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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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bestimmter Beschränkung auf einzelne Gewerbe, namentlich auf Feuer-
arbeiter, Schlosser, Schmiede etc.; sie sind als Pensionate eingerichtet,
mit bourses, dreijährigem Curs, Prämien und Ehren, stehen unter der
Staatsverwaltung und haben ihr eigenes Budget. Nur die letzteren
hat Smith bei Block ausführlich besprochen, die anderen nur ange-
deutet; Bücheler hat das Ganze übergangen.

Das System der einzelnen Fachbildungsschulen, aus denselben
Bedürfnissen wie das deutsche hervorgegangen, hat allerdings formell
dieselbe Gestalt wie das deutsche. Allein in seinem Lebensprincip und
seinem eigentlichen Charakter ist es ein wesentlich anderes. Der Gedanke
nämlich, daß es auch innerlich ein Ganzes und daß seine Grund-
lage eine organisch wissenschaftliche sei und als solche so weit möglich
auch als organische Einheit zum Ausdruck gelangen müsse, hat niemals
in Frankreich Platz gegriffen. Man kann das wohl am durchgreifendsten
bezeichnen, wenn man im Hinblick auf die Geschichte der deutschen wirth-
schaftlichen Fachbildung sagt, daß Frankreichs Bildungswesen niemals
die Epoche der kameralistischen Bildung durchgemacht und daher aus der-
selben niemals das Bedürfniß nach einem wissenschaftlichen Inhalt der
wirthschaftlichen Bildung empfangen hat. Obwohl daher Frankreich durch
seine Ecole polytechnique den Namen der polytechnischen Anstalten ins
Leben gerufen hat, so besitzt es nirgends eine Anstalt, ja nicht
einmal eine Auffassung
, welche der der deutschen polytechnischen
Institute irgendwie vergleichbar wäre. Die Idee einer höheren, allge-
mein wissenschaftlichen Entwicklung des gewerblichen Lebens hat in Frank-
reich niemals Platz gegriffen, sondern alle seine wirthschaftlichen Fach-
bildungsanstalten sind nicht bloß in der Wirklichkeit, sondern sogar dem
Princip nach reine Specialschulen. Von einem Anschluß an die
Universität und ihre höhere Bildung ist gar keine Rede, wie sie in
Deutschland so vielfach direkt ausgesprochen und eingeführt ist. Eine
höhere wissenschaftliche Bildung, ein Aufnehmen der Geschichte oder gar
der Elemente der Staatswissenschaften mit Nationalökonomie, Verwal-
tungsrecht und Statistik, ist vollkommen ausgeschlossen; nicht einmal
fremde Sprachen sind irgendwie gefordert oder geboten! Es ist
daher nichts verkehrter, als das französische wirthschaftliche Fachbildungs-
wesen sich zum Muster zu nehmen; die große, eigentliche Lebensfrage
der deutschen Anstalten, das Verhältniß derselben zur allgemeinen Bil-
dung, hat die französischen gar nicht berührt. Nur darin sind sie for-
mell verwandt, daß jede dieser Anstalten ihre eigene Organisation hat,
und daher einer selbständigen Darstellung bedürfte, die wir hier nicht
geben können. Nur auf Einem Punkte bricht sich auch hier, in ana-
loger Weise wie bei der Instruction superieure, im College de France

beſtimmter Beſchränkung auf einzelne Gewerbe, namentlich auf Feuer-
arbeiter, Schloſſer, Schmiede ꝛc.; ſie ſind als Penſionate eingerichtet,
mit bourses, dreijährigem Curs, Prämien und Ehren, ſtehen unter der
Staatsverwaltung und haben ihr eigenes Budget. Nur die letzteren
hat Smith bei Block ausführlich beſprochen, die anderen nur ange-
deutet; Bücheler hat das Ganze übergangen.

Das Syſtem der einzelnen Fachbildungsſchulen, aus denſelben
Bedürfniſſen wie das deutſche hervorgegangen, hat allerdings formell
dieſelbe Geſtalt wie das deutſche. Allein in ſeinem Lebensprincip und
ſeinem eigentlichen Charakter iſt es ein weſentlich anderes. Der Gedanke
nämlich, daß es auch innerlich ein Ganzes und daß ſeine Grund-
lage eine organiſch wiſſenſchaftliche ſei und als ſolche ſo weit möglich
auch als organiſche Einheit zum Ausdruck gelangen müſſe, hat niemals
in Frankreich Platz gegriffen. Man kann das wohl am durchgreifendſten
bezeichnen, wenn man im Hinblick auf die Geſchichte der deutſchen wirth-
ſchaftlichen Fachbildung ſagt, daß Frankreichs Bildungsweſen niemals
die Epoche der kameraliſtiſchen Bildung durchgemacht und daher aus der-
ſelben niemals das Bedürfniß nach einem wiſſenſchaftlichen Inhalt der
wirthſchaftlichen Bildung empfangen hat. Obwohl daher Frankreich durch
ſeine École polytechnique den Namen der polytechniſchen Anſtalten ins
Leben gerufen hat, ſo beſitzt es nirgends eine Anſtalt, ja nicht
einmal eine Auffaſſung
, welche der der deutſchen polytechniſchen
Inſtitute irgendwie vergleichbar wäre. Die Idee einer höheren, allge-
mein wiſſenſchaftlichen Entwicklung des gewerblichen Lebens hat in Frank-
reich niemals Platz gegriffen, ſondern alle ſeine wirthſchaftlichen Fach-
bildungsanſtalten ſind nicht bloß in der Wirklichkeit, ſondern ſogar dem
Princip nach reine Specialſchulen. Von einem Anſchluß an die
Univerſität und ihre höhere Bildung iſt gar keine Rede, wie ſie in
Deutſchland ſo vielfach direkt ausgeſprochen und eingeführt iſt. Eine
höhere wiſſenſchaftliche Bildung, ein Aufnehmen der Geſchichte oder gar
der Elemente der Staatswiſſenſchaften mit Nationalökonomie, Verwal-
tungsrecht und Statiſtik, iſt vollkommen ausgeſchloſſen; nicht einmal
fremde Sprachen ſind irgendwie gefordert oder geboten! Es iſt
daher nichts verkehrter, als das franzöſiſche wirthſchaftliche Fachbildungs-
weſen ſich zum Muſter zu nehmen; die große, eigentliche Lebensfrage
der deutſchen Anſtalten, das Verhältniß derſelben zur allgemeinen Bil-
dung, hat die franzöſiſchen gar nicht berührt. Nur darin ſind ſie for-
mell verwandt, daß jede dieſer Anſtalten ihre eigene Organiſation hat,
und daher einer ſelbſtändigen Darſtellung bedürfte, die wir hier nicht
geben können. Nur auf Einem Punkte bricht ſich auch hier, in ana-
loger Weiſe wie bei der Instruction supérieure, im Collège de France

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[314/0342] beſtimmter Beſchränkung auf einzelne Gewerbe, namentlich auf Feuer- arbeiter, Schloſſer, Schmiede ꝛc.; ſie ſind als Penſionate eingerichtet, mit bourses, dreijährigem Curs, Prämien und Ehren, ſtehen unter der Staatsverwaltung und haben ihr eigenes Budget. Nur die letzteren hat Smith bei Block ausführlich beſprochen, die anderen nur ange- deutet; Bücheler hat das Ganze übergangen. Das Syſtem der einzelnen Fachbildungsſchulen, aus denſelben Bedürfniſſen wie das deutſche hervorgegangen, hat allerdings formell dieſelbe Geſtalt wie das deutſche. Allein in ſeinem Lebensprincip und ſeinem eigentlichen Charakter iſt es ein weſentlich anderes. Der Gedanke nämlich, daß es auch innerlich ein Ganzes und daß ſeine Grund- lage eine organiſch wiſſenſchaftliche ſei und als ſolche ſo weit möglich auch als organiſche Einheit zum Ausdruck gelangen müſſe, hat niemals in Frankreich Platz gegriffen. Man kann das wohl am durchgreifendſten bezeichnen, wenn man im Hinblick auf die Geſchichte der deutſchen wirth- ſchaftlichen Fachbildung ſagt, daß Frankreichs Bildungsweſen niemals die Epoche der kameraliſtiſchen Bildung durchgemacht und daher aus der- ſelben niemals das Bedürfniß nach einem wiſſenſchaftlichen Inhalt der wirthſchaftlichen Bildung empfangen hat. Obwohl daher Frankreich durch ſeine École polytechnique den Namen der polytechniſchen Anſtalten ins Leben gerufen hat, ſo beſitzt es nirgends eine Anſtalt, ja nicht einmal eine Auffaſſung, welche der der deutſchen polytechniſchen Inſtitute irgendwie vergleichbar wäre. Die Idee einer höheren, allge- mein wiſſenſchaftlichen Entwicklung des gewerblichen Lebens hat in Frank- reich niemals Platz gegriffen, ſondern alle ſeine wirthſchaftlichen Fach- bildungsanſtalten ſind nicht bloß in der Wirklichkeit, ſondern ſogar dem Princip nach reine Specialſchulen. Von einem Anſchluß an die Univerſität und ihre höhere Bildung iſt gar keine Rede, wie ſie in Deutſchland ſo vielfach direkt ausgeſprochen und eingeführt iſt. Eine höhere wiſſenſchaftliche Bildung, ein Aufnehmen der Geſchichte oder gar der Elemente der Staatswiſſenſchaften mit Nationalökonomie, Verwal- tungsrecht und Statiſtik, iſt vollkommen ausgeſchloſſen; nicht einmal fremde Sprachen ſind irgendwie gefordert oder geboten! Es iſt daher nichts verkehrter, als das franzöſiſche wirthſchaftliche Fachbildungs- weſen ſich zum Muſter zu nehmen; die große, eigentliche Lebensfrage der deutſchen Anſtalten, das Verhältniß derſelben zur allgemeinen Bil- dung, hat die franzöſiſchen gar nicht berührt. Nur darin ſind ſie for- mell verwandt, daß jede dieſer Anſtalten ihre eigene Organiſation hat, und daher einer ſelbſtändigen Darſtellung bedürfte, die wir hier nicht geben können. Nur auf Einem Punkte bricht ſich auch hier, in ana- loger Weiſe wie bei der Instruction supérieure, im Collège de France

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/342>, abgerufen am 25.04.2024.