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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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und mit diesem System erst ist auch eine Wissenschaft dieses Gebietes
der Verwaltung möglich. Die Wissenschaft des öffentlichen Bildungs-
wesens ist demnach nicht etwa die Theorie der Bildung an sich, sondern
die wissenschaftliche Auffassung und Verarbeitung des öffentlichen Rechts
derselben. Sie schließt sich daher an die Elemente dieses Systemes an,
die Harmonie der großen Idee der persönlichen geistigen Freiheit mit
der nicht minder mächtigen des persönlichen Staates und seiner organi-
schen und rechtlichen Thätigkeit aussprechend und vertretend, eine nicht
immer leichte oder dankbare Aufgabe. Wie aber die Wissenschaft das
rein geistige Band der höheren Einheit in dieser Entwicklung des ein-
fachen Princips zum organischen System sucht und findet, so muß der
Staat selbst das materielle Element der Einheit in dem Organismus
der für diese geistige Verwaltung bestimmten Organe aufstellen, das,
wie die Idee des Staats alle Theile und Funktionen des Bildungs-
wesens durchdringt und zum Theil gestaltet, seinerseits alle Gebiete der
wirklichen Thätigkeit desselben äußerlich umfaßt, um in ihnen eben jenes
System von Principien und Forderungen gleichmäßig und allgemein
zur Geltung und Verwirklichung zu bringen. So entsteht als formaler
Ausdruck und Träger jenes Systems der Verwaltungsorganismus
der öffentlichen Bildung, den wir in seiner selbständigsten Form das
Unterrichtsministerium nennen, und das in Recht und Organisation
wieder in jedem einzelnen Staate verschieden ist.

Faßt man nun das Ganze, was über Begriff, Princip und System
des öffentlichen Bildungswesens gesagt ist, zusammen, so wird man
sagen, das es sich dabei nicht um die Bildung und den sie erzeugenden
Proceß an sich, sondern um das Verhalten des Staats zu dem-
selben
handelt, und daß das öffentliche Recht des geistigen Lebens
hier wie immer aus dem Zusammenwirken der Natur der Sache und
des Wesens und der Idee des Staats besteht. Und es ist das Fest-
halten dieses Momentes, welches uns die Geschichte dieses öffentlichen
Bildungswesens in seinem tieferen Inhalt klar macht.

III. Geschichte der verwaltungsrechtlichen Auffassung im Ganzen.

Auch der Begriff des öffentlichen Bildungsrechts hat seine Ge-
schichte, die durch ihren Zusammenhang mit der ganzen Staatsauffassung
von hohem Interesse ist, und jedenfalls einen Theil der sog. Geschichte
der Rechtsphilosophie bilden sollte. Man wird in derselben drei ziemlich
bestimmte Entwicklungsstadien unterscheiden. Sie beginnt mit der Auf-
nahme einzelner Sätze aus dem öffentlichen Bildungswesen in die
Polizeiwissenschaft, die sich wesentlich auf die bekannten Grundsätze der

und mit dieſem Syſtem erſt iſt auch eine Wiſſenſchaft dieſes Gebietes
der Verwaltung möglich. Die Wiſſenſchaft des öffentlichen Bildungs-
weſens iſt demnach nicht etwa die Theorie der Bildung an ſich, ſondern
die wiſſenſchaftliche Auffaſſung und Verarbeitung des öffentlichen Rechts
derſelben. Sie ſchließt ſich daher an die Elemente dieſes Syſtemes an,
die Harmonie der großen Idee der perſönlichen geiſtigen Freiheit mit
der nicht minder mächtigen des perſönlichen Staates und ſeiner organi-
ſchen und rechtlichen Thätigkeit ausſprechend und vertretend, eine nicht
immer leichte oder dankbare Aufgabe. Wie aber die Wiſſenſchaft das
rein geiſtige Band der höheren Einheit in dieſer Entwicklung des ein-
fachen Princips zum organiſchen Syſtem ſucht und findet, ſo muß der
Staat ſelbſt das materielle Element der Einheit in dem Organismus
der für dieſe geiſtige Verwaltung beſtimmten Organe aufſtellen, das,
wie die Idee des Staats alle Theile und Funktionen des Bildungs-
weſens durchdringt und zum Theil geſtaltet, ſeinerſeits alle Gebiete der
wirklichen Thätigkeit deſſelben äußerlich umfaßt, um in ihnen eben jenes
Syſtem von Principien und Forderungen gleichmäßig und allgemein
zur Geltung und Verwirklichung zu bringen. So entſteht als formaler
Ausdruck und Träger jenes Syſtems der Verwaltungsorganismus
der öffentlichen Bildung, den wir in ſeiner ſelbſtändigſten Form das
Unterrichtsminiſterium nennen, und das in Recht und Organiſation
wieder in jedem einzelnen Staate verſchieden iſt.

Faßt man nun das Ganze, was über Begriff, Princip und Syſtem
des öffentlichen Bildungsweſens geſagt iſt, zuſammen, ſo wird man
ſagen, das es ſich dabei nicht um die Bildung und den ſie erzeugenden
Proceß an ſich, ſondern um das Verhalten des Staats zu dem-
ſelben
handelt, und daß das öffentliche Recht des geiſtigen Lebens
hier wie immer aus dem Zuſammenwirken der Natur der Sache und
des Weſens und der Idee des Staats beſteht. Und es iſt das Feſt-
halten dieſes Momentes, welches uns die Geſchichte dieſes öffentlichen
Bildungsweſens in ſeinem tieferen Inhalt klar macht.

III. Geſchichte der verwaltungsrechtlichen Auffaſſung im Ganzen.

Auch der Begriff des öffentlichen Bildungsrechts hat ſeine Ge-
ſchichte, die durch ihren Zuſammenhang mit der ganzen Staatsauffaſſung
von hohem Intereſſe iſt, und jedenfalls einen Theil der ſog. Geſchichte
der Rechtsphiloſophie bilden ſollte. Man wird in derſelben drei ziemlich
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[16/0044] und mit dieſem Syſtem erſt iſt auch eine Wiſſenſchaft dieſes Gebietes der Verwaltung möglich. Die Wiſſenſchaft des öffentlichen Bildungs- weſens iſt demnach nicht etwa die Theorie der Bildung an ſich, ſondern die wiſſenſchaftliche Auffaſſung und Verarbeitung des öffentlichen Rechts derſelben. Sie ſchließt ſich daher an die Elemente dieſes Syſtemes an, die Harmonie der großen Idee der perſönlichen geiſtigen Freiheit mit der nicht minder mächtigen des perſönlichen Staates und ſeiner organi- ſchen und rechtlichen Thätigkeit ausſprechend und vertretend, eine nicht immer leichte oder dankbare Aufgabe. Wie aber die Wiſſenſchaft das rein geiſtige Band der höheren Einheit in dieſer Entwicklung des ein- fachen Princips zum organiſchen Syſtem ſucht und findet, ſo muß der Staat ſelbſt das materielle Element der Einheit in dem Organismus der für dieſe geiſtige Verwaltung beſtimmten Organe aufſtellen, das, wie die Idee des Staats alle Theile und Funktionen des Bildungs- weſens durchdringt und zum Theil geſtaltet, ſeinerſeits alle Gebiete der wirklichen Thätigkeit deſſelben äußerlich umfaßt, um in ihnen eben jenes Syſtem von Principien und Forderungen gleichmäßig und allgemein zur Geltung und Verwirklichung zu bringen. So entſteht als formaler Ausdruck und Träger jenes Syſtems der Verwaltungsorganismus der öffentlichen Bildung, den wir in ſeiner ſelbſtändigſten Form das Unterrichtsminiſterium nennen, und das in Recht und Organiſation wieder in jedem einzelnen Staate verſchieden iſt. Faßt man nun das Ganze, was über Begriff, Princip und Syſtem des öffentlichen Bildungsweſens geſagt iſt, zuſammen, ſo wird man ſagen, das es ſich dabei nicht um die Bildung und den ſie erzeugenden Proceß an ſich, ſondern um das Verhalten des Staats zu dem- ſelben handelt, und daß das öffentliche Recht des geiſtigen Lebens hier wie immer aus dem Zuſammenwirken der Natur der Sache und des Weſens und der Idee des Staats beſteht. Und es iſt das Feſt- halten dieſes Momentes, welches uns die Geſchichte dieſes öffentlichen Bildungsweſens in ſeinem tieferen Inhalt klar macht. III. Geſchichte der verwaltungsrechtlichen Auffaſſung im Ganzen. Auch der Begriff des öffentlichen Bildungsrechts hat ſeine Ge- ſchichte, die durch ihren Zuſammenhang mit der ganzen Staatsauffaſſung von hohem Intereſſe iſt, und jedenfalls einen Theil der ſog. Geſchichte der Rechtsphiloſophie bilden ſollte. Man wird in derſelben drei ziemlich beſtimmte Entwicklungsſtadien unterſcheiden. Sie beginnt mit der Auf- nahme einzelner Sätze aus dem öffentlichen Bildungsweſen in die Polizeiwiſſenſchaft, die ſich weſentlich auf die bekannten Grundſätze der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/44>, abgerufen am 29.03.2024.