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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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an sich ausschließt. (Vergl. oben die Darstellung des dominium eminens.)
Noch verkehrter ist es, wenn man mit Bischof (S. 73) dieß dominium
eminens
mit dem jus eminens, dem Staatsnothrecht, oder gar mit dem
alten Verordnungsrecht, der plenitudo summae potestatis zusammenstellt.
Wir werden später Gelegenheit haben, auf die letzteren zurückzukommen.
Die Enteignung beginnt erst da, wo nicht mehr die Krone und der Ein-
zelne, sondern der Staat als Einzelner dem Einzelnen in Beziehung auf
einen öffentlichen Zweck entgegen tritt. Und eben deßhalb ist das Auftreten
der Idee der Enteignung auch von Anfang an mit dem Princip der Ent-
schädigung verbunden, was bei dem dominium eminens nicht der Fall ist.
Das Gebiet nun, auf welchem in diesem Sinne zuerst die Enteignung auf-
tritt, ist das der Regalität, und zwar speciell das Bergwerksregal.
Es ist nun allerdings klar, daß das Eigenthum des Staats an den
Gütern unter der Erde nicht das Eigenthum an denjenigen Grund-
stücken enthält, welche den Zugang und Abbau jener Güter möglich
machen; das dominium der ersteren gibt daher kein dominium an den
letzteren, und die Regalität des Bergbaues enthält daher an sich eben
so wenig ein Recht auf Enteignung der Grundbesitzer in der Lehnszeit,
als dieß im römischen Recht je der Fall war. Aber hier ließ das
Recht auf den ersteren stillschweigend das Recht zur letzteren als selbst-
verständlich entstehen, ohne daß man sich über diesen Bruch des Privat-
eigenthums Rechenschaft ablegte. Im Bergwerksregal erscheint daher
der erste Sieg, den das volkswirthschaftliche Unternehmen über das
Einzeleigenthum davon trägt; die erste Rechtsbildung der staatsbürger-
lichen Gesellschaft. Bergwerke können nicht betrieben werden, ohne eine
Enteignung der Besitzer der Oberfläche. So wie daher das Bergwerks-
regal die Gestalt eines öffentlichen Rechts der Montan-Unternehmungen
annimmt, entsteht auch der öffentlich rechtliche Grundsatz, daß der "Grub-
meister" den Besitzer in so weit enteignen dürfe, als er dieses Besitzes für
den Bergbau unbedingt bedarf; speciell darf er Wege anlegen und Holz
nehmen für seine Zwecke gegen Entschädigung. Dieser Grundsatz tritt
schon im 14. Jahrhundert in einzelnen Fällen auf, und wird dann mit
dem 15. und 16. zu einem ziemlich allgemeinen Princip des deutschen
Rechts. Wagner in seinem Corpus juris metallici hat dieß zuerst be-
merkt (Vorrede S. XI.) und Häberlin hat aus Wagners Samm-
lung den Grundsatz nachgewiesen, daß, da man den Bergbau selbst,
wenn er von Privatpersonen ausgeübt ward, "vermöge seines öffent-
lichen Nutzens als eine öffentliche Angelegenheit ansah" (S. 8) dem-
gemäß "vermöge der Regalität der Bergwerke jeder Grundbesitzer ver-
pflichtet war, den zum eigentlichen Grubenbau nöthigen Grund und
Boden abzutreten" (S. 28), ein Satz, der sich dann gleichsam als selbst-

an ſich ausſchließt. (Vergl. oben die Darſtellung des dominium eminens.)
Noch verkehrter iſt es, wenn man mit Biſchof (S. 73) dieß dominium
eminens
mit dem jus eminens, dem Staatsnothrecht, oder gar mit dem
alten Verordnungsrecht, der plenitudo summae potestatis zuſammenſtellt.
Wir werden ſpäter Gelegenheit haben, auf die letzteren zurückzukommen.
Die Enteignung beginnt erſt da, wo nicht mehr die Krone und der Ein-
zelne, ſondern der Staat als Einzelner dem Einzelnen in Beziehung auf
einen öffentlichen Zweck entgegen tritt. Und eben deßhalb iſt das Auftreten
der Idee der Enteignung auch von Anfang an mit dem Princip der Ent-
ſchädigung verbunden, was bei dem dominium eminens nicht der Fall iſt.
Das Gebiet nun, auf welchem in dieſem Sinne zuerſt die Enteignung auf-
tritt, iſt das der Regalität, und zwar ſpeciell das Bergwerksregal.
Es iſt nun allerdings klar, daß das Eigenthum des Staats an den
Gütern unter der Erde nicht das Eigenthum an denjenigen Grund-
ſtücken enthält, welche den Zugang und Abbau jener Güter möglich
machen; das dominium der erſteren gibt daher kein dominium an den
letzteren, und die Regalität des Bergbaues enthält daher an ſich eben
ſo wenig ein Recht auf Enteignung der Grundbeſitzer in der Lehnszeit,
als dieß im römiſchen Recht je der Fall war. Aber hier ließ das
Recht auf den erſteren ſtillſchweigend das Recht zur letzteren als ſelbſt-
verſtändlich entſtehen, ohne daß man ſich über dieſen Bruch des Privat-
eigenthums Rechenſchaft ablegte. Im Bergwerksregal erſcheint daher
der erſte Sieg, den das volkswirthſchaftliche Unternehmen über das
Einzeleigenthum davon trägt; die erſte Rechtsbildung der ſtaatsbürger-
lichen Geſellſchaft. Bergwerke können nicht betrieben werden, ohne eine
Enteignung der Beſitzer der Oberfläche. So wie daher das Bergwerks-
regal die Geſtalt eines öffentlichen Rechts der Montan-Unternehmungen
annimmt, entſteht auch der öffentlich rechtliche Grundſatz, daß der „Grub-
meiſter“ den Beſitzer in ſo weit enteignen dürfe, als er dieſes Beſitzes für
den Bergbau unbedingt bedarf; ſpeciell darf er Wege anlegen und Holz
nehmen für ſeine Zwecke gegen Entſchädigung. Dieſer Grundſatz tritt
ſchon im 14. Jahrhundert in einzelnen Fällen auf, und wird dann mit
dem 15. und 16. zu einem ziemlich allgemeinen Princip des deutſchen
Rechts. Wagner in ſeinem Corpus juris metallici hat dieß zuerſt be-
merkt (Vorrede S. XI.) und Häberlin hat aus Wagners Samm-
lung den Grundſatz nachgewieſen, daß, da man den Bergbau ſelbſt,
wenn er von Privatperſonen ausgeübt ward, „vermöge ſeines öffent-
lichen Nutzens als eine öffentliche Angelegenheit anſah“ (S. 8) dem-
gemäß „vermöge der Regalität der Bergwerke jeder Grundbeſitzer ver-
pflichtet war, den zum eigentlichen Grubenbau nöthigen Grund und
Boden abzutreten“ (S. 28), ein Satz, der ſich dann gleichſam als ſelbſt-

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[302/0320] an ſich ausſchließt. (Vergl. oben die Darſtellung des dominium eminens.) Noch verkehrter iſt es, wenn man mit Biſchof (S. 73) dieß dominium eminens mit dem jus eminens, dem Staatsnothrecht, oder gar mit dem alten Verordnungsrecht, der plenitudo summae potestatis zuſammenſtellt. Wir werden ſpäter Gelegenheit haben, auf die letzteren zurückzukommen. Die Enteignung beginnt erſt da, wo nicht mehr die Krone und der Ein- zelne, ſondern der Staat als Einzelner dem Einzelnen in Beziehung auf einen öffentlichen Zweck entgegen tritt. Und eben deßhalb iſt das Auftreten der Idee der Enteignung auch von Anfang an mit dem Princip der Ent- ſchädigung verbunden, was bei dem dominium eminens nicht der Fall iſt. Das Gebiet nun, auf welchem in dieſem Sinne zuerſt die Enteignung auf- tritt, iſt das der Regalität, und zwar ſpeciell das Bergwerksregal. Es iſt nun allerdings klar, daß das Eigenthum des Staats an den Gütern unter der Erde nicht das Eigenthum an denjenigen Grund- ſtücken enthält, welche den Zugang und Abbau jener Güter möglich machen; das dominium der erſteren gibt daher kein dominium an den letzteren, und die Regalität des Bergbaues enthält daher an ſich eben ſo wenig ein Recht auf Enteignung der Grundbeſitzer in der Lehnszeit, als dieß im römiſchen Recht je der Fall war. Aber hier ließ das Recht auf den erſteren ſtillſchweigend das Recht zur letzteren als ſelbſt- verſtändlich entſtehen, ohne daß man ſich über dieſen Bruch des Privat- eigenthums Rechenſchaft ablegte. Im Bergwerksregal erſcheint daher der erſte Sieg, den das volkswirthſchaftliche Unternehmen über das Einzeleigenthum davon trägt; die erſte Rechtsbildung der ſtaatsbürger- lichen Geſellſchaft. Bergwerke können nicht betrieben werden, ohne eine Enteignung der Beſitzer der Oberfläche. So wie daher das Bergwerks- regal die Geſtalt eines öffentlichen Rechts der Montan-Unternehmungen annimmt, entſteht auch der öffentlich rechtliche Grundſatz, daß der „Grub- meiſter“ den Beſitzer in ſo weit enteignen dürfe, als er dieſes Beſitzes für den Bergbau unbedingt bedarf; ſpeciell darf er Wege anlegen und Holz nehmen für ſeine Zwecke gegen Entſchädigung. Dieſer Grundſatz tritt ſchon im 14. Jahrhundert in einzelnen Fällen auf, und wird dann mit dem 15. und 16. zu einem ziemlich allgemeinen Princip des deutſchen Rechts. Wagner in ſeinem Corpus juris metallici hat dieß zuerſt be- merkt (Vorrede S. XI.) und Häberlin hat aus Wagners Samm- lung den Grundſatz nachgewieſen, daß, da man den Bergbau ſelbſt, wenn er von Privatperſonen ausgeübt ward, „vermöge ſeines öffent- lichen Nutzens als eine öffentliche Angelegenheit anſah“ (S. 8) dem- gemäß „vermöge der Regalität der Bergwerke jeder Grundbeſitzer ver- pflichtet war, den zum eigentlichen Grubenbau nöthigen Grund und Boden abzutreten“ (S. 28), ein Satz, der ſich dann gleichſam als ſelbſt-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/320>, abgerufen am 23.04.2024.