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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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wird. Wäre Glaser (Gutachten, Verhandlungen des sechsten deutschen
Juristentags S. 185) über den rechtlichen Begriff der Polizei neben
dem des Strafrechts zu einem Abschluß gelangt, so würde der Angriff
Johns auf seine "uneigentlichen und eigentlichen" Preßvergehen nicht
möglich gewesen sein; denn die "eigentlichen" sind eben nichts anders
als die Vergehen gegen die eigentliche Preßpolizei im obigen Sinne.
Uebrigens hat schon Zachariä (Deutsches Staats- und Bundesrecht
1842, II. Bd. §. 145) den Unterschied von formellen und materiellen
Preßvergehen aufgestellt. Johns Arbeit liefert eben den Beweis, daß
eine Kritik nutzlos bleibt, so lange man durch dieselbe nichts anderes
beweist, als daß man sich vorher über die Sache nicht klar war und
nachher nicht klar geworden ist. Viel hat zu dieser Ungeschiedenheit der
Begriffe die französische Jurisprudenz beigetragen, da dieselbe zu dem
Begriffe der Polizei der Presse gar nicht recht gelangen konnte, weil
das ganze Preßverfahren streng gesetzlich geordnet war und die Preß-
polizeivergehen wie alle andern Polizeivergehen seit dem Code Penal
als integrirende Theile des Strafrechts erscheinen, was wieder das
gemeine deutsche Recht nicht anerkannte. -- Uebrigens wird wohl das,
was wir hier meinen, erst durch die Erwägung des Folgenden recht
klar werden.

d) Die Preßfreiheit, ihr Princip und ihr Recht.

Eine ganz andere Stellung zum Gesammtleben und speziell zur
Verwaltung ihrer Lehre und ihrem Recht hat nun dasjenige, was wir
die Preßfreiheit nennen. Es ist unerläßlich, sich auch über den formalen
Inhalt und Begriff derselben einig zu sein.

Zuerst ist es klar, daß Niemand die Preßfreiheit in der völligen Abwe-
senheit des Rechts für die Presse suchen wird. Es wäre ein undenkbarer
Widerspruch, weniger Recht für die Presse zu fordern, als für den Staats-
bürger, der für sie arbeitet. Der Begriff der Preßfreiheit leidet daher gar
keine Anwendung
auf das durch die einzelne That der Presse noth-
wendig gesetzte Recht derselben. Nicht einmal eine härtere Strafe oder
strengere Polizeimaßregeln auf der bezeichneten Grundlage werden eine Be-
schränkung der Freiheit der Presse bedeuten können, so wenig man von einer
Beschränkung der Freiheit des Bürgers reden könnte, wenn der Diebstahl
mit dem Tode bestraft wird, wie früher in England. Will man daher
von einer Freiheit der Presse als von einem specifischen Begriffe reden,
so muß man auch ein specifisch anderes Verhältniß derselben im Auge
haben. Jede Vermengung desselben mit dem früheren macht hier Recht
und Begriff unklar.

Wir haben dieß zweite Verhältniß bereits bezeichnet. Es ist die

wird. Wäre Glaſer (Gutachten, Verhandlungen des ſechsten deutſchen
Juriſtentags S. 185) über den rechtlichen Begriff der Polizei neben
dem des Strafrechts zu einem Abſchluß gelangt, ſo würde der Angriff
Johns auf ſeine „uneigentlichen und eigentlichen“ Preßvergehen nicht
möglich geweſen ſein; denn die „eigentlichen“ ſind eben nichts anders
als die Vergehen gegen die eigentliche Preßpolizei im obigen Sinne.
Uebrigens hat ſchon Zachariä (Deutſches Staats- und Bundesrecht
1842, II. Bd. §. 145) den Unterſchied von formellen und materiellen
Preßvergehen aufgeſtellt. Johns Arbeit liefert eben den Beweis, daß
eine Kritik nutzlos bleibt, ſo lange man durch dieſelbe nichts anderes
beweist, als daß man ſich vorher über die Sache nicht klar war und
nachher nicht klar geworden iſt. Viel hat zu dieſer Ungeſchiedenheit der
Begriffe die franzöſiſche Jurisprudenz beigetragen, da dieſelbe zu dem
Begriffe der Polizei der Preſſe gar nicht recht gelangen konnte, weil
das ganze Preßverfahren ſtreng geſetzlich geordnet war und die Preß-
polizeivergehen wie alle andern Polizeivergehen ſeit dem Code Pénal
als integrirende Theile des Strafrechts erſcheinen, was wieder das
gemeine deutſche Recht nicht anerkannte. — Uebrigens wird wohl das,
was wir hier meinen, erſt durch die Erwägung des Folgenden recht
klar werden.

d) Die Preßfreiheit, ihr Princip und ihr Recht.

Eine ganz andere Stellung zum Geſammtleben und ſpeziell zur
Verwaltung ihrer Lehre und ihrem Recht hat nun dasjenige, was wir
die Preßfreiheit nennen. Es iſt unerläßlich, ſich auch über den formalen
Inhalt und Begriff derſelben einig zu ſein.

Zuerſt iſt es klar, daß Niemand die Preßfreiheit in der völligen Abwe-
ſenheit des Rechts für die Preſſe ſuchen wird. Es wäre ein undenkbarer
Widerſpruch, weniger Recht für die Preſſe zu fordern, als für den Staats-
bürger, der für ſie arbeitet. Der Begriff der Preßfreiheit leidet daher gar
keine Anwendung
auf das durch die einzelne That der Preſſe noth-
wendig geſetzte Recht derſelben. Nicht einmal eine härtere Strafe oder
ſtrengere Polizeimaßregeln auf der bezeichneten Grundlage werden eine Be-
ſchränkung der Freiheit der Preſſe bedeuten können, ſo wenig man von einer
Beſchränkung der Freiheit des Bürgers reden könnte, wenn der Diebſtahl
mit dem Tode beſtraft wird, wie früher in England. Will man daher
von einer Freiheit der Preſſe als von einem ſpecifiſchen Begriffe reden,
ſo muß man auch ein ſpecifiſch anderes Verhältniß derſelben im Auge
haben. Jede Vermengung deſſelben mit dem früheren macht hier Recht
und Begriff unklar.

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[73/0089] wird. Wäre Glaſer (Gutachten, Verhandlungen des ſechsten deutſchen Juriſtentags S. 185) über den rechtlichen Begriff der Polizei neben dem des Strafrechts zu einem Abſchluß gelangt, ſo würde der Angriff Johns auf ſeine „uneigentlichen und eigentlichen“ Preßvergehen nicht möglich geweſen ſein; denn die „eigentlichen“ ſind eben nichts anders als die Vergehen gegen die eigentliche Preßpolizei im obigen Sinne. Uebrigens hat ſchon Zachariä (Deutſches Staats- und Bundesrecht 1842, II. Bd. §. 145) den Unterſchied von formellen und materiellen Preßvergehen aufgeſtellt. Johns Arbeit liefert eben den Beweis, daß eine Kritik nutzlos bleibt, ſo lange man durch dieſelbe nichts anderes beweist, als daß man ſich vorher über die Sache nicht klar war und nachher nicht klar geworden iſt. Viel hat zu dieſer Ungeſchiedenheit der Begriffe die franzöſiſche Jurisprudenz beigetragen, da dieſelbe zu dem Begriffe der Polizei der Preſſe gar nicht recht gelangen konnte, weil das ganze Preßverfahren ſtreng geſetzlich geordnet war und die Preß- polizeivergehen wie alle andern Polizeivergehen ſeit dem Code Pénal als integrirende Theile des Strafrechts erſcheinen, was wieder das gemeine deutſche Recht nicht anerkannte. — Uebrigens wird wohl das, was wir hier meinen, erſt durch die Erwägung des Folgenden recht klar werden. d) Die Preßfreiheit, ihr Princip und ihr Recht. Eine ganz andere Stellung zum Geſammtleben und ſpeziell zur Verwaltung ihrer Lehre und ihrem Recht hat nun dasjenige, was wir die Preßfreiheit nennen. Es iſt unerläßlich, ſich auch über den formalen Inhalt und Begriff derſelben einig zu ſein. Zuerſt iſt es klar, daß Niemand die Preßfreiheit in der völligen Abwe- ſenheit des Rechts für die Preſſe ſuchen wird. Es wäre ein undenkbarer Widerſpruch, weniger Recht für die Preſſe zu fordern, als für den Staats- bürger, der für ſie arbeitet. Der Begriff der Preßfreiheit leidet daher gar keine Anwendung auf das durch die einzelne That der Preſſe noth- wendig geſetzte Recht derſelben. Nicht einmal eine härtere Strafe oder ſtrengere Polizeimaßregeln auf der bezeichneten Grundlage werden eine Be- ſchränkung der Freiheit der Preſſe bedeuten können, ſo wenig man von einer Beſchränkung der Freiheit des Bürgers reden könnte, wenn der Diebſtahl mit dem Tode beſtraft wird, wie früher in England. Will man daher von einer Freiheit der Preſſe als von einem ſpecifiſchen Begriffe reden, ſo muß man auch ein ſpecifiſch anderes Verhältniß derſelben im Auge haben. Jede Vermengung deſſelben mit dem früheren macht hier Recht und Begriff unklar. Wir haben dieß zweite Verhältniß bereits bezeichnet. Es iſt die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/89>, abgerufen am 28.03.2024.