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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Dort befanden sich an den Wandpfosten mehrfach Tierfiguren eingeschnitzt und
schwarz bemalt; an den Querbalken entdeckten wir eine ganze Reihe von geome-
trischen Figuren. Die Künstler hatten grosse Freude darüber, dass wir uns für
ihre Werke interessierten, wurden nicht müde, uns zu jedem Winkel zu führen,
wo vielleicht noch eine Zeichnung vorhanden war und bekundeten viele Genug-
thuung, dass Wilhelm sie in sein Skizzenbuch abkonterfeite.

Im Auetödorf herrschte reger Fremdenverkehr. Wir trafen dort Waura,
Yaulapiti, Kamayura, Mehinaku, einen Bakairi vom vierten Dorf des Batovy
und bei unserem späteren Aufenthalt auch noch Vertreter fast aller Haupt-
stämme. Auch trieben sich dort Trumai umher, die wir aber nicht zu Gesicht
bekamen, da sie sich in Erinnerung an unsere Begegnung von anno 1884 ängstlich
vor uns verbargen. Unmittelbar bei dem Auetödorfe beginnt das Netz von Kanälen
und Lagunen, das sich bis zu der Vereinigung der Hauptquellflüsse erstreckt und
die dort wohnenden Stämme verbindet. Die Auetö haben also ausser dem Fluss-
hafen an dem Kulisehu, wo wir an Land gestiegen waren, beim Dorfe selbst
noch einen Hafen, der dem Kanalnetz angehört. So stehen sie auf dem Wasser-
wege in Verkehr mit den Yaulapiti und den Trumai. Mit Einschaltung kleiner Land-
strecken konnte man auf den Kanälen und Lagunen auch zu den Mehinaku, den
Kamayura und den Waura gelangen. Vom Auetödorf sind denn auch unsere
Exkursionen zu den Yaulapiti und Kamayura sowie zu den Trumai gemacht
worden. Leider haben wir uns bei der gedrängten Zeit versagen müssen, die
am weitesten entfernten Waura zu besuchen.

Die Waura müssen in dem Winkel zwischen Batovy und Kulisehu sitzen,
aber jenem bedeutend näher. Die Kustenau hatten uns 1884 ihren Namen ein-
dringlich genannt, doch waren wir uns unklar geblieben, ob er wirklich einen Volks-
stamm bezeichne, und lernten erst jetzt am Kulisehu, dass einige von uns im
untersten Teil des Batovy bemerkte Fischfallen den Waura gehörten. Bei den
Auetö haben wir mehrere Individuen des Stammes gesehen, und sie gemessen,
sowie sprachlich aufgenommen; sie sind den Mehinaku und Kustenau auf das
allernächste verwandt. Ein Waura versprach uns, während wir zu den Kamayura
gingen, Töpfe und Masken zu besorgen, die wir bei der Rückkehr in das Auetö-
dorf vorfinden sollten. Er that uns aber den Schmerz an und blieb aus.

Die drei Waura im Auetödorf waren schmucke, stramme Burschen; sie
führten am zweiten Tage unseres Aufenthalts mit den Auetö eine Art Ringkampf
auf, der jedenfalls nicht zu unseren Ehren stattfand, sondern rein zufällig in die
Zeit unserer Anwesenheit fiel. Auch ein Yaulapiti beteiligte sich an demselben.
Die Kämpfer, immer Mitglieder verschiedener Stämme, traten paarweise vor,
den Körper teils mit gelbrotem Uruku, teils mit schwarzer Farbe eingeölt. Sie
hockten nieder, griffen eine Handvoll Sand auf, und die Arme herabhängend, be-
wegten sie sich in tiefer Hockstellung unter grosser Geschwindigkeit mehrmals in
engem Kreise umeinander, massen sich mit bitterbösen Blicken und stiessen drohende
"huuha! huuha!" gegeneinander aus. Dann schnellte der Eine seine rechte Hand

Dort befanden sich an den Wandpfosten mehrfach Tierfiguren eingeschnitzt und
schwarz bemalt; an den Querbalken entdeckten wir eine ganze Reihe von geome-
trischen Figuren. Die Künstler hatten grosse Freude darüber, dass wir uns für
ihre Werke interessierten, wurden nicht müde, uns zu jedem Winkel zu führen,
wo vielleicht noch eine Zeichnung vorhanden war und bekundeten viele Genug-
thuung, dass Wilhelm sie in sein Skizzenbuch abkonterfeite.

Im Auetö́dorf herrschte reger Fremdenverkehr. Wir trafen dort Waurá,
Yaulapiti, Kamayurá, Mehinakú, einen Bakaïrí vom vierten Dorf des Batovy
und bei unserem späteren Aufenthalt auch noch Vertreter fast aller Haupt-
stämme. Auch trieben sich dort Trumaí umher, die wir aber nicht zu Gesicht
bekamen, da sie sich in Erinnerung an unsere Begegnung von anno 1884 ängstlich
vor uns verbargen. Unmittelbar bei dem Auetö́dorfe beginnt das Netz von Kanälen
und Lagunen, das sich bis zu der Vereinigung der Hauptquellflüsse erstreckt und
die dort wohnenden Stämme verbindet. Die Auetö́ haben also ausser dem Fluss-
hafen an dem Kulisehu, wo wir an Land gestiegen waren, beim Dorfe selbst
noch einen Hafen, der dem Kanalnetz angehört. So stehen sie auf dem Wasser-
wege in Verkehr mit den Yaulapiti und den Trumaí. Mit Einschaltung kleiner Land-
strecken konnte man auf den Kanälen und Lagunen auch zu den Mehinakú, den
Kamayurá und den Waurá gelangen. Vom Auetö́dorf sind denn auch unsere
Exkursionen zu den Yaulapiti und Kamayurá sowie zu den Trumaí gemacht
worden. Leider haben wir uns bei der gedrängten Zeit versagen müssen, die
am weitesten entfernten Waurá zu besuchen.

Die Waurá müssen in dem Winkel zwischen Batovy und Kulisehu sitzen,
aber jenem bedeutend näher. Die Kustenaú hatten uns 1884 ihren Namen ein-
dringlich genannt, doch waren wir uns unklar geblieben, ob er wirklich einen Volks-
stamm bezeichne, und lernten erst jetzt am Kulisehu, dass einige von uns im
untersten Teil des Batovy bemerkte Fischfallen den Waurá gehörten. Bei den
Auetö́ haben wir mehrere Individuen des Stammes gesehen, und sie gemessen,
sowie sprachlich aufgenommen; sie sind den Mehinakú und Kustenaú auf das
allernächste verwandt. Ein Waurá versprach uns, während wir zu den Kamayurá
gingen, Töpfe und Masken zu besorgen, die wir bei der Rückkehr in das Auetö́-
dorf vorfinden sollten. Er that uns aber den Schmerz an und blieb aus.

Die drei Waurá im Auetö́dorf waren schmucke, stramme Burschen; sie
führten am zweiten Tage unseres Aufenthalts mit den Auetö́ eine Art Ringkampf
auf, der jedenfalls nicht zu unseren Ehren stattfand, sondern rein zufällig in die
Zeit unserer Anwesenheit fiel. Auch ein Yaulapiti beteiligte sich an demselben.
Die Kämpfer, immer Mitglieder verschiedener Stämme, traten paarweise vor,
den Körper teils mit gelbrotem Urukú, teils mit schwarzer Farbe eingeölt. Sie
hockten nieder, griffen eine Handvoll Sand auf, und die Arme herabhängend, be-
wegten sie sich in tiefer Hockstellung unter grosser Geschwindigkeit mehrmals in
engem Kreise umeinander, massen sich mit bitterbösen Blicken und stiessen drohende
»húuhá! húuhá!« gegeneinander aus. Dann schnellte der Eine seine rechte Hand

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[110/0144] Dort befanden sich an den Wandpfosten mehrfach Tierfiguren eingeschnitzt und schwarz bemalt; an den Querbalken entdeckten wir eine ganze Reihe von geome- trischen Figuren. Die Künstler hatten grosse Freude darüber, dass wir uns für ihre Werke interessierten, wurden nicht müde, uns zu jedem Winkel zu führen, wo vielleicht noch eine Zeichnung vorhanden war und bekundeten viele Genug- thuung, dass Wilhelm sie in sein Skizzenbuch abkonterfeite. Im Auetö́dorf herrschte reger Fremdenverkehr. Wir trafen dort Waurá, Yaulapiti, Kamayurá, Mehinakú, einen Bakaïrí vom vierten Dorf des Batovy und bei unserem späteren Aufenthalt auch noch Vertreter fast aller Haupt- stämme. Auch trieben sich dort Trumaí umher, die wir aber nicht zu Gesicht bekamen, da sie sich in Erinnerung an unsere Begegnung von anno 1884 ängstlich vor uns verbargen. Unmittelbar bei dem Auetö́dorfe beginnt das Netz von Kanälen und Lagunen, das sich bis zu der Vereinigung der Hauptquellflüsse erstreckt und die dort wohnenden Stämme verbindet. Die Auetö́ haben also ausser dem Fluss- hafen an dem Kulisehu, wo wir an Land gestiegen waren, beim Dorfe selbst noch einen Hafen, der dem Kanalnetz angehört. So stehen sie auf dem Wasser- wege in Verkehr mit den Yaulapiti und den Trumaí. Mit Einschaltung kleiner Land- strecken konnte man auf den Kanälen und Lagunen auch zu den Mehinakú, den Kamayurá und den Waurá gelangen. Vom Auetö́dorf sind denn auch unsere Exkursionen zu den Yaulapiti und Kamayurá sowie zu den Trumaí gemacht worden. Leider haben wir uns bei der gedrängten Zeit versagen müssen, die am weitesten entfernten Waurá zu besuchen. Die Waurá müssen in dem Winkel zwischen Batovy und Kulisehu sitzen, aber jenem bedeutend näher. Die Kustenaú hatten uns 1884 ihren Namen ein- dringlich genannt, doch waren wir uns unklar geblieben, ob er wirklich einen Volks- stamm bezeichne, und lernten erst jetzt am Kulisehu, dass einige von uns im untersten Teil des Batovy bemerkte Fischfallen den Waurá gehörten. Bei den Auetö́ haben wir mehrere Individuen des Stammes gesehen, und sie gemessen, sowie sprachlich aufgenommen; sie sind den Mehinakú und Kustenaú auf das allernächste verwandt. Ein Waurá versprach uns, während wir zu den Kamayurá gingen, Töpfe und Masken zu besorgen, die wir bei der Rückkehr in das Auetö́- dorf vorfinden sollten. Er that uns aber den Schmerz an und blieb aus. Die drei Waurá im Auetö́dorf waren schmucke, stramme Burschen; sie führten am zweiten Tage unseres Aufenthalts mit den Auetö́ eine Art Ringkampf auf, der jedenfalls nicht zu unseren Ehren stattfand, sondern rein zufällig in die Zeit unserer Anwesenheit fiel. Auch ein Yaulapiti beteiligte sich an demselben. Die Kämpfer, immer Mitglieder verschiedener Stämme, traten paarweise vor, den Körper teils mit gelbrotem Urukú, teils mit schwarzer Farbe eingeölt. Sie hockten nieder, griffen eine Handvoll Sand auf, und die Arme herabhängend, be- wegten sie sich in tiefer Hockstellung unter grosser Geschwindigkeit mehrmals in engem Kreise umeinander, massen sich mit bitterbösen Blicken und stiessen drohende »húuhá! húuhá!« gegeneinander aus. Dann schnellte der Eine seine rechte Hand

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/144>, abgerufen am 28.03.2024.