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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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434 und §. 489. Man ist sich also weder über Umfang noch über die
Stelle einig, welche das Enteignungsrecht einnimmt, und hält noch
immer an Mohls Auffassung fest, der es zuerst in die Verfassung ge-
bracht hat. In der That aber müssen wir festhalten, daß diese ganze,
neben den Arbeiten über das Entlastungswesen höchst dürftige Literatur
erst ihre natürliche Entwicklung finden wird, wenn man ihr ihre natür-
liche Stellung im Verwaltungsrecht zuweist.

VII. System des Enteignungsrechts.

Geht man nun, dem Obigen gemäß, davon aus, daß die Enteig-
nung das, auf dem allgemeinen Rechtsprincip der Entwährung beruhende
Verfahren der Verwaltung ist, durch welches sie das Einzelgut dem
Einzeleigenthum für einen öffentlichen Zweck gegen Entschädigung ent-
zieht, und daß das Recht der Enteignung die Gesammtheit von Be-
stimmungen enthält, welche für dieses Verfahren gelten, so ist das
System des Enteignungsrechts wohl ein sehr einfaches. Dasselbe ent-
hielt zuerst das Rechtsprincip der Enteignung an sich, und zweitens
die Bestimmungen für das Verfahren bei der wirklichen Enteignung.
Das erste bestimmt das rechtliche Wesen und die Stellung der Enteig-
nung im öffentlichen Recht, das zweite die Pflichten und Ordnungen
für die Thätigkeit der Verwaltungsbehörde bei der Anwendung des Ent-
eignungsprincips auf einen bestimmten Fall. Dieser zweite Theil hat
dann zwei, vollkommen klar geschiedene Abtheilungen, die durch die
beiden naturgemäßen Aufgaben dieses Verfahrens gegeben sind. Die
erste Abtheilung enthält die Ordnung und das Recht desjenigen Ver-
fahrens, welches das Einzeleigenthum an Güter aufhebt, die eigent-
liche Enteignung
; die zweite die rechtliche Ordnung, welche für die
Rückgabe des Werthes dieser Güter gilt, oder die Entschädigung.
In diese beiden Kategorien ordnen sie alle bei der Enteignung vor-
kommenden Rechts- und Funktionsfragen in einfachster Weise hinein;
ihr innerer und äußerer Zusammenhang aber bedarf wohl keiner wei-
teren Darlegung.

Das Rechtsprincip des Enteignungsverfahrens.

(Die Enteignung als ein Akt der innern Verwaltung. Enteignungsgesetz und
Enteignungsverordnung. Stellung des Gerichts und seiner Thätigkeit. Die
rechtliche Natur der Enteignung.)

Man darf ohne Bedenken behaupten, daß in wenigen Gebieten
der Rechtslehre der Mangel eines selbständigen Verwaltungsrechts so

434 und §. 489. Man iſt ſich alſo weder über Umfang noch über die
Stelle einig, welche das Enteignungsrecht einnimmt, und hält noch
immer an Mohls Auffaſſung feſt, der es zuerſt in die Verfaſſung ge-
bracht hat. In der That aber müſſen wir feſthalten, daß dieſe ganze,
neben den Arbeiten über das Entlaſtungsweſen höchſt dürftige Literatur
erſt ihre natürliche Entwicklung finden wird, wenn man ihr ihre natür-
liche Stellung im Verwaltungsrecht zuweist.

VII. Syſtem des Enteignungsrechts.

Geht man nun, dem Obigen gemäß, davon aus, daß die Enteig-
nung das, auf dem allgemeinen Rechtsprincip der Entwährung beruhende
Verfahren der Verwaltung iſt, durch welches ſie das Einzelgut dem
Einzeleigenthum für einen öffentlichen Zweck gegen Entſchädigung ent-
zieht, und daß das Recht der Enteignung die Geſammtheit von Be-
ſtimmungen enthält, welche für dieſes Verfahren gelten, ſo iſt das
Syſtem des Enteignungsrechts wohl ein ſehr einfaches. Daſſelbe ent-
hielt zuerſt das Rechtsprincip der Enteignung an ſich, und zweitens
die Beſtimmungen für das Verfahren bei der wirklichen Enteignung.
Das erſte beſtimmt das rechtliche Weſen und die Stellung der Enteig-
nung im öffentlichen Recht, das zweite die Pflichten und Ordnungen
für die Thätigkeit der Verwaltungsbehörde bei der Anwendung des Ent-
eignungsprincips auf einen beſtimmten Fall. Dieſer zweite Theil hat
dann zwei, vollkommen klar geſchiedene Abtheilungen, die durch die
beiden naturgemäßen Aufgaben dieſes Verfahrens gegeben ſind. Die
erſte Abtheilung enthält die Ordnung und das Recht desjenigen Ver-
fahrens, welches das Einzeleigenthum an Güter aufhebt, die eigent-
liche Enteignung
; die zweite die rechtliche Ordnung, welche für die
Rückgabe des Werthes dieſer Güter gilt, oder die Entſchädigung.
In dieſe beiden Kategorien ordnen ſie alle bei der Enteignung vor-
kommenden Rechts- und Funktionsfragen in einfachſter Weiſe hinein;
ihr innerer und äußerer Zuſammenhang aber bedarf wohl keiner wei-
teren Darlegung.

Das Rechtsprincip des Enteignungsverfahrens.

(Die Enteignung als ein Akt der innern Verwaltung. Enteignungsgeſetz und
Enteignungsverordnung. Stellung des Gerichts und ſeiner Thätigkeit. Die
rechtliche Natur der Enteignung.)

Man darf ohne Bedenken behaupten, daß in wenigen Gebieten
der Rechtslehre der Mangel eines ſelbſtändigen Verwaltungsrechts ſo

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[319/0337] 434 und §. 489. Man iſt ſich alſo weder über Umfang noch über die Stelle einig, welche das Enteignungsrecht einnimmt, und hält noch immer an Mohls Auffaſſung feſt, der es zuerſt in die Verfaſſung ge- bracht hat. In der That aber müſſen wir feſthalten, daß dieſe ganze, neben den Arbeiten über das Entlaſtungsweſen höchſt dürftige Literatur erſt ihre natürliche Entwicklung finden wird, wenn man ihr ihre natür- liche Stellung im Verwaltungsrecht zuweist. VII. Syſtem des Enteignungsrechts. Geht man nun, dem Obigen gemäß, davon aus, daß die Enteig- nung das, auf dem allgemeinen Rechtsprincip der Entwährung beruhende Verfahren der Verwaltung iſt, durch welches ſie das Einzelgut dem Einzeleigenthum für einen öffentlichen Zweck gegen Entſchädigung ent- zieht, und daß das Recht der Enteignung die Geſammtheit von Be- ſtimmungen enthält, welche für dieſes Verfahren gelten, ſo iſt das Syſtem des Enteignungsrechts wohl ein ſehr einfaches. Daſſelbe ent- hielt zuerſt das Rechtsprincip der Enteignung an ſich, und zweitens die Beſtimmungen für das Verfahren bei der wirklichen Enteignung. Das erſte beſtimmt das rechtliche Weſen und die Stellung der Enteig- nung im öffentlichen Recht, das zweite die Pflichten und Ordnungen für die Thätigkeit der Verwaltungsbehörde bei der Anwendung des Ent- eignungsprincips auf einen beſtimmten Fall. Dieſer zweite Theil hat dann zwei, vollkommen klar geſchiedene Abtheilungen, die durch die beiden naturgemäßen Aufgaben dieſes Verfahrens gegeben ſind. Die erſte Abtheilung enthält die Ordnung und das Recht desjenigen Ver- fahrens, welches das Einzeleigenthum an Güter aufhebt, die eigent- liche Enteignung; die zweite die rechtliche Ordnung, welche für die Rückgabe des Werthes dieſer Güter gilt, oder die Entſchädigung. In dieſe beiden Kategorien ordnen ſie alle bei der Enteignung vor- kommenden Rechts- und Funktionsfragen in einfachſter Weiſe hinein; ihr innerer und äußerer Zuſammenhang aber bedarf wohl keiner wei- teren Darlegung. Das Rechtsprincip des Enteignungsverfahrens. (Die Enteignung als ein Akt der innern Verwaltung. Enteignungsgeſetz und Enteignungsverordnung. Stellung des Gerichts und ſeiner Thätigkeit. Die rechtliche Natur der Enteignung.) Man darf ohne Bedenken behaupten, daß in wenigen Gebieten der Rechtslehre der Mangel eines ſelbſtändigen Verwaltungsrechts ſo

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/337>, abgerufen am 23.04.2024.