Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

des öffentlichen Nutzens weggelassen und statt dessen sich mit der Fest-
stellung des Organs begnügt, das über das Vorhandensein desselben im
einzelnen Falle zu entscheiden hat. In der preußischen Gesetzgebung
sind bei den verschiedenen Unternehmungen einerseits und den verschie-
denen für das ganze Enteignungswesen geltenden zwölf bis vierzehn
Gesetzgebungen die Competenzen von Fall zu Fall festzustellen (vrgl.
darüber Rönne, Staatsrecht II. §. 91). Thiel kommt zu keiner recht
bestimmten Angabe (S. 76, 77. 96, 97). Was heißt die "Leitung der
Unternehmung" bei ihm? Im Großherzogthum Hessen entscheidet die
Regierungsbehörde, in Kurhessen das Ministerium, im Königreich
Sachsen das Ministerium des Innern, in Baden das Staatsmini-
sterium (Wendt, Expropr. Codex p. 108--149. Häberlin S. 165,
166), in Oesterreich die Statthalterei (Stubenrauch II. S. 722. Eisen-
bahngesetz von 1854). Es scheint uns klar, daß es hier wesentlich an
einem festen Principe mangelt, indem man mehr die Arten und den
Umfang der Unternehmungen, als die Entscheidung über den öffentlichen
Nutzen ins Auge faßt. Gibt es nicht auch einen örtlichen öffentlichen
Nutzen (Straßen-, Wege-, Brückenbau, Gasanlagen etc.) und genügt es
nicht, wenn gegen die Entscheidung der unteren Behörde die Beschwerde
gegen die höhere offen steht? Wir sehen daher kein Bedenken im Princip
der örtlichen Competenz im obigen Sinne aufgefaßt.

2) Die Genehmigung des Enteignungsplanes.

Der Enteignungsplan enthält nun die genaue Angabe der
bestimmten Grundstücke oder Besitzungen, welcher die betreffende Unter-
nehmung für ihre Ausführung wirklich bedarf. Die Genehmigung dieses
Enteignungsplanes ist ihrerseits diejenige Verordnung der Behörde,
durch welche die materielle Nothwendigkeit der Enteignung jener be-
stimmten einzelnen
Güter von der Verwaltung ausgesprochen wird.

Das leitende Princip für diese (verordnende und genehmigende)
Entscheidung der Behörde und mithin die Aufgabe, welche sie dabei zu
erfüllen hat, besteht nun darin, daß erstlich der Umfang dieser Ent-
eignung im Namen des Princips des Privateigenthums so eng als
möglich gezogen, und zweitens darin, daß das Einzelne darin ganz be-
stimmt angegeben werde. Die Verwaltung hat bei der Genehmigung
des Enteignungsplanes daher für jedes einzelne Gut die Frage zu be-
antworten, ob dasselbe für das Entstehen und den Betrieb unum-
gänglich erforderlich
ist. Grundsatz ist daher, daß erstlich nur so
viel Enteignung zugelassen werde, als das Inslebentreten des Betriebes
nach Maßgabe des wahrscheinlichen Umfanges desselben fordert, und

des öffentlichen Nutzens weggelaſſen und ſtatt deſſen ſich mit der Feſt-
ſtellung des Organs begnügt, das über das Vorhandenſein deſſelben im
einzelnen Falle zu entſcheiden hat. In der preußiſchen Geſetzgebung
ſind bei den verſchiedenen Unternehmungen einerſeits und den verſchie-
denen für das ganze Enteignungsweſen geltenden zwölf bis vierzehn
Geſetzgebungen die Competenzen von Fall zu Fall feſtzuſtellen (vrgl.
darüber Rönne, Staatsrecht II. §. 91). Thiel kommt zu keiner recht
beſtimmten Angabe (S. 76, 77. 96, 97). Was heißt die „Leitung der
Unternehmung“ bei ihm? Im Großherzogthum Heſſen entſcheidet die
Regierungsbehörde, in Kurheſſen das Miniſterium, im Königreich
Sachſen das Miniſterium des Innern, in Baden das Staatsmini-
ſterium (Wendt, Expropr. Codex p. 108—149. Häberlin S. 165,
166), in Oeſterreich die Statthalterei (Stubenrauch II. S. 722. Eiſen-
bahngeſetz von 1854). Es ſcheint uns klar, daß es hier weſentlich an
einem feſten Principe mangelt, indem man mehr die Arten und den
Umfang der Unternehmungen, als die Entſcheidung über den öffentlichen
Nutzen ins Auge faßt. Gibt es nicht auch einen örtlichen öffentlichen
Nutzen (Straßen-, Wege-, Brückenbau, Gasanlagen ꝛc.) und genügt es
nicht, wenn gegen die Entſcheidung der unteren Behörde die Beſchwerde
gegen die höhere offen ſteht? Wir ſehen daher kein Bedenken im Princip
der örtlichen Competenz im obigen Sinne aufgefaßt.

2) Die Genehmigung des Enteignungsplanes.

Der Enteignungsplan enthält nun die genaue Angabe der
beſtimmten Grundſtücke oder Beſitzungen, welcher die betreffende Unter-
nehmung für ihre Ausführung wirklich bedarf. Die Genehmigung dieſes
Enteignungsplanes iſt ihrerſeits diejenige Verordnung der Behörde,
durch welche die materielle Nothwendigkeit der Enteignung jener be-
ſtimmten einzelnen
Güter von der Verwaltung ausgeſprochen wird.

Das leitende Princip für dieſe (verordnende und genehmigende)
Entſcheidung der Behörde und mithin die Aufgabe, welche ſie dabei zu
erfüllen hat, beſteht nun darin, daß erſtlich der Umfang dieſer Ent-
eignung im Namen des Princips des Privateigenthums ſo eng als
möglich gezogen, und zweitens darin, daß das Einzelne darin ganz be-
ſtimmt angegeben werde. Die Verwaltung hat bei der Genehmigung
des Enteignungsplanes daher für jedes einzelne Gut die Frage zu be-
antworten, ob daſſelbe für das Entſtehen und den Betrieb unum-
gänglich erforderlich
iſt. Grundſatz iſt daher, daß erſtlich nur ſo
viel Enteignung zugelaſſen werde, als das Inslebentreten des Betriebes
nach Maßgabe des wahrſcheinlichen Umfanges deſſelben fordert, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0345" n="327"/>
des öffentlichen Nutzens weggela&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich mit der Fe&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tellung des Organs begnügt, das über das Vorhanden&#x017F;ein de&#x017F;&#x017F;elben im<lb/>
einzelnen Falle zu ent&#x017F;cheiden hat. In der preußi&#x017F;chen Ge&#x017F;etzgebung<lb/>
&#x017F;ind bei den ver&#x017F;chiedenen Unternehmungen einer&#x017F;eits und den ver&#x017F;chie-<lb/>
denen für das ganze Enteignungswe&#x017F;en geltenden zwölf bis vierzehn<lb/>
Ge&#x017F;etzgebungen die Competenzen von Fall zu Fall fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen (vrgl.<lb/>
darüber <hi rendition="#g">Rönne</hi>, Staatsrecht <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 91). <hi rendition="#g">Thiel</hi> kommt zu keiner recht<lb/>
be&#x017F;timmten Angabe (S. 76, 77. 96, 97). Was heißt die &#x201E;Leitung der<lb/>
Unternehmung&#x201C; bei ihm? Im Großherzogthum <hi rendition="#g">He&#x017F;&#x017F;en</hi> ent&#x017F;cheidet die<lb/>
Regierungsbehörde, in <hi rendition="#g">Kurhe&#x017F;&#x017F;en</hi> das Mini&#x017F;terium, im Königreich<lb/><hi rendition="#g">Sach&#x017F;en</hi> das Mini&#x017F;terium des Innern, in <hi rendition="#g">Baden</hi> das Staatsmini-<lb/>
&#x017F;terium (<hi rendition="#g">Wendt</hi>, <hi rendition="#aq">Expropr. Codex p.</hi> 108&#x2014;149. <hi rendition="#g">Häberlin</hi> S. 165,<lb/>
166), in Oe&#x017F;terreich die Statthalterei (Stubenrauch <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 722. Ei&#x017F;en-<lb/>
bahnge&#x017F;etz von 1854). Es &#x017F;cheint uns klar, daß es hier we&#x017F;entlich an<lb/>
einem fe&#x017F;ten Principe mangelt, indem man mehr die Arten und den<lb/>
Umfang der Unternehmungen, als die Ent&#x017F;cheidung über den öffentlichen<lb/>
Nutzen ins Auge faßt. Gibt es nicht auch einen <hi rendition="#g">örtlichen</hi> öffentlichen<lb/>
Nutzen (Straßen-, Wege-, Brückenbau, Gasanlagen &#xA75B;c.) und genügt es<lb/>
nicht, wenn gegen die Ent&#x017F;cheidung der unteren Behörde die Be&#x017F;chwerde<lb/>
gegen die höhere offen &#x017F;teht? Wir &#x017F;ehen daher kein Bedenken im Princip<lb/>
der örtlichen Competenz im obigen Sinne aufgefaßt.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>2) <hi rendition="#g">Die Genehmigung des Enteignungsplanes</hi>.</head><lb/>
                        <p>Der <hi rendition="#g">Enteignungsplan</hi> enthält nun die genaue Angabe der<lb/>
be&#x017F;timmten Grund&#x017F;tücke oder Be&#x017F;itzungen, welcher die betreffende Unter-<lb/>
nehmung für ihre Ausführung wirklich bedarf. Die Genehmigung die&#x017F;es<lb/>
Enteignungsplanes i&#x017F;t ihrer&#x017F;eits diejenige Verordnung der Behörde,<lb/>
durch welche die materielle Nothwendigkeit der Enteignung jener <hi rendition="#g">be-<lb/>
&#x017F;timmten einzelnen</hi> Güter von der Verwaltung ausge&#x017F;prochen wird.</p><lb/>
                        <p>Das leitende Princip für die&#x017F;e (verordnende und genehmigende)<lb/>
Ent&#x017F;cheidung der Behörde und mithin die Aufgabe, welche &#x017F;ie dabei zu<lb/>
erfüllen hat, be&#x017F;teht nun darin, daß <hi rendition="#g">er&#x017F;tlich</hi> der Umfang die&#x017F;er Ent-<lb/>
eignung im Namen des Princips des Privateigenthums &#x017F;o eng als<lb/>
möglich gezogen, und zweitens darin, daß das Einzelne darin ganz be-<lb/>
&#x017F;timmt angegeben werde. Die Verwaltung hat bei der Genehmigung<lb/>
des Enteignungsplanes daher für jedes einzelne Gut die Frage zu be-<lb/>
antworten, ob da&#x017F;&#x017F;elbe für das Ent&#x017F;tehen und den Betrieb <hi rendition="#g">unum-<lb/>
gänglich erforderlich</hi> i&#x017F;t. Grund&#x017F;atz i&#x017F;t daher, daß er&#x017F;tlich nur &#x017F;o<lb/>
viel Enteignung zugela&#x017F;&#x017F;en werde, als das Inslebentreten des Betriebes<lb/>
nach Maßgabe des wahr&#x017F;cheinlichen Umfanges de&#x017F;&#x017F;elben fordert, und<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0345] des öffentlichen Nutzens weggelaſſen und ſtatt deſſen ſich mit der Feſt- ſtellung des Organs begnügt, das über das Vorhandenſein deſſelben im einzelnen Falle zu entſcheiden hat. In der preußiſchen Geſetzgebung ſind bei den verſchiedenen Unternehmungen einerſeits und den verſchie- denen für das ganze Enteignungsweſen geltenden zwölf bis vierzehn Geſetzgebungen die Competenzen von Fall zu Fall feſtzuſtellen (vrgl. darüber Rönne, Staatsrecht II. §. 91). Thiel kommt zu keiner recht beſtimmten Angabe (S. 76, 77. 96, 97). Was heißt die „Leitung der Unternehmung“ bei ihm? Im Großherzogthum Heſſen entſcheidet die Regierungsbehörde, in Kurheſſen das Miniſterium, im Königreich Sachſen das Miniſterium des Innern, in Baden das Staatsmini- ſterium (Wendt, Expropr. Codex p. 108—149. Häberlin S. 165, 166), in Oeſterreich die Statthalterei (Stubenrauch II. S. 722. Eiſen- bahngeſetz von 1854). Es ſcheint uns klar, daß es hier weſentlich an einem feſten Principe mangelt, indem man mehr die Arten und den Umfang der Unternehmungen, als die Entſcheidung über den öffentlichen Nutzen ins Auge faßt. Gibt es nicht auch einen örtlichen öffentlichen Nutzen (Straßen-, Wege-, Brückenbau, Gasanlagen ꝛc.) und genügt es nicht, wenn gegen die Entſcheidung der unteren Behörde die Beſchwerde gegen die höhere offen ſteht? Wir ſehen daher kein Bedenken im Princip der örtlichen Competenz im obigen Sinne aufgefaßt. 2) Die Genehmigung des Enteignungsplanes. Der Enteignungsplan enthält nun die genaue Angabe der beſtimmten Grundſtücke oder Beſitzungen, welcher die betreffende Unter- nehmung für ihre Ausführung wirklich bedarf. Die Genehmigung dieſes Enteignungsplanes iſt ihrerſeits diejenige Verordnung der Behörde, durch welche die materielle Nothwendigkeit der Enteignung jener be- ſtimmten einzelnen Güter von der Verwaltung ausgeſprochen wird. Das leitende Princip für dieſe (verordnende und genehmigende) Entſcheidung der Behörde und mithin die Aufgabe, welche ſie dabei zu erfüllen hat, beſteht nun darin, daß erſtlich der Umfang dieſer Ent- eignung im Namen des Princips des Privateigenthums ſo eng als möglich gezogen, und zweitens darin, daß das Einzelne darin ganz be- ſtimmt angegeben werde. Die Verwaltung hat bei der Genehmigung des Enteignungsplanes daher für jedes einzelne Gut die Frage zu be- antworten, ob daſſelbe für das Entſtehen und den Betrieb unum- gänglich erforderlich iſt. Grundſatz iſt daher, daß erſtlich nur ſo viel Enteignung zugelaſſen werde, als das Inslebentreten des Betriebes nach Maßgabe des wahrſcheinlichen Umfanges deſſelben fordert, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/345
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/345>, abgerufen am 28.03.2024.