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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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die germanische Idee der höheren Einheit dieses ganzen Gebietes Bahn
und das ist das Conservatoire des arts et metiers, das man in Deutsch-
land neben der Ecole polytechnique viel zu wenig beachtet hat und
dessen Idee eine sehr fruchtbringende ist. Wir stellen es daher an
die Spitze und lassen die übrigen Fachschulen nachfolgen.

A. Conservatoire des arts et metiers.

Der Gedanke desselben ist von Descartes ausgegangen; das Gesetz
vom 19. Vend. an III hat ihn zu verwirklichen begonnen; die folgen-
den Regierungen haben ihn ausgeführt. Ursprünglich sollte das Con-
servatoire
wesentlich nur eine Sammlung von Maschinen und Mustern
aller Art für alle Gewerbe sein. Daran schloßen sich Fortbildungs-
unterricht für die niederen Handwerke, die Errichtung einer Bibliothek
und die Bestellung von "trois demonstrateurs," welche die Benützung
der Werkzeuge und Maschinen lehren sollten. Erst die Verordnung vom
25. November 1819 organisirte das ganze Institut nach den Bedürf-
nissen der gewerblichen Fortschritte unseres Jahrhunderts. Schon früher
hatte man eine niedere, elementare Gewerbeschule am Conservatoire
eingerichtet (1806). Jetzt wurde der Unterschied der Instruction primaire
und superieure eingeführt und neben allen Gebieten der wirthschaft-
lichen Bildung sogar die Elemente der Staatswissenschaft mit aufge-
nommen, namentlich aber auch die Verbindung der künstlerischen
Bildung mit der gewerblichen angestrebt. Gegenwärtig werden vierzehn
Gegenstände vorgetragen; das Conservatoire hat seinen eigenen großen
Lehrkörper und derselbe ist zugleich das begutachtende Organ für das
Ministerium in gewerblich technischen Fragen. Es steht unter dem Han-
delsministerium, das die Lehrer anstellt. Es hat verschiedene Organisa-
tionen durchlebt; die gegenwärtig geltende ist das Dekret vom 10. Dec.
1853 und das Reglement vom 19. Januar 1854. In der That ist
das Conservatoire des arts et metiers dasjenige, was man die ge-
werbliche Universität der wirthschaftlichen Bildung nennen könnte, na-
mentlich wenn man den daneben bestehenden Cours de Dessin et de
Geometrie
(mit einer höheren und niederen Abtheilung) hinzurechnet
(Gugler, Gewerbl. Fortbildungsschule bei Schmid II. 888). Das
sollte man in Deutschland viel mehr zum Muster nehmen als die höchst
untergeordnete Ecole polytechnique. Wie konnte doch Koritska in
seinem sonst so gründlichen Werke das übersehen? Leider gibt es für
Frankreich nur Eins und das ist wieder in Paris. Alle andern An-
stalten sind neben ihm reine Specialschulen.

die germaniſche Idee der höheren Einheit dieſes ganzen Gebietes Bahn
und das iſt das Conservatoire des arts et métiers, das man in Deutſch-
land neben der École polytechnique viel zu wenig beachtet hat und
deſſen Idee eine ſehr fruchtbringende iſt. Wir ſtellen es daher an
die Spitze und laſſen die übrigen Fachſchulen nachfolgen.

A. Conservatoire des arts et métiers.

Der Gedanke deſſelben iſt von Descartes ausgegangen; das Geſetz
vom 19. Vend. an III hat ihn zu verwirklichen begonnen; die folgen-
den Regierungen haben ihn ausgeführt. Urſprünglich ſollte das Con-
servatoire
weſentlich nur eine Sammlung von Maſchinen und Muſtern
aller Art für alle Gewerbe ſein. Daran ſchloßen ſich Fortbildungs-
unterricht für die niederen Handwerke, die Errichtung einer Bibliothek
und die Beſtellung von „trois démonstrateurs,“ welche die Benützung
der Werkzeuge und Maſchinen lehren ſollten. Erſt die Verordnung vom
25. November 1819 organiſirte das ganze Inſtitut nach den Bedürf-
niſſen der gewerblichen Fortſchritte unſeres Jahrhunderts. Schon früher
hatte man eine niedere, elementare Gewerbeſchule am Conservatoire
eingerichtet (1806). Jetzt wurde der Unterſchied der Instruction primaire
und supérieure eingeführt und neben allen Gebieten der wirthſchaft-
lichen Bildung ſogar die Elemente der Staatswiſſenſchaft mit aufge-
nommen, namentlich aber auch die Verbindung der künſtleriſchen
Bildung mit der gewerblichen angeſtrebt. Gegenwärtig werden vierzehn
Gegenſtände vorgetragen; das Conservatoire hat ſeinen eigenen großen
Lehrkörper und derſelbe iſt zugleich das begutachtende Organ für das
Miniſterium in gewerblich techniſchen Fragen. Es ſteht unter dem Han-
delsminiſterium, das die Lehrer anſtellt. Es hat verſchiedene Organiſa-
tionen durchlebt; die gegenwärtig geltende iſt das Dekret vom 10. Dec.
1853 und das Reglement vom 19. Januar 1854. In der That iſt
das Conservatoire des arts et métiers dasjenige, was man die ge-
werbliche Univerſität der wirthſchaftlichen Bildung nennen könnte, na-
mentlich wenn man den daneben beſtehenden Cours de Dessin et de
Géometrie
(mit einer höheren und niederen Abtheilung) hinzurechnet
(Gugler, Gewerbl. Fortbildungsſchule bei Schmid II. 888). Das
ſollte man in Deutſchland viel mehr zum Muſter nehmen als die höchſt
untergeordnete École polytechnique. Wie konnte doch Koritska in
ſeinem ſonſt ſo gründlichen Werke das überſehen? Leider gibt es für
Frankreich nur Eins und das iſt wieder in Paris. Alle andern An-
ſtalten ſind neben ihm reine Specialſchulen.

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[315/0343] die germaniſche Idee der höheren Einheit dieſes ganzen Gebietes Bahn und das iſt das Conservatoire des arts et métiers, das man in Deutſch- land neben der École polytechnique viel zu wenig beachtet hat und deſſen Idee eine ſehr fruchtbringende iſt. Wir ſtellen es daher an die Spitze und laſſen die übrigen Fachſchulen nachfolgen. A. Conservatoire des arts et métiers. Der Gedanke deſſelben iſt von Descartes ausgegangen; das Geſetz vom 19. Vend. an III hat ihn zu verwirklichen begonnen; die folgen- den Regierungen haben ihn ausgeführt. Urſprünglich ſollte das Con- servatoire weſentlich nur eine Sammlung von Maſchinen und Muſtern aller Art für alle Gewerbe ſein. Daran ſchloßen ſich Fortbildungs- unterricht für die niederen Handwerke, die Errichtung einer Bibliothek und die Beſtellung von „trois démonstrateurs,“ welche die Benützung der Werkzeuge und Maſchinen lehren ſollten. Erſt die Verordnung vom 25. November 1819 organiſirte das ganze Inſtitut nach den Bedürf- niſſen der gewerblichen Fortſchritte unſeres Jahrhunderts. Schon früher hatte man eine niedere, elementare Gewerbeſchule am Conservatoire eingerichtet (1806). Jetzt wurde der Unterſchied der Instruction primaire und supérieure eingeführt und neben allen Gebieten der wirthſchaft- lichen Bildung ſogar die Elemente der Staatswiſſenſchaft mit aufge- nommen, namentlich aber auch die Verbindung der künſtleriſchen Bildung mit der gewerblichen angeſtrebt. Gegenwärtig werden vierzehn Gegenſtände vorgetragen; das Conservatoire hat ſeinen eigenen großen Lehrkörper und derſelbe iſt zugleich das begutachtende Organ für das Miniſterium in gewerblich techniſchen Fragen. Es ſteht unter dem Han- delsminiſterium, das die Lehrer anſtellt. Es hat verſchiedene Organiſa- tionen durchlebt; die gegenwärtig geltende iſt das Dekret vom 10. Dec. 1853 und das Reglement vom 19. Januar 1854. In der That iſt das Conservatoire des arts et métiers dasjenige, was man die ge- werbliche Univerſität der wirthſchaftlichen Bildung nennen könnte, na- mentlich wenn man den daneben beſtehenden Cours de Dessin et de Géometrie (mit einer höheren und niederen Abtheilung) hinzurechnet (Gugler, Gewerbl. Fortbildungsſchule bei Schmid II. 888). Das ſollte man in Deutſchland viel mehr zum Muſter nehmen als die höchſt untergeordnete École polytechnique. Wie konnte doch Koritska in ſeinem ſonſt ſo gründlichen Werke das überſehen? Leider gibt es für Frankreich nur Eins und das iſt wieder in Paris. Alle andern An- ſtalten ſind neben ihm reine Specialſchulen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/343>, abgerufen am 28.03.2024.