß nun wird kaum beſſer geſchehen können, als indem wir den
hiſtoriſchen Entwicklungsgang der Sache auf Grundlage ihres allgemeinen
Begriffes kurz andeuten.

II. Begriff und Elemente der geſchichtlichen Geſtaltung der wirthſchaftlichen
Fachbildung.

Das, was wir dem Begriffe nach als wirthſchaftliche Fachbildung
bezeichnen müſſen, beſteht in dem Erwerb derjenigen Kenntniſſe und
Fähigkeiten für wirthſchaftliche Produktionen, welche durch den wirk-
lichen Betrieb von Unternehmungen aller Art nicht erſt erworben wer-
den können, ſondern vielmehr die geiſtige Bedingung der Leitung und
Entwicklung deſſelben bilden.

Es iſt daher an ſich kein Zweifel, daß jede Art der Unternehmungen
eine eigene Fachbildung vorausſetzt und wünſchenswerth macht. Es iſt
aber auch klar, daß dieſe Fachbildung zunächſt Sache des Einzelnen iſt,
und durch den Einzelnen erworben werden muß, wie ſie für den Nutzen
des Einzelnen dient. Allerdings liegt ſie daher in der Natur der volks-
wirthſchaftlichen Entwicklung; allein eben darum erſcheint ſie nicht als
Angelegenheit und Aufgabe des Staats, wenn nicht ein beſonderes
Moment hinzutritt. Und in der That hat ſich die Verwaltung um

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[262/0290] nicht bloß äußerliche, ſondern auch innerliche Scheidung mit vollſtän- diger Selbſtändigkeit jeder Fachbildungsanſtalt von der andern. Wäh- rend für jene das Verhältniß der Vorbildungsanſtalten in dem gelehrten Schulweſen ſich leicht und ſicher geordnet hat, iſt das Verhältniß von Anfang an für dieſe ſehr unſicher geweſen, und auch jetzt noch keines- wegs ein feſtgeordnetes oder gleichartiges. Während für jene daher das öffentliche Recht und die Aufgabe des Staats als ein geſchloſſenes Ganze auftritt und die Ordnung eine einheitliche iſt, iſt das erſtere für jede Anſtalt des letztern verſchieden, und die letztere beruht auf den ſpeciellen Verhältniſſen der einzelnen Inſtitute. Während endlich jene als Staatsanſtalten anerkannt ſind und als ſolche behandelt wer- den, treten hier theils Vereine, theils ſogar Privatunternehmungen in gleicher Weiſe auf; und ſo iſt es nicht möglich, den viel zerfahrenen Stoff der wirthſchaftlichen Fachbildung in gleicher Weiſe wie den der wiſſenſchaftlichen zu behandeln. Das iſt unzweifelhaft der Grund, weß- halb wir überhaupt noch keine umfaſſende Darſtellung, ja nicht einmal eine einheitliche Auffaſſung der erſteren beſitzen. Die Verwaltungslehre wird daher gezwungen, hier die Elemente eines feſten Syſtems aufzuſtellen und kann erſt auf dieſer Grundlage zur Ueberſicht über das Recht und die Funktion des Ganzen und der einzelnen Theile dieſes Gebietes gelangen. Dieß nun wird kaum beſſer geſchehen können, als indem wir den hiſtoriſchen Entwicklungsgang der Sache auf Grundlage ihres allgemeinen Begriffes kurz andeuten. II. Begriff und Elemente der geſchichtlichen Geſtaltung der wirthſchaftlichen Fachbildung. Das, was wir dem Begriffe nach als wirthſchaftliche Fachbildung bezeichnen müſſen, beſteht in dem Erwerb derjenigen Kenntniſſe und Fähigkeiten für wirthſchaftliche Produktionen, welche durch den wirk- lichen Betrieb von Unternehmungen aller Art nicht erſt erworben wer- den können, ſondern vielmehr die geiſtige Bedingung der Leitung und Entwicklung deſſelben bilden. Es iſt daher an ſich kein Zweifel, daß jede Art der Unternehmungen eine eigene Fachbildung vorausſetzt und wünſchenswerth macht. Es iſt aber auch klar, daß dieſe Fachbildung zunächſt Sache des Einzelnen iſt, und durch den Einzelnen erworben werden muß, wie ſie für den Nutzen des Einzelnen dient. Allerdings liegt ſie daher in der Natur der volks- wirthſchaftlichen Entwicklung; allein eben darum erſcheint ſie nicht als Angelegenheit und Aufgabe des Staats, wenn nicht ein beſonderes Moment hinzutritt. Und in der That hat ſich die Verwaltung um

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/290>, abgerufen am 29.03.2024.