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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Marmortafel, die er und sein Bruder hatten sezen
lassen, ehrte ihr Angedenken. Sonst ging der Vater
auch fast in allen Zeiten des Tages auf den Wegen
der Felder und des Waldes herum.

Am fünften Tage traten wir die Rückreise zu den
Unsrigen an.

Wir waren am frühen Morgen noch zu unsern
Verwandten gegangen. Sie waren, wie es bei Land¬
leuten in solchen Fällen gebräuchlich ist, schöner an¬
gekleidet als sonst und erwarteten uns. Wir nahmen
in herzlicher Weise Abschied. Ich versprach, da ich
ohnehin das Wandern gewohnt sei, und viele Gegen¬
den besuche, auch hieher wieder zu kommen, und
noch öfter in dem kleinen Hause vorzusprechen. Der
Vater sagte, es könne sein, daß er wieder komme,
oder auch nicht, wie es sich eben beim Alter füge.
Man müsse erwarten, was Gott gewähre. Die Leute
begleiteten uns in das Gasthaus, und blieben da,
bis wir den Wagen bestiegen hatten. Aus den Wor¬
ten ihres Abschiedes und ihrer Danksagungen erkannte
ich, daß der Vater ihnen auch eine Summe Geldes
gegeben haben müsse. Sie sahen uns sehr lange nach.

Im Fortfahren war der Vater anfangs ernst und
wortkarg, es mochte ihm das Herz schwer gewesen

Marmortafel, die er und ſein Bruder hatten ſezen
laſſen, ehrte ihr Angedenken. Sonſt ging der Vater
auch faſt in allen Zeiten des Tages auf den Wegen
der Felder und des Waldes herum.

Am fünften Tage traten wir die Rückreiſe zu den
Unſrigen an.

Wir waren am frühen Morgen noch zu unſern
Verwandten gegangen. Sie waren, wie es bei Land¬
leuten in ſolchen Fällen gebräuchlich iſt, ſchöner an¬
gekleidet als ſonſt und erwarteten uns. Wir nahmen
in herzlicher Weiſe Abſchied. Ich verſprach, da ich
ohnehin das Wandern gewohnt ſei, und viele Gegen¬
den beſuche, auch hieher wieder zu kommen, und
noch öfter in dem kleinen Hauſe vorzuſprechen. Der
Vater ſagte, es könne ſein, daß er wieder komme,
oder auch nicht, wie es ſich eben beim Alter füge.
Man müſſe erwarten, was Gott gewähre. Die Leute
begleiteten uns in das Gaſthaus, und blieben da,
bis wir den Wagen beſtiegen hatten. Aus den Wor¬
ten ihres Abſchiedes und ihrer Dankſagungen erkannte
ich, daß der Vater ihnen auch eine Summe Geldes
gegeben haben müſſe. Sie ſahen uns ſehr lange nach.

Im Fortfahren war der Vater anfangs ernſt und
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[120/0134] Marmortafel, die er und ſein Bruder hatten ſezen laſſen, ehrte ihr Angedenken. Sonſt ging der Vater auch faſt in allen Zeiten des Tages auf den Wegen der Felder und des Waldes herum. Am fünften Tage traten wir die Rückreiſe zu den Unſrigen an. Wir waren am frühen Morgen noch zu unſern Verwandten gegangen. Sie waren, wie es bei Land¬ leuten in ſolchen Fällen gebräuchlich iſt, ſchöner an¬ gekleidet als ſonſt und erwarteten uns. Wir nahmen in herzlicher Weiſe Abſchied. Ich verſprach, da ich ohnehin das Wandern gewohnt ſei, und viele Gegen¬ den beſuche, auch hieher wieder zu kommen, und noch öfter in dem kleinen Hauſe vorzuſprechen. Der Vater ſagte, es könne ſein, daß er wieder komme, oder auch nicht, wie es ſich eben beim Alter füge. Man müſſe erwarten, was Gott gewähre. Die Leute begleiteten uns in das Gaſthaus, und blieben da, bis wir den Wagen beſtiegen hatten. Aus den Wor¬ ten ihres Abſchiedes und ihrer Dankſagungen erkannte ich, daß der Vater ihnen auch eine Summe Geldes gegeben haben müſſe. Sie ſahen uns ſehr lange nach. Im Fortfahren war der Vater anfangs ernſt und wortkarg, es mochte ihm das Herz ſchwer geweſen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/134>, abgerufen am 28.03.2024.