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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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bei Rousset a. a. O. S. 249 ff. Das öffentliche Recht systematisch
behandelt bei Laferriere (Droit de l'Admin. I. 1. 3.) und Batbie
(Droit public I. 35). Eine sehr gute Darstellung gibt Block (Dict.
de la Politique v. Presse
). Geschichte der Presse: Hatin (Histoire
de la Presse II.
Bd.). Literatur des Preßrechts bei Block (Dict. de
l'Admin. v. Presse
). Ueber die früheren Gesetze Archiv für Literatur
des Auslandes Bd. V.; Mohl, Literatur der Staatswissenschaft Bd. III.
S. 177 ff.

Deutschland.

Nach den bisherigen Darstellungen wird es nun wohl nicht schwierig
sein, das Preßrecht Deutschlands in seiner gegenwärtigen Gestalt zu
charakterisiren, da es aus mehr als einem Grunde nicht möglich ist,
an diesem Orte sich auf Einzelheiten einzulassen.

Als die Ereignisse des Jahres 1848 mit dem alten System auch
die Censur definitiv vernichteten, war man sich, wie schon früher be-
merkt, nur über den negativen Inhalt der neuen "Preßfreiheit" klar,
und die Grundrechte forderten als Freiheit der Presse einfach die Be-
seitigung aller Repressivmaßregeln und die Beurtheilung der Preßver-
gehen durch Schwurgerichte. Offenbar hatte man bei dem ersten Punkte
keine klare Vorstellung von dem immer nothwendigen Gebiete der Preß-
polizei, und bei dem zweiten lag die traditionelle Vorstellung von eigent-
lichen Preßvergehen zu Grunde, ohne daß man sich darüber Rechen-
schaft abgelegt hätte, daß es ein Preßverbrechen nur dann gibt, wenn
der Geist der Presse als selbständiger Thatbestand Gegenstand der ge-
richtlichen Untersuchung wird. Es war daher gleich anfangs klar, daß
man bei den Grundrechten nicht werde stehen bleiben können und daß
eine organische Preßgesetzgebung nothwendig sei. Daß einzelne Staaten
den allgemeinen Satz der Grundrechte in ihre Verfassung aufnahmen,
bedeutete daher auch nicht viel. Eine bestimmte Gestalt konnte die Ent-
wicklung erst mit den eigentlichen Preßgesetzen annehmen.

Ueberblickt man nun, was Deutschland in dieser Beziehung seit
1848 geleistet hat, so ergeben sich zwei Hauptresultate. Theoretisch ist
man sich über den Begriff der Freiheit der Presse nicht einig, da
man sich nicht einig ist darüber, daß die Freiheit der Presse rechtlich in
jeder direkten oder indirekten Beseitigung der Einwirkung auf den Geist
der Presse besteht, während das Strafrecht der Presse wieder kein selb-
ständiges, sondern nur ein Theil des Strafrechts der Aeußerung ver-
brecherischer Gedanken überhaupt sein soll, und ein Preßgesetz daher
nur ein Polizeigesetz sein kann. Auch darüber war man sich nicht
einig, weder ob ein solches Polizeigesetz nöthig sei, noch was es

bei Rouſſet a. a. O. S. 249 ff. Das öffentliche Recht ſyſtematiſch
behandelt bei Laferrière (Droit de l’Admin. I. 1. 3.) und Batbie
(Droit public I. 35). Eine ſehr gute Darſtellung gibt Block (Dict.
de la Politique v. Presse
). Geſchichte der Preſſe: Hatin (Histoire
de la Presse II.
Bd.). Literatur des Preßrechts bei Block (Dict. de
l’Admin. v. Presse
). Ueber die früheren Geſetze Archiv für Literatur
des Auslandes Bd. V.; Mohl, Literatur der Staatswiſſenſchaft Bd. III.
S. 177 ff.

Deutſchland.

Nach den bisherigen Darſtellungen wird es nun wohl nicht ſchwierig
ſein, das Preßrecht Deutſchlands in ſeiner gegenwärtigen Geſtalt zu
charakteriſiren, da es aus mehr als einem Grunde nicht möglich iſt,
an dieſem Orte ſich auf Einzelheiten einzulaſſen.

Als die Ereigniſſe des Jahres 1848 mit dem alten Syſtem auch
die Cenſur definitiv vernichteten, war man ſich, wie ſchon früher be-
merkt, nur über den negativen Inhalt der neuen „Preßfreiheit“ klar,
und die Grundrechte forderten als Freiheit der Preſſe einfach die Be-
ſeitigung aller Repreſſivmaßregeln und die Beurtheilung der Preßver-
gehen durch Schwurgerichte. Offenbar hatte man bei dem erſten Punkte
keine klare Vorſtellung von dem immer nothwendigen Gebiete der Preß-
polizei, und bei dem zweiten lag die traditionelle Vorſtellung von eigent-
lichen Preßvergehen zu Grunde, ohne daß man ſich darüber Rechen-
ſchaft abgelegt hätte, daß es ein Preßverbrechen nur dann gibt, wenn
der Geiſt der Preſſe als ſelbſtändiger Thatbeſtand Gegenſtand der ge-
richtlichen Unterſuchung wird. Es war daher gleich anfangs klar, daß
man bei den Grundrechten nicht werde ſtehen bleiben können und daß
eine organiſche Preßgeſetzgebung nothwendig ſei. Daß einzelne Staaten
den allgemeinen Satz der Grundrechte in ihre Verfaſſung aufnahmen,
bedeutete daher auch nicht viel. Eine beſtimmte Geſtalt konnte die Ent-
wicklung erſt mit den eigentlichen Preßgeſetzen annehmen.

Ueberblickt man nun, was Deutſchland in dieſer Beziehung ſeit
1848 geleiſtet hat, ſo ergeben ſich zwei Hauptreſultate. Theoretiſch iſt
man ſich über den Begriff der Freiheit der Preſſe nicht einig, da
man ſich nicht einig iſt darüber, daß die Freiheit der Preſſe rechtlich in
jeder direkten oder indirekten Beſeitigung der Einwirkung auf den Geiſt
der Preſſe beſteht, während das Strafrecht der Preſſe wieder kein ſelb-
ſtändiges, ſondern nur ein Theil des Strafrechts der Aeußerung ver-
brecheriſcher Gedanken überhaupt ſein ſoll, und ein Preßgeſetz daher
nur ein Polizeigeſetz ſein kann. Auch darüber war man ſich nicht
einig, weder ob ein ſolches Polizeigeſetz nöthig ſei, noch was es

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[139/0155] bei Rouſſet a. a. O. S. 249 ff. Das öffentliche Recht ſyſtematiſch behandelt bei Laferrière (Droit de l’Admin. I. 1. 3.) und Batbie (Droit public I. 35). Eine ſehr gute Darſtellung gibt Block (Dict. de la Politique v. Presse). Geſchichte der Preſſe: Hatin (Histoire de la Presse II. Bd.). Literatur des Preßrechts bei Block (Dict. de l’Admin. v. Presse). Ueber die früheren Geſetze Archiv für Literatur des Auslandes Bd. V.; Mohl, Literatur der Staatswiſſenſchaft Bd. III. S. 177 ff. Deutſchland. Nach den bisherigen Darſtellungen wird es nun wohl nicht ſchwierig ſein, das Preßrecht Deutſchlands in ſeiner gegenwärtigen Geſtalt zu charakteriſiren, da es aus mehr als einem Grunde nicht möglich iſt, an dieſem Orte ſich auf Einzelheiten einzulaſſen. Als die Ereigniſſe des Jahres 1848 mit dem alten Syſtem auch die Cenſur definitiv vernichteten, war man ſich, wie ſchon früher be- merkt, nur über den negativen Inhalt der neuen „Preßfreiheit“ klar, und die Grundrechte forderten als Freiheit der Preſſe einfach die Be- ſeitigung aller Repreſſivmaßregeln und die Beurtheilung der Preßver- gehen durch Schwurgerichte. Offenbar hatte man bei dem erſten Punkte keine klare Vorſtellung von dem immer nothwendigen Gebiete der Preß- polizei, und bei dem zweiten lag die traditionelle Vorſtellung von eigent- lichen Preßvergehen zu Grunde, ohne daß man ſich darüber Rechen- ſchaft abgelegt hätte, daß es ein Preßverbrechen nur dann gibt, wenn der Geiſt der Preſſe als ſelbſtändiger Thatbeſtand Gegenſtand der ge- richtlichen Unterſuchung wird. Es war daher gleich anfangs klar, daß man bei den Grundrechten nicht werde ſtehen bleiben können und daß eine organiſche Preßgeſetzgebung nothwendig ſei. Daß einzelne Staaten den allgemeinen Satz der Grundrechte in ihre Verfaſſung aufnahmen, bedeutete daher auch nicht viel. Eine beſtimmte Geſtalt konnte die Ent- wicklung erſt mit den eigentlichen Preßgeſetzen annehmen. Ueberblickt man nun, was Deutſchland in dieſer Beziehung ſeit 1848 geleiſtet hat, ſo ergeben ſich zwei Hauptreſultate. Theoretiſch iſt man ſich über den Begriff der Freiheit der Preſſe nicht einig, da man ſich nicht einig iſt darüber, daß die Freiheit der Preſſe rechtlich in jeder direkten oder indirekten Beſeitigung der Einwirkung auf den Geiſt der Preſſe beſteht, während das Strafrecht der Preſſe wieder kein ſelb- ſtändiges, ſondern nur ein Theil des Strafrechts der Aeußerung ver- brecheriſcher Gedanken überhaupt ſein ſoll, und ein Preßgeſetz daher nur ein Polizeigeſetz ſein kann. Auch darüber war man ſich nicht einig, weder ob ein ſolches Polizeigeſetz nöthig ſei, noch was es

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/155>, abgerufen am 25.04.2024.