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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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auferlegt werden dürfen (vgl. Thiel zum französischen und schweizerischen
Expropriationsgesetz, sowie die preußischen Bestimmungen S. 129 ff.).
Davon sollten jedoch die Arbeiten und Veränderungen des regelmäßigen
wirthschaftlichen Betriebes ausgenommen sein, außer dem was Thiel
(S. 130) mit Recht bemerkt.

3) Der Enteignungsspruch und der Uebergang des Eigenthums.

Der dritte Akt in der Enteignung ist nun der Ausspruch, durch
welchen, nach festgestelltem Detailplan, das Einzeleigenthum an dem
bestimmten Gute wirklich aufgehoben und dem Unternehmer übertragen
wird. Die beiden Rechtsverhältnisse, auf die es dabei ankommt, sind
die Sicherung der Entschädigung und die Competenz zum Enteignungs-
spruch.

Was zunächst die Frage betrifft, ob die Entschädigung bereits ge-
leistet
sein muß, ehe die wirkliche Enteignung stattfindet, so war das
erste Gefühl, das die Gesetzgebung bei der Entstehung der Enteignung
als einer regelmäßigen Aufgabe hatte, daß die Leistung der Entschädi-
gung der Enteignung voraufgehen müsse -- die indemnite prealable
der droits de l'homme. Das praktische Leben zeigte bald die Schwierig-
keiten, die damit verbunden sind, während andrerseits die völlige Sicher-
heit der wirklichen Entschädigung denn doch eine der Hauptbedingungen
aller Enteignung bleiben muß. Das französische Recht entschied diese
Frage in einer, wie wir glauben, nicht richtigen Weise. Es macht
zunächst die Enteignung von der Entschädigung unabhängig, indem
das Jugement d'expropriation der Detailplans-Genehmigung folgt,
und die Verwaltung nur die Pflicht hat, binnen 6 Monaten die Ent-
schädigungsfrage zu Ende zu führen (T. V, Art. 55). Ist vorher die
Entschädigung entschieden, so soll der Betrag vor der Besitzanweisung
gezahlt werden (Art. 53). Natürlich hat das den Uebelstand, daß unter
Umständen, wenn der Enteigner zahlungsunfähig wird, nachdem er schon
Eigenthum erworben hat, der Enteignete auf einen Proceß mit ihm
angewiesen ist. Das englische Recht schickt gleichfalls nicht bloß die
Bestimmung der Entschädigungssumme, sondern auch die wirkliche Be-
zahlung derselben der Enteignung vorauf, und zwar mit derselben Be-
stimmung, wie das französische Recht, daß die Deposition bei verweigerter
Annahme genüge (s'ils se refusent a les recevoir, la prise de possession
aura lieu apres offres et consignation. Art.
53). Nach der Lands Clauses
Act
haben die promoters zuerst den ganzen Betrag der Entschädigung
in die Bank zu geben, nachdem man sich über dieselben einig geworden
(agreed) oder dieselbe durch Schätzung festgestellt ist (awarded, s. unten).

auferlegt werden dürfen (vgl. Thiel zum franzöſiſchen und ſchweizeriſchen
Expropriationsgeſetz, ſowie die preußiſchen Beſtimmungen S. 129 ff.).
Davon ſollten jedoch die Arbeiten und Veränderungen des regelmäßigen
wirthſchaftlichen Betriebes ausgenommen ſein, außer dem was Thiel
(S. 130) mit Recht bemerkt.

3) Der Enteignungsſpruch und der Uebergang des Eigenthums.

Der dritte Akt in der Enteignung iſt nun der Ausſpruch, durch
welchen, nach feſtgeſtelltem Detailplan, das Einzeleigenthum an dem
beſtimmten Gute wirklich aufgehoben und dem Unternehmer übertragen
wird. Die beiden Rechtsverhältniſſe, auf die es dabei ankommt, ſind
die Sicherung der Entſchädigung und die Competenz zum Enteignungs-
ſpruch.

Was zunächſt die Frage betrifft, ob die Entſchädigung bereits ge-
leiſtet
ſein muß, ehe die wirkliche Enteignung ſtattfindet, ſo war das
erſte Gefühl, das die Geſetzgebung bei der Entſtehung der Enteignung
als einer regelmäßigen Aufgabe hatte, daß die Leiſtung der Entſchädi-
gung der Enteignung voraufgehen müſſe — die indemnité préalable
der droits de l’homme. Das praktiſche Leben zeigte bald die Schwierig-
keiten, die damit verbunden ſind, während andrerſeits die völlige Sicher-
heit der wirklichen Entſchädigung denn doch eine der Hauptbedingungen
aller Enteignung bleiben muß. Das franzöſiſche Recht entſchied dieſe
Frage in einer, wie wir glauben, nicht richtigen Weiſe. Es macht
zunächſt die Enteignung von der Entſchädigung unabhängig, indem
das Jugement d’expropriation der Detailplans-Genehmigung folgt,
und die Verwaltung nur die Pflicht hat, binnen 6 Monaten die Ent-
ſchädigungsfrage zu Ende zu führen (T. V, Art. 55). Iſt vorher die
Entſchädigung entſchieden, ſo ſoll der Betrag vor der Beſitzanweiſung
gezahlt werden (Art. 53). Natürlich hat das den Uebelſtand, daß unter
Umſtänden, wenn der Enteigner zahlungsunfähig wird, nachdem er ſchon
Eigenthum erworben hat, der Enteignete auf einen Proceß mit ihm
angewieſen iſt. Das engliſche Recht ſchickt gleichfalls nicht bloß die
Beſtimmung der Entſchädigungsſumme, ſondern auch die wirkliche Be-
zahlung derſelben der Enteignung vorauf, und zwar mit derſelben Be-
ſtimmung, wie das franzöſiſche Recht, daß die Depoſition bei verweigerter
Annahme genüge (s’ils se refusent à les recevoir, la prise de possession
aura lieu après offres et consignation. Art.
53). Nach der Lands Clauses
Act
haben die promoters zuerſt den ganzen Betrag der Entſchädigung
in die Bank zu geben, nachdem man ſich über dieſelben einig geworden
(agreed) oder dieſelbe durch Schätzung feſtgeſtellt iſt (awarded, ſ. unten).

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[332/0350] auferlegt werden dürfen (vgl. Thiel zum franzöſiſchen und ſchweizeriſchen Expropriationsgeſetz, ſowie die preußiſchen Beſtimmungen S. 129 ff.). Davon ſollten jedoch die Arbeiten und Veränderungen des regelmäßigen wirthſchaftlichen Betriebes ausgenommen ſein, außer dem was Thiel (S. 130) mit Recht bemerkt. 3) Der Enteignungsſpruch und der Uebergang des Eigenthums. Der dritte Akt in der Enteignung iſt nun der Ausſpruch, durch welchen, nach feſtgeſtelltem Detailplan, das Einzeleigenthum an dem beſtimmten Gute wirklich aufgehoben und dem Unternehmer übertragen wird. Die beiden Rechtsverhältniſſe, auf die es dabei ankommt, ſind die Sicherung der Entſchädigung und die Competenz zum Enteignungs- ſpruch. Was zunächſt die Frage betrifft, ob die Entſchädigung bereits ge- leiſtet ſein muß, ehe die wirkliche Enteignung ſtattfindet, ſo war das erſte Gefühl, das die Geſetzgebung bei der Entſtehung der Enteignung als einer regelmäßigen Aufgabe hatte, daß die Leiſtung der Entſchädi- gung der Enteignung voraufgehen müſſe — die indemnité préalable der droits de l’homme. Das praktiſche Leben zeigte bald die Schwierig- keiten, die damit verbunden ſind, während andrerſeits die völlige Sicher- heit der wirklichen Entſchädigung denn doch eine der Hauptbedingungen aller Enteignung bleiben muß. Das franzöſiſche Recht entſchied dieſe Frage in einer, wie wir glauben, nicht richtigen Weiſe. Es macht zunächſt die Enteignung von der Entſchädigung unabhängig, indem das Jugement d’expropriation der Detailplans-Genehmigung folgt, und die Verwaltung nur die Pflicht hat, binnen 6 Monaten die Ent- ſchädigungsfrage zu Ende zu führen (T. V, Art. 55). Iſt vorher die Entſchädigung entſchieden, ſo ſoll der Betrag vor der Beſitzanweiſung gezahlt werden (Art. 53). Natürlich hat das den Uebelſtand, daß unter Umſtänden, wenn der Enteigner zahlungsunfähig wird, nachdem er ſchon Eigenthum erworben hat, der Enteignete auf einen Proceß mit ihm angewieſen iſt. Das engliſche Recht ſchickt gleichfalls nicht bloß die Beſtimmung der Entſchädigungsſumme, ſondern auch die wirkliche Be- zahlung derſelben der Enteignung vorauf, und zwar mit derſelben Be- ſtimmung, wie das franzöſiſche Recht, daß die Depoſition bei verweigerter Annahme genüge (s’ils se refusent à les recevoir, la prise de possession aura lieu après offres et consignation. Art. 53). Nach der Lands Clauses Act haben die promoters zuerſt den ganzen Betrag der Entſchädigung in die Bank zu geben, nachdem man ſich über dieſelben einig geworden (agreed) oder dieſelbe durch Schätzung feſtgeſtellt iſt (awarded, ſ. unten).

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/350>, abgerufen am 19.04.2024.