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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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(6 Professoren, davon 4 für Malerei, 1 für Baukunst, 1 für Kunst-
anatomie). Daneben besteht die musikalische Akademie seit 8. Sep-
tember 1771, die gleichfalls eine Lehranstalt für die Musik in allen
ihren Zweigen ist. Außerdem bestehen mehrere wissenschaftliche Gesell-
schaften. (Fahraus Administratif och Statistisk Handbok. 1864,
p.
269 ff.) -- Was die Gesellschaften betrifft, so unternehmen wir gar
nicht, etwas Statistisches über dieselben zu sagen. Wir bemerken nur,
daß die Frage und der Zweifel an dem Nutzen der Akademien schon
eine alte ist. (Jacobi, über gelehrte Gesellschaften, ihren Geist und
ihren Zweck 1807; außerdem Schleiermacher, Gedanken über Uni-
versitäten, S. 27. Luden, Politik §. 149 und andere mehr. Schon
im vorigen Jahrhundert Justi II, §. 95. ("Alles kommt auf die
Ceremonie der Vorlesung an; und man sieht nicht, was diese zur Er-
weiterung der Wissenschaften beitragen soll" etc.); vgl. §. 96. Ganz
verständig ist, was Mohl Polizeiwissenschaft I, §. 86 darüber sagt.
Richtig ist, was jener Franzose sagt: "Ce n'est pas l'Academie qui
honore le savant mais le savant qui honore l'Academie."
Eben
so schlagend Mohl: "Gerade die eigenthümlichsten und kühnsten Ge-
danken werden leicht keinen Beifall finden bei einer Gesellschaft älterer
Männer, welche einen Ruhm als ein gegen sie begangenes Unrecht zu
betrachten geneigt sein kann" (a. a. O). Thatsache ist, daß noch keine
Akademie je etwas Neues geleistet, sondern nur nützt durch Sammlung
des Alten. Ist dazu eine Akademie nothwendig?

III. Bibliothekswesen.

Die ungemeine Wichtigkeit der Bibliotheken ist unbezweifelt. Sie
besteht theils darin, daß sie allein den wachsenden Umfang der wissen-
schaftlichen Arbeiten beherrschen, theils aber, und nicht minder darin,
daß sie in den Sammlungen der Werke das Bewußtsein und das
Verständniß des geschichtlichen Werdens der großen geistigen Wahr-
heiten möglich machen, ja indirekt erzwingen. Dadurch ist die Oeffent-
lichkeit des Bibliothekswesens, welche in der Loslösung von den Berufs-
bibliotheken einzelner Bildungsanstalten und in der Zulassung des ge-
sammten Publikums zu ihrer Benützung besteht, ein hochwichtiger Fort-
schritt; sie werden dadurch aus Lehrmitteln zu Bildungsmitteln, und
es ist kein Zweifel, daß sie dieß mit der Zeit in immer größerm Maße
sein werden. Eben deßhalb gehören sie unbedingt in die Verwaltung
der allgemeinen Bildung, und füllen einen wesentlichen Theil des Sy-
stems derselben aus.

Die Geschichte des Bibliothekswesens beginnt mit den Fach- und

(6 Profeſſoren, davon 4 für Malerei, 1 für Baukunſt, 1 für Kunſt-
anatomie). Daneben beſteht die muſikaliſche Akademie ſeit 8. Sep-
tember 1771, die gleichfalls eine Lehranſtalt für die Muſik in allen
ihren Zweigen iſt. Außerdem beſtehen mehrere wiſſenſchaftliche Geſell-
ſchaften. (Fahråus Administratif och Statistisk Handbok. 1864,
p.
269 ff.) — Was die Geſellſchaften betrifft, ſo unternehmen wir gar
nicht, etwas Statiſtiſches über dieſelben zu ſagen. Wir bemerken nur,
daß die Frage und der Zweifel an dem Nutzen der Akademien ſchon
eine alte iſt. (Jacobi, über gelehrte Geſellſchaften, ihren Geiſt und
ihren Zweck 1807; außerdem Schleiermacher, Gedanken über Uni-
verſitäten, S. 27. Luden, Politik §. 149 und andere mehr. Schon
im vorigen Jahrhundert Juſti II, §. 95. („Alles kommt auf die
Ceremonie der Vorleſung an; und man ſieht nicht, was dieſe zur Er-
weiterung der Wiſſenſchaften beitragen ſoll“ ꝛc.); vgl. §. 96. Ganz
verſtändig iſt, was Mohl Polizeiwiſſenſchaft I, §. 86 darüber ſagt.
Richtig iſt, was jener Franzoſe ſagt: „Ce n’est pas l’Académie qui
honore le savant mais le savant qui honore l’Académie.“
Eben
ſo ſchlagend Mohl: „Gerade die eigenthümlichſten und kühnſten Ge-
danken werden leicht keinen Beifall finden bei einer Geſellſchaft älterer
Männer, welche einen Ruhm als ein gegen ſie begangenes Unrecht zu
betrachten geneigt ſein kann“ (a. a. O). Thatſache iſt, daß noch keine
Akademie je etwas Neues geleiſtet, ſondern nur nützt durch Sammlung
des Alten. Iſt dazu eine Akademie nothwendig?

III. Bibliotheksweſen.

Die ungemeine Wichtigkeit der Bibliotheken iſt unbezweifelt. Sie
beſteht theils darin, daß ſie allein den wachſenden Umfang der wiſſen-
ſchaftlichen Arbeiten beherrſchen, theils aber, und nicht minder darin,
daß ſie in den Sammlungen der Werke das Bewußtſein und das
Verſtändniß des geſchichtlichen Werdens der großen geiſtigen Wahr-
heiten möglich machen, ja indirekt erzwingen. Dadurch iſt die Oeffent-
lichkeit des Bibliotheksweſens, welche in der Loslöſung von den Berufs-
bibliotheken einzelner Bildungsanſtalten und in der Zulaſſung des ge-
ſammten Publikums zu ihrer Benützung beſteht, ein hochwichtiger Fort-
ſchritt; ſie werden dadurch aus Lehrmitteln zu Bildungsmitteln, und
es iſt kein Zweifel, daß ſie dieß mit der Zeit in immer größerm Maße
ſein werden. Eben deßhalb gehören ſie unbedingt in die Verwaltung
der allgemeinen Bildung, und füllen einen weſentlichen Theil des Sy-
ſtems derſelben aus.

Die Geſchichte des Bibliotheksweſens beginnt mit den Fach- und

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[36/0052] (6 Profeſſoren, davon 4 für Malerei, 1 für Baukunſt, 1 für Kunſt- anatomie). Daneben beſteht die muſikaliſche Akademie ſeit 8. Sep- tember 1771, die gleichfalls eine Lehranſtalt für die Muſik in allen ihren Zweigen iſt. Außerdem beſtehen mehrere wiſſenſchaftliche Geſell- ſchaften. (Fahråus Administratif och Statistisk Handbok. 1864, p. 269 ff.) — Was die Geſellſchaften betrifft, ſo unternehmen wir gar nicht, etwas Statiſtiſches über dieſelben zu ſagen. Wir bemerken nur, daß die Frage und der Zweifel an dem Nutzen der Akademien ſchon eine alte iſt. (Jacobi, über gelehrte Geſellſchaften, ihren Geiſt und ihren Zweck 1807; außerdem Schleiermacher, Gedanken über Uni- verſitäten, S. 27. Luden, Politik §. 149 und andere mehr. Schon im vorigen Jahrhundert Juſti II, §. 95. („Alles kommt auf die Ceremonie der Vorleſung an; und man ſieht nicht, was dieſe zur Er- weiterung der Wiſſenſchaften beitragen ſoll“ ꝛc.); vgl. §. 96. Ganz verſtändig iſt, was Mohl Polizeiwiſſenſchaft I, §. 86 darüber ſagt. Richtig iſt, was jener Franzoſe ſagt: „Ce n’est pas l’Académie qui honore le savant mais le savant qui honore l’Académie.“ Eben ſo ſchlagend Mohl: „Gerade die eigenthümlichſten und kühnſten Ge- danken werden leicht keinen Beifall finden bei einer Geſellſchaft älterer Männer, welche einen Ruhm als ein gegen ſie begangenes Unrecht zu betrachten geneigt ſein kann“ (a. a. O). Thatſache iſt, daß noch keine Akademie je etwas Neues geleiſtet, ſondern nur nützt durch Sammlung des Alten. Iſt dazu eine Akademie nothwendig? III. Bibliotheksweſen. Die ungemeine Wichtigkeit der Bibliotheken iſt unbezweifelt. Sie beſteht theils darin, daß ſie allein den wachſenden Umfang der wiſſen- ſchaftlichen Arbeiten beherrſchen, theils aber, und nicht minder darin, daß ſie in den Sammlungen der Werke das Bewußtſein und das Verſtändniß des geſchichtlichen Werdens der großen geiſtigen Wahr- heiten möglich machen, ja indirekt erzwingen. Dadurch iſt die Oeffent- lichkeit des Bibliotheksweſens, welche in der Loslöſung von den Berufs- bibliotheken einzelner Bildungsanſtalten und in der Zulaſſung des ge- ſammten Publikums zu ihrer Benützung beſteht, ein hochwichtiger Fort- ſchritt; ſie werden dadurch aus Lehrmitteln zu Bildungsmitteln, und es iſt kein Zweifel, daß ſie dieß mit der Zeit in immer größerm Maße ſein werden. Eben deßhalb gehören ſie unbedingt in die Verwaltung der allgemeinen Bildung, und füllen einen weſentlichen Theil des Sy- ſtems derſelben aus. Die Geſchichte des Bibliotheksweſens beginnt mit den Fach- und

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/52>, abgerufen am 23.04.2024.