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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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Besondern hervorgehoben wird. Folglich muß auch in der unter-
ordnenden Form der Satzverbindung sowohl eine grammatische,
als auch eine logische Form, je nach dem verschiedenen Gesichts-
punkte, liegen. Und sollte andererseits in der Verbindung der
Hauptsätze nicht auch eine grammatische Form liegen? Wir
erhalten also: eine der sprachlichen Darstellung gehörende
logische Form der grammatischen Beziehung der Begriffe
neben einer grammatischen Form der grammatischen Beziehung
der Begriffe, und neben einer der sprachlichen Darstellung
angehörenden logischen Form der Verhältnisse der Gedanken,
und endlich einer grammatischen Form der logischen Ver-
hältnisse der Gedanken. Welche wunderlichen Widersprüche! --
Man bemerke ferner in der oben citirten Stelle Beckers, daß
nach dem Worte Gedanken noch hinzugefügt wird: des
Sprechenden,
und zwar mit gesperrten Lettern; warum das?
welcher Gegensatz soll hier angedeutet werden? Können bei der
Sprache noch andere Gedanken in Betracht kommen, als die des
Sprechenden? Das muß wohl sein, und aus dem Zusammen-
hange wird klar, daß dem Gedanken des Sprechenden entgegen-
gesetzt ist der Gedanke, welcher nur die Form des Gedankens,
aber den Inhalt eines bloßen Begriffs hat. Zum "Gedanken des
Sprechenden" ist also als Gegensatz zu nehmen der Gedanke
des Begriffs! d. h. die Peripherie des Quadrats. Wie es der
Sprache möglich ist, einen Begriff in Form eines Gedankens
einzukleiden, das scheint für Becker nicht mehr Schwierigkeit
zu haben, als daß sich ein Kind in den Pelz des Großvaters
hüllt.

Was sind denn das nun aber für logische Verhältnisse der
Gedanken in der beiordnenden Satzverbindung? -- Die Denk-
formen des Gegensatzes und der Causalität! also gerade die,
welche beim einfachen Satze unter der grammatischen Satzform
betrachtet wurden. Und umgekehrt, während das Wesen der
logischen Satzform in der Unterordnung der Factoren lag, sol-
len es grammatische Verhältnisse sein, welche in der unterord-
nenden Satzverbindung auftreten. Der Attributsatz steht zum
Hauptsatze "nicht in einem logischen Verhältnisse der Gedan-
ken,
sondern nur in einem grammatischen Verhältnisse";
und dieses Verhältniß wird dennoch nicht bloß durch eine gram-
matische, sondern auch durch eine logische Form dargestellt. Das
logische Verhältniß der Gedanken wird durch die logische Form

Besondern hervorgehoben wird. Folglich muß auch in der unter-
ordnenden Form der Satzverbindung sowohl eine grammatische,
als auch eine logische Form, je nach dem verschiedenen Gesichts-
punkte, liegen. Und sollte andererseits in der Verbindung der
Hauptsätze nicht auch eine grammatische Form liegen? Wir
erhalten also: eine der sprachlichen Darstellung gehörende
logische Form der grammatischen Beziehung der Begriffe
neben einer grammatischen Form der grammatischen Beziehung
der Begriffe, und neben einer der sprachlichen Darstellung
angehörenden logischen Form der Verhältnisse der Gedanken,
und endlich einer grammatischen Form der logischen Ver-
hältnisse der Gedanken. Welche wunderlichen Widersprüche! —
Man bemerke ferner in der oben citirten Stelle Beckers, daß
nach dem Worte Gedanken noch hinzugefügt wird: des
Sprechenden,
und zwar mit gesperrten Lettern; warum das?
welcher Gegensatz soll hier angedeutet werden? Können bei der
Sprache noch andere Gedanken in Betracht kommen, als die des
Sprechenden? Das muß wohl sein, und aus dem Zusammen-
hange wird klar, daß dem Gedanken des Sprechenden entgegen-
gesetzt ist der Gedanke, welcher nur die Form des Gedankens,
aber den Inhalt eines bloßen Begriffs hat. Zum „Gedanken des
Sprechenden“ ist also als Gegensatz zu nehmen der Gedanke
des Begriffs! d. h. die Peripherie des Quadrats. Wie es der
Sprache möglich ist, einen Begriff in Form eines Gedankens
einzukleiden, das scheint für Becker nicht mehr Schwierigkeit
zu haben, als daß sich ein Kind in den Pelz des Großvaters
hüllt.

Was sind denn das nun aber für logische Verhältnisse der
Gedanken in der beiordnenden Satzverbindung? — Die Denk-
formen des Gegensatzes und der Causalität! also gerade die,
welche beim einfachen Satze unter der grammatischen Satzform
betrachtet wurden. Und umgekehrt, während das Wesen der
logischen Satzform in der Unterordnung der Factoren lag, sol-
len es grammatische Verhältnisse sein, welche in der unterord-
nenden Satzverbindung auftreten. Der Attributsatz steht zum
Hauptsatze „nicht in einem logischen Verhältnisse der Gedan-
ken,
sondern nur in einem grammatischen Verhältnisse“;
und dieses Verhältniß wird dennoch nicht bloß durch eine gram-
matische, sondern auch durch eine logische Form dargestellt. Das
logische Verhältniß der Gedanken wird durch die logische Form

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[182/0220] Besondern hervorgehoben wird. Folglich muß auch in der unter- ordnenden Form der Satzverbindung sowohl eine grammatische, als auch eine logische Form, je nach dem verschiedenen Gesichts- punkte, liegen. Und sollte andererseits in der Verbindung der Hauptsätze nicht auch eine grammatische Form liegen? Wir erhalten also: eine der sprachlichen Darstellung gehörende logische Form der grammatischen Beziehung der Begriffe neben einer grammatischen Form der grammatischen Beziehung der Begriffe, und neben einer der sprachlichen Darstellung angehörenden logischen Form der Verhältnisse der Gedanken, und endlich einer grammatischen Form der logischen Ver- hältnisse der Gedanken. Welche wunderlichen Widersprüche! — Man bemerke ferner in der oben citirten Stelle Beckers, daß nach dem Worte Gedanken noch hinzugefügt wird: des Sprechenden, und zwar mit gesperrten Lettern; warum das? welcher Gegensatz soll hier angedeutet werden? Können bei der Sprache noch andere Gedanken in Betracht kommen, als die des Sprechenden? Das muß wohl sein, und aus dem Zusammen- hange wird klar, daß dem Gedanken des Sprechenden entgegen- gesetzt ist der Gedanke, welcher nur die Form des Gedankens, aber den Inhalt eines bloßen Begriffs hat. Zum „Gedanken des Sprechenden“ ist also als Gegensatz zu nehmen der Gedanke des Begriffs! d. h. die Peripherie des Quadrats. Wie es der Sprache möglich ist, einen Begriff in Form eines Gedankens einzukleiden, das scheint für Becker nicht mehr Schwierigkeit zu haben, als daß sich ein Kind in den Pelz des Großvaters hüllt. Was sind denn das nun aber für logische Verhältnisse der Gedanken in der beiordnenden Satzverbindung? — Die Denk- formen des Gegensatzes und der Causalität! also gerade die, welche beim einfachen Satze unter der grammatischen Satzform betrachtet wurden. Und umgekehrt, während das Wesen der logischen Satzform in der Unterordnung der Factoren lag, sol- len es grammatische Verhältnisse sein, welche in der unterord- nenden Satzverbindung auftreten. Der Attributsatz steht zum Hauptsatze „nicht in einem logischen Verhältnisse der Gedan- ken, sondern nur in einem grammatischen Verhältnisse“; und dieses Verhältniß wird dennoch nicht bloß durch eine gram- matische, sondern auch durch eine logische Form dargestellt. Das logische Verhältniß der Gedanken wird durch die logische Form

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/220>, abgerufen am 25.04.2024.