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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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und so konnten wir ungesäumt unsere verabredete
Fahrt beginnen.

Die Mutter legte mir das Wohl der Schwester
sehr an das Herz, der Vater sagte, wir sollen die
Muße nach unserer besten Einsicht genießen, und so
fuhren wir bei dem Aufgange einer klaren Herbstsonne
aus dem Thore unseres Hauses.

Ich wollte die Schwester, welche ihre erste größere
Reise machte, nicht der Berührung mit andern Men¬
schen in einem gemeinschaftlichen Wagen aussezen, da
man deren Wesen und Benehmen nicht voraus wissen
konnte; deßhalb zog ich es vor, mit Postpferden so
lange zu fahren, als es mir gut erscheinen würde,
und dann die Art unsers Weiterkommens im Gebirge
je nach der Sachlage zu bestimmen. Es hatte diese
Art zu reisen noch den Vortheil, daß ich anhalten
konnte, wo ich wollte, und daß ich der Schwester
manches erklären durfte ohne dabei auf jemand Rück¬
sicht nehmen zu müssen, der als Zeuge gegenwärtig
wäre. Auch konnten wir uns in unseren geschwister¬
lichen Gesprächen über unsere Angehörigen unser
Haus und andere Dinge nach der freien Stimmung
unserer Seele bewegen. Auf diese Art fuhren wir
zwei Tage. Ich gönnte ihr öfter Ruhe, da sie ein

und ſo konnten wir ungeſäumt unſere verabredete
Fahrt beginnen.

Die Mutter legte mir das Wohl der Schweſter
ſehr an das Herz, der Vater ſagte, wir ſollen die
Muße nach unſerer beſten Einſicht genießen, und ſo
fuhren wir bei dem Aufgange einer klaren Herbſtſonne
aus dem Thore unſeres Hauſes.

Ich wollte die Schweſter, welche ihre erſte größere
Reiſe machte, nicht der Berührung mit andern Men¬
ſchen in einem gemeinſchaftlichen Wagen ausſezen, da
man deren Weſen und Benehmen nicht voraus wiſſen
konnte; deßhalb zog ich es vor, mit Poſtpferden ſo
lange zu fahren, als es mir gut erſcheinen würde,
und dann die Art unſers Weiterkommens im Gebirge
je nach der Sachlage zu beſtimmen. Es hatte dieſe
Art zu reiſen noch den Vortheil, daß ich anhalten
konnte, wo ich wollte, und daß ich der Schweſter
manches erklären durfte ohne dabei auf jemand Rück¬
ſicht nehmen zu müſſen, der als Zeuge gegenwärtig
wäre. Auch konnten wir uns in unſeren geſchwiſter¬
lichen Geſprächen über unſere Angehörigen unſer
Haus und andere Dinge nach der freien Stimmung
unſerer Seele bewegen. Auf dieſe Art fuhren wir
zwei Tage. Ich gönnte ihr öfter Ruhe, da ſie ein

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[123/0137] und ſo konnten wir ungeſäumt unſere verabredete Fahrt beginnen. Die Mutter legte mir das Wohl der Schweſter ſehr an das Herz, der Vater ſagte, wir ſollen die Muße nach unſerer beſten Einſicht genießen, und ſo fuhren wir bei dem Aufgange einer klaren Herbſtſonne aus dem Thore unſeres Hauſes. Ich wollte die Schweſter, welche ihre erſte größere Reiſe machte, nicht der Berührung mit andern Men¬ ſchen in einem gemeinſchaftlichen Wagen ausſezen, da man deren Weſen und Benehmen nicht voraus wiſſen konnte; deßhalb zog ich es vor, mit Poſtpferden ſo lange zu fahren, als es mir gut erſcheinen würde, und dann die Art unſers Weiterkommens im Gebirge je nach der Sachlage zu beſtimmen. Es hatte dieſe Art zu reiſen noch den Vortheil, daß ich anhalten konnte, wo ich wollte, und daß ich der Schweſter manches erklären durfte ohne dabei auf jemand Rück¬ ſicht nehmen zu müſſen, der als Zeuge gegenwärtig wäre. Auch konnten wir uns in unſeren geſchwiſter¬ lichen Geſprächen über unſere Angehörigen unſer Haus und andere Dinge nach der freien Stimmung unſerer Seele bewegen. Auf dieſe Art fuhren wir zwei Tage. Ich gönnte ihr öfter Ruhe, da ſie ein

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/137>, abgerufen am 28.03.2024.