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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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vom Amte verständigt, mit dem Bedeuten, daß er den betreffenden
Betrag gegen Quittung in Empfang nehmen könne. Diese Quittung
wird dem Grundbuch beigelegt, und die Schuld um diesen Betrag ver-
mindert erklärt. Auf diesem Wege ist jedes Recht und jedes Interesse
gesichert.

Das Staatsnothrecht.
I. Wesen desselben.

Den Schluß des ganzen Entwährungswesens bildet nun dasjenige,
was wir das Staatsnothrecht nennen, und bei welchem es, im
Hinblicke auf das bisher Dargestellte, wesentlich nur noch auf genaue
Bestimmung des Begriffes selbst ankommt, da hier weder neue Princi-
pien noch neue Rechtsbegriffe eintreten.

Das Staatsnothrecht ist seinem formalen Begriffe nach das Recht des
Staats, die Enteignung im kurzen Wege da vorzunehmen, wo die
Verfügung über ein bestimmtes Gut durch ein plötzliches, unabweis-
bares, und durch nichts anderes zu befriedigendes Bedürfniß des Staats
gefordert wird.

Der Begriff des Staatsnothrechts entsteht nun gleichzeitig mit dem
Begriffe des Staates selbst, und wird mit zwei Worten bezeichnet, welche
gleich anfangs die beiden Hauptrichtungen bedeuten, in denen aus der
Noth des Staats demselben das Recht entsteht, in die öffentliche Ordnung
einzugreifen. Das erste ist die summa potestas, auch oft mit impe-
rium
gleichbedeutend genommen, das zweite ist das jus eminens. Die
summa potestas bedeutet das Recht des Staatsoberhaupts, im Namen
der höchsten Staatsgewalt und ihren unabweisbaren Anforderungen das
bestehende öffentliche Recht zu ändern. Das jus eminens dagegen
enthält von Anfang an die Fälle, wo der Staat im Namen der Noth in
das Privateigenthum hineingreift. Allerdings sind im 17. Jahrhundert
diese beiden Begriffe und Verhältnisse eben so wenig klar, als sie es noch
jetzt sind; doch hat schon Hugo Grotius den Grund zu derjenigen
Unterscheidung gelegt, welche diesem Gebiete seine Selbständigkeit im
öffentlichen Recht hätte sichern sollen, wenn die folgenden Verhältnisse
überhaupt eine weitere Untersuchung zugelassen hätten. Das ist die Unter-
scheidung des jus eminens vom dominium eminens oder dominium
supremum,
das wir oben dargestellt haben. Während nämlich das letztere
aus dem positiven Rechtsverhältnisse eines wirklich bestehenden Ober-
eigenthums
das Recht der Staatsgewalt als Oberlehensherrn her-
leiten will, geht daneben schon Hugo Grotius auf den Begriff der
Noth ein und legt bei "certum periculum" des Staats, und der daraus

vom Amte verſtändigt, mit dem Bedeuten, daß er den betreffenden
Betrag gegen Quittung in Empfang nehmen könne. Dieſe Quittung
wird dem Grundbuch beigelegt, und die Schuld um dieſen Betrag ver-
mindert erklärt. Auf dieſem Wege iſt jedes Recht und jedes Intereſſe
geſichert.

Das Staatsnothrecht.
I. Weſen deſſelben.

Den Schluß des ganzen Entwährungsweſens bildet nun dasjenige,
was wir das Staatsnothrecht nennen, und bei welchem es, im
Hinblicke auf das bisher Dargeſtellte, weſentlich nur noch auf genaue
Beſtimmung des Begriffes ſelbſt ankommt, da hier weder neue Princi-
pien noch neue Rechtsbegriffe eintreten.

Das Staatsnothrecht iſt ſeinem formalen Begriffe nach das Recht des
Staats, die Enteignung im kurzen Wege da vorzunehmen, wo die
Verfügung über ein beſtimmtes Gut durch ein plötzliches, unabweis-
bares, und durch nichts anderes zu befriedigendes Bedürfniß des Staats
gefordert wird.

Der Begriff des Staatsnothrechts entſteht nun gleichzeitig mit dem
Begriffe des Staates ſelbſt, und wird mit zwei Worten bezeichnet, welche
gleich anfangs die beiden Hauptrichtungen bedeuten, in denen aus der
Noth des Staats demſelben das Recht entſteht, in die öffentliche Ordnung
einzugreifen. Das erſte iſt die summa potestas, auch oft mit impe-
rium
gleichbedeutend genommen, das zweite iſt das jus eminens. Die
summa potestas bedeutet das Recht des Staatsoberhaupts, im Namen
der höchſten Staatsgewalt und ihren unabweisbaren Anforderungen das
beſtehende öffentliche Recht zu ändern. Das jus eminens dagegen
enthält von Anfang an die Fälle, wo der Staat im Namen der Noth in
das Privateigenthum hineingreift. Allerdings ſind im 17. Jahrhundert
dieſe beiden Begriffe und Verhältniſſe eben ſo wenig klar, als ſie es noch
jetzt ſind; doch hat ſchon Hugo Grotius den Grund zu derjenigen
Unterſcheidung gelegt, welche dieſem Gebiete ſeine Selbſtändigkeit im
öffentlichen Recht hätte ſichern ſollen, wenn die folgenden Verhältniſſe
überhaupt eine weitere Unterſuchung zugelaſſen hätten. Das iſt die Unter-
ſcheidung des jus eminens vom dominium eminens oder dominium
supremum,
das wir oben dargeſtellt haben. Während nämlich das letztere
aus dem poſitiven Rechtsverhältniſſe eines wirklich beſtehenden Ober-
eigenthums
das Recht der Staatsgewalt als Oberlehensherrn her-
leiten will, geht daneben ſchon Hugo Grotius auf den Begriff der
Noth ein und legt bei „certum periculum“ des Staats, und der daraus

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[342/0360] vom Amte verſtändigt, mit dem Bedeuten, daß er den betreffenden Betrag gegen Quittung in Empfang nehmen könne. Dieſe Quittung wird dem Grundbuch beigelegt, und die Schuld um dieſen Betrag ver- mindert erklärt. Auf dieſem Wege iſt jedes Recht und jedes Intereſſe geſichert. Das Staatsnothrecht. I. Weſen deſſelben. Den Schluß des ganzen Entwährungsweſens bildet nun dasjenige, was wir das Staatsnothrecht nennen, und bei welchem es, im Hinblicke auf das bisher Dargeſtellte, weſentlich nur noch auf genaue Beſtimmung des Begriffes ſelbſt ankommt, da hier weder neue Princi- pien noch neue Rechtsbegriffe eintreten. Das Staatsnothrecht iſt ſeinem formalen Begriffe nach das Recht des Staats, die Enteignung im kurzen Wege da vorzunehmen, wo die Verfügung über ein beſtimmtes Gut durch ein plötzliches, unabweis- bares, und durch nichts anderes zu befriedigendes Bedürfniß des Staats gefordert wird. Der Begriff des Staatsnothrechts entſteht nun gleichzeitig mit dem Begriffe des Staates ſelbſt, und wird mit zwei Worten bezeichnet, welche gleich anfangs die beiden Hauptrichtungen bedeuten, in denen aus der Noth des Staats demſelben das Recht entſteht, in die öffentliche Ordnung einzugreifen. Das erſte iſt die summa potestas, auch oft mit impe- rium gleichbedeutend genommen, das zweite iſt das jus eminens. Die summa potestas bedeutet das Recht des Staatsoberhaupts, im Namen der höchſten Staatsgewalt und ihren unabweisbaren Anforderungen das beſtehende öffentliche Recht zu ändern. Das jus eminens dagegen enthält von Anfang an die Fälle, wo der Staat im Namen der Noth in das Privateigenthum hineingreift. Allerdings ſind im 17. Jahrhundert dieſe beiden Begriffe und Verhältniſſe eben ſo wenig klar, als ſie es noch jetzt ſind; doch hat ſchon Hugo Grotius den Grund zu derjenigen Unterſcheidung gelegt, welche dieſem Gebiete ſeine Selbſtändigkeit im öffentlichen Recht hätte ſichern ſollen, wenn die folgenden Verhältniſſe überhaupt eine weitere Unterſuchung zugelaſſen hätten. Das iſt die Unter- ſcheidung des jus eminens vom dominium eminens oder dominium supremum, das wir oben dargeſtellt haben. Während nämlich das letztere aus dem poſitiven Rechtsverhältniſſe eines wirklich beſtehenden Ober- eigenthums das Recht der Staatsgewalt als Oberlehensherrn her- leiten will, geht daneben ſchon Hugo Grotius auf den Begriff der Noth ein und legt bei „certum periculum“ des Staats, und der daraus

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/360>, abgerufen am 19.04.2024.