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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Königthum gesichert erscheinen konnten. Die schottischen Herren fühlten
mit voller Bestimmtheit, daß die Vereinigung mit dem das Princip
der bäuerlichen Freiheit allenthalben verwirklichenden England zu einer
Agrarverfassung führen müsse, welche die ganze schottische Grundherr-
lichkeit definitiv beseitigen werde. Der letzte Kampf für diese Grund-
herrlichkeit ward in der Schlacht von Culloden gekämpft (1746). Die
Niederlage der Schotten in dieser Schlacht war nicht bloß die Vernichtung
der Stuarts, sondern vielmehr die der alten Grundherrlichkeit. Fast
unmittelbar nachher ward daher auch die Akte von 1748 erlassen, welche
die gesammte Grundherrlichkeit in Schottland aufhob, und an die Stelle
der Patrimonialgerichte amtliche Gerichte einsetzte -- "the abolition of all
sorts of hereditary jurisdiction, and the appointment of the crown of
stipendiary sherifs and other judicial officers."
-- Macculloch, Ac-
counts I.
429. Daher sagt mit Recht der Verfasser eines vortrefflichen
Artikels in Edinb. Review LXIII. (1836): "that abolition of hereditary
jurisdiction has paved the way for the introduction of a regular
system of government."
Sugenheim a. a. O. S. 322 ff. Fehlt bei
Gneist. -- In Irland wurden Zehnten und Frohndienste als Folge der
Eroberung eingeführt und bildeten den Grund der beständigen Empörung
des Landvolkes gegen die Herren; in ihnen, und nicht in den kirchlichen
Verhältnissen lag die ewig neue Quelle des Hasses gegen England;
und es ist nur zu bewundern, daß das Sonderinteresse der großen
Grundherren bis auf die neueste Zeit jede Besserung hat verhindern
können. Den ersten Schritt dazu that die Removeable Leasehold Con-
version Act 1849,
welche die Afterpacht zugleich verbot, und die eben
so wichtige Incumberd Estates Act (ebend.), welche den Eigenthums-
erwerb der belasteten Grundstücke möglich machte. Von da an stehen
Schottland und Irland im Wesentlichen auf demselben Standpunkt wie
England (s. Sugenheim a. a. O. 340 ff.).

Frankreichs Grundentlastung.

Wir haben uns bei England länger aufgehalten, weil die agrar-
rechtlichen Verhältnisse desselben weder sehr bekannt, noch von der Li-
teratur recht klar dargestellt worden. Anders ist es mit Frankreich.

Frankreichs Rechtsgeschichte ist in ihren Grundzügen uns nicht un-
bekannt. Wir wissen, daß die innere und äußere Verwandtschaft
zwischen ihr und der deutschen eine große und durchgreifende ist. Wir
sehen allenthalben unter andern Namen dieselben Grundverhältnisse
wie in Deutschland auftreten. Die Aehnlichkeit ist eine weit größere
als die mit der Rechtsgeschichte Englands, so groß, daß man die

Königthum geſichert erſcheinen konnten. Die ſchottiſchen Herren fühlten
mit voller Beſtimmtheit, daß die Vereinigung mit dem das Princip
der bäuerlichen Freiheit allenthalben verwirklichenden England zu einer
Agrarverfaſſung führen müſſe, welche die ganze ſchottiſche Grundherr-
lichkeit definitiv beſeitigen werde. Der letzte Kampf für dieſe Grund-
herrlichkeit ward in der Schlacht von Culloden gekämpft (1746). Die
Niederlage der Schotten in dieſer Schlacht war nicht bloß die Vernichtung
der Stuarts, ſondern vielmehr die der alten Grundherrlichkeit. Faſt
unmittelbar nachher ward daher auch die Akte von 1748 erlaſſen, welche
die geſammte Grundherrlichkeit in Schottland aufhob, und an die Stelle
der Patrimonialgerichte amtliche Gerichte einſetzte — „the abolition of all
sorts of hereditary jurisdiction, and the appointment of the crown of
stipendiary sherifs and other judicial officers.“
Macculloch, Ac-
counts I.
429. Daher ſagt mit Recht der Verfaſſer eines vortrefflichen
Artikels in Edinb. Review LXIII. (1836): „that abolition of hereditary
jurisdiction has paved the way for the introduction of a regular
system of government.“
Sugenheim a. a. O. S. 322 ff. Fehlt bei
Gneiſt. — In Irland wurden Zehnten und Frohndienſte als Folge der
Eroberung eingeführt und bildeten den Grund der beſtändigen Empörung
des Landvolkes gegen die Herren; in ihnen, und nicht in den kirchlichen
Verhältniſſen lag die ewig neue Quelle des Haſſes gegen England;
und es iſt nur zu bewundern, daß das Sonderintereſſe der großen
Grundherren bis auf die neueſte Zeit jede Beſſerung hat verhindern
können. Den erſten Schritt dazu that die Removeable Leasehold Con-
version Act 1849,
welche die Afterpacht zugleich verbot, und die eben
ſo wichtige Incumberd Estates Act (ebend.), welche den Eigenthums-
erwerb der belaſteten Grundſtücke möglich machte. Von da an ſtehen
Schottland und Irland im Weſentlichen auf demſelben Standpunkt wie
England (ſ. Sugenheim a. a. O. 340 ff.).

Frankreichs Grundentlaſtung.

Wir haben uns bei England länger aufgehalten, weil die agrar-
rechtlichen Verhältniſſe deſſelben weder ſehr bekannt, noch von der Li-
teratur recht klar dargeſtellt worden. Anders iſt es mit Frankreich.

Frankreichs Rechtsgeſchichte iſt in ihren Grundzügen uns nicht un-
bekannt. Wir wiſſen, daß die innere und äußere Verwandtſchaft
zwiſchen ihr und der deutſchen eine große und durchgreifende iſt. Wir
ſehen allenthalben unter andern Namen dieſelben Grundverhältniſſe
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[140/0158] Königthum geſichert erſcheinen konnten. Die ſchottiſchen Herren fühlten mit voller Beſtimmtheit, daß die Vereinigung mit dem das Princip der bäuerlichen Freiheit allenthalben verwirklichenden England zu einer Agrarverfaſſung führen müſſe, welche die ganze ſchottiſche Grundherr- lichkeit definitiv beſeitigen werde. Der letzte Kampf für dieſe Grund- herrlichkeit ward in der Schlacht von Culloden gekämpft (1746). Die Niederlage der Schotten in dieſer Schlacht war nicht bloß die Vernichtung der Stuarts, ſondern vielmehr die der alten Grundherrlichkeit. Faſt unmittelbar nachher ward daher auch die Akte von 1748 erlaſſen, welche die geſammte Grundherrlichkeit in Schottland aufhob, und an die Stelle der Patrimonialgerichte amtliche Gerichte einſetzte — „the abolition of all sorts of hereditary jurisdiction, and the appointment of the crown of stipendiary sherifs and other judicial officers.“ — Macculloch, Ac- counts I. 429. Daher ſagt mit Recht der Verfaſſer eines vortrefflichen Artikels in Edinb. Review LXIII. (1836): „that abolition of hereditary jurisdiction has paved the way for the introduction of a regular system of government.“ Sugenheim a. a. O. S. 322 ff. Fehlt bei Gneiſt. — In Irland wurden Zehnten und Frohndienſte als Folge der Eroberung eingeführt und bildeten den Grund der beſtändigen Empörung des Landvolkes gegen die Herren; in ihnen, und nicht in den kirchlichen Verhältniſſen lag die ewig neue Quelle des Haſſes gegen England; und es iſt nur zu bewundern, daß das Sonderintereſſe der großen Grundherren bis auf die neueſte Zeit jede Beſſerung hat verhindern können. Den erſten Schritt dazu that die Removeable Leasehold Con- version Act 1849, welche die Afterpacht zugleich verbot, und die eben ſo wichtige Incumberd Estates Act (ebend.), welche den Eigenthums- erwerb der belaſteten Grundſtücke möglich machte. Von da an ſtehen Schottland und Irland im Weſentlichen auf demſelben Standpunkt wie England (ſ. Sugenheim a. a. O. 340 ff.). Frankreichs Grundentlaſtung. Wir haben uns bei England länger aufgehalten, weil die agrar- rechtlichen Verhältniſſe deſſelben weder ſehr bekannt, noch von der Li- teratur recht klar dargeſtellt worden. Anders iſt es mit Frankreich. Frankreichs Rechtsgeſchichte iſt in ihren Grundzügen uns nicht un- bekannt. Wir wiſſen, daß die innere und äußere Verwandtſchaft zwiſchen ihr und der deutſchen eine große und durchgreifende iſt. Wir ſehen allenthalben unter andern Namen dieſelben Grundverhältniſſe wie in Deutſchland auftreten. Die Aehnlichkeit iſt eine weit größere als die mit der Rechtsgeſchichte Englands, ſo groß, daß man die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/158>, abgerufen am 29.03.2024.