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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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Schwierig aber ist es schon zu sagen, durch welche Eigenthüm-
lichkeit der lauterzeugenden Bedingung der verschiedene Klang
der Töne entstehe: wir sehen hier nur die fernere Ursache, daß
der zuerst schwingende Körper Metall, Holz, eine Saite, Luft
ist; worin aber die Verschiedenheit ihrer Wirkung bestehe, wis-
sen wir nicht. Warum klingt Metall anders, als Holz? -- Eben
so nun, wenn jemand den Laut te spricht: so wissen wir wohl
anzugeben, wovon die Höhe oder Tiefe, wovon die Stärke oder
Schwäche, weniger wovon der Klang dieses Lautes abhängt;
aber ganz und gar nicht, welche Eigenthümlichkeit der Luft-
schwingung, die sich unserm Gehörwerkzeuge mittheilt, die Seele
veranlaßt, den Laut te und nicht ka zu bilden. Das hindert
aber nicht, die fernere Ursache, nämlich die abweichende Stel-
lung der lauterzeugenden Organe zu prüfen, und davon die ver-
schiedene Wirkung abhängig zu machen. Kann der Laut "nicht
seiner Beschaffenheit" (Humboldt) nach, weder als eigenthümli-
ches Seelenerzeugniß, noch als eigenthümliche materielle Bewe-
gung, sei es unseres Gehörorgans, sei es eines äußern Körpers,
beschrieben werden: so kann er doch "seiner Erzeugung nach",
wie sie durch die Sprachorgane bewirkt wird, hinlänglich be-
stimmt werden. Und hierauf ging ja auch von jeher das Be-
mühen der Grammatiker.

Mit einer gewissen Schnelligkeit regelmäßig schwingende
Körper erzeugen Töne. So tönen auch die Stimmbänder in der
Kehle, wenn sie, mit Hülfe gewisser Muskeln hinlänglich straff
gespannt, durch die aus der Lunge gepreßte Luft in Erzitte-
rung versetzt werden. Den von ihnen erzeugten Ton nennt
man die Stimme. Diese ist das Element des Gesanges (d. h.
der Musik, wobei der Mensch der Spieler und das Instrument
zugleich ist), aber nicht eigentlich, nicht vorzugsweise das Ele-
ment der Sprache, obwohl sie sich derselben meist anschließt
und allerdings auch zur Erzeugung einiger Laute nothwendig
ist. Die meisten und wesentlichen Sprachlaute, der Kern der
Consonanten, sind keine regelmäßigen Töne, sondern unregel-
mäßige Geräusche, welche in der Mundhöhle durch die ausströ-
mende Luft hervorgebracht werden. Sie entstehen ganz ähnlich
wie das Schnalzen, Zischen u. s. w. und aus derselben Ursache,
wie das Geräusch beim Oeffnen einer verschlossenen Kapsel,
eines Pennals, wenn man den Deckel abzieht, oder beim Her-
ausziehen des Pfropfens aus einer Flasche. Zur Erzeugung der

Schwierig aber ist es schon zu sagen, durch welche Eigenthüm-
lichkeit der lauterzeugenden Bedingung der verschiedene Klang
der Töne entstehe: wir sehen hier nur die fernere Ursache, daß
der zuerst schwingende Körper Metall, Holz, eine Saite, Luft
ist; worin aber die Verschiedenheit ihrer Wirkung bestehe, wis-
sen wir nicht. Warum klingt Metall anders, als Holz? — Eben
so nun, wenn jemand den Laut te spricht: so wissen wir wohl
anzugeben, wovon die Höhe oder Tiefe, wovon die Stärke oder
Schwäche, weniger wovon der Klang dieses Lautes abhängt;
aber ganz und gar nicht, welche Eigenthümlichkeit der Luft-
schwingung, die sich unserm Gehörwerkzeuge mittheilt, die Seele
veranlaßt, den Laut te und nicht ka zu bilden. Das hindert
aber nicht, die fernere Ursache, nämlich die abweichende Stel-
lung der lauterzeugenden Organe zu prüfen, und davon die ver-
schiedene Wirkung abhängig zu machen. Kann der Laut „nicht
seiner Beschaffenheit“ (Humboldt) nach, weder als eigenthümli-
ches Seelenerzeugniß, noch als eigenthümliche materielle Bewe-
gung, sei es unseres Gehörorgans, sei es eines äußern Körpers,
beschrieben werden: so kann er doch „seiner Erzeugung nach“,
wie sie durch die Sprachorgane bewirkt wird, hinlänglich be-
stimmt werden. Und hierauf ging ja auch von jeher das Be-
mühen der Grammatiker.

Mit einer gewissen Schnelligkeit regelmäßig schwingende
Körper erzeugen Töne. So tönen auch die Stimmbänder in der
Kehle, wenn sie, mit Hülfe gewisser Muskeln hinlänglich straff
gespannt, durch die aus der Lunge gepreßte Luft in Erzitte-
rung versetzt werden. Den von ihnen erzeugten Ton nennt
man die Stimme. Diese ist das Element des Gesanges (d. h.
der Musik, wobei der Mensch der Spieler und das Instrument
zugleich ist), aber nicht eigentlich, nicht vorzugsweise das Ele-
ment der Sprache, obwohl sie sich derselben meist anschließt
und allerdings auch zur Erzeugung einiger Laute nothwendig
ist. Die meisten und wesentlichen Sprachlaute, der Kern der
Consonanten, sind keine regelmäßigen Töne, sondern unregel-
mäßige Geräusche, welche in der Mundhöhle durch die ausströ-
mende Luft hervorgebracht werden. Sie entstehen ganz ähnlich
wie das Schnalzen, Zischen u. s. w. und aus derselben Ursache,
wie das Geräusch beim Oeffnen einer verschlossenen Kapsel,
eines Pennals, wenn man den Deckel abzieht, oder beim Her-
ausziehen des Pfropfens aus einer Flasche. Zur Erzeugung der

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[349/0387] Schwierig aber ist es schon zu sagen, durch welche Eigenthüm- lichkeit der lauterzeugenden Bedingung der verschiedene Klang der Töne entstehe: wir sehen hier nur die fernere Ursache, daß der zuerst schwingende Körper Metall, Holz, eine Saite, Luft ist; worin aber die Verschiedenheit ihrer Wirkung bestehe, wis- sen wir nicht. Warum klingt Metall anders, als Holz? — Eben so nun, wenn jemand den Laut te spricht: so wissen wir wohl anzugeben, wovon die Höhe oder Tiefe, wovon die Stärke oder Schwäche, weniger wovon der Klang dieses Lautes abhängt; aber ganz und gar nicht, welche Eigenthümlichkeit der Luft- schwingung, die sich unserm Gehörwerkzeuge mittheilt, die Seele veranlaßt, den Laut te und nicht ka zu bilden. Das hindert aber nicht, die fernere Ursache, nämlich die abweichende Stel- lung der lauterzeugenden Organe zu prüfen, und davon die ver- schiedene Wirkung abhängig zu machen. Kann der Laut „nicht seiner Beschaffenheit“ (Humboldt) nach, weder als eigenthümli- ches Seelenerzeugniß, noch als eigenthümliche materielle Bewe- gung, sei es unseres Gehörorgans, sei es eines äußern Körpers, beschrieben werden: so kann er doch „seiner Erzeugung nach“, wie sie durch die Sprachorgane bewirkt wird, hinlänglich be- stimmt werden. Und hierauf ging ja auch von jeher das Be- mühen der Grammatiker. Mit einer gewissen Schnelligkeit regelmäßig schwingende Körper erzeugen Töne. So tönen auch die Stimmbänder in der Kehle, wenn sie, mit Hülfe gewisser Muskeln hinlänglich straff gespannt, durch die aus der Lunge gepreßte Luft in Erzitte- rung versetzt werden. Den von ihnen erzeugten Ton nennt man die Stimme. Diese ist das Element des Gesanges (d. h. der Musik, wobei der Mensch der Spieler und das Instrument zugleich ist), aber nicht eigentlich, nicht vorzugsweise das Ele- ment der Sprache, obwohl sie sich derselben meist anschließt und allerdings auch zur Erzeugung einiger Laute nothwendig ist. Die meisten und wesentlichen Sprachlaute, der Kern der Consonanten, sind keine regelmäßigen Töne, sondern unregel- mäßige Geräusche, welche in der Mundhöhle durch die ausströ- mende Luft hervorgebracht werden. Sie entstehen ganz ähnlich wie das Schnalzen, Zischen u. s. w. und aus derselben Ursache, wie das Geräusch beim Oeffnen einer verschlossenen Kapsel, eines Pennals, wenn man den Deckel abzieht, oder beim Her- ausziehen des Pfropfens aus einer Flasche. Zur Erzeugung der

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/387>, abgerufen am 25.04.2024.