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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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sehr kundig waren. Wir gingen mehrere Stunden in
diesem tiefen Schnee, dann kamen Wälder, in denen
er niederer lag, und durch welche das Fortkommen
leichter war. Viele Gerölle und schiefliegende Wände,
die nun folgten, zeigten ebenfalls weniger Schnee als
die Tiefe, und es war über sie im Winter leichter zu
gehen, als ich es im Sommer gefunden hatte, da die
Unebenheiten und die kleinen scharfen Riffe und Steine
mit einer Schneedecke überhüllt waren. Als wir die
ersten Vorberge überwunden hatten, und auf die
Hochebene der Echern gekommen waren, von der man
wieder den blauen See recht tief und dunkel in der
weißen Umgebung unten liegen sah, machten wir ein
wenig Halt. Die Oberfläche der Echern oder die
Hochebene, wie man sie auch gerne nennt, ist aber
nichts weniger als eine Ebene, sie ist es nur im Ver¬
gleiche mit den steilen Abhängen, welche ihre Seiten¬
wände gegen den See bilden. Sie besteht aus einer
großen Anzahl von Gipfeln, die hinter und neben
einander stehen, verschieden an Größe und Gestalt
sind, tiefe Rinnen zwischen sich haben, und bald in
einer Spize sich erheben, bald breitgedehnte Flächen
darstellen. Diese sind mit kurzem Grase und hie und
da mit Knieföhren bedeckt, und unzählige Felsblöcke

ſehr kundig waren. Wir gingen mehrere Stunden in
dieſem tiefen Schnee, dann kamen Wälder, in denen
er niederer lag, und durch welche das Fortkommen
leichter war. Viele Gerölle und ſchiefliegende Wände,
die nun folgten, zeigten ebenfalls weniger Schnee als
die Tiefe, und es war über ſie im Winter leichter zu
gehen, als ich es im Sommer gefunden hatte, da die
Unebenheiten und die kleinen ſcharfen Riffe und Steine
mit einer Schneedecke überhüllt waren. Als wir die
erſten Vorberge überwunden hatten, und auf die
Hochebene der Echern gekommen waren, von der man
wieder den blauen See recht tief und dunkel in der
weißen Umgebung unten liegen ſah, machten wir ein
wenig Halt. Die Oberfläche der Echern oder die
Hochebene, wie man ſie auch gerne nennt, iſt aber
nichts weniger als eine Ebene, ſie iſt es nur im Ver¬
gleiche mit den ſteilen Abhängen, welche ihre Seiten¬
wände gegen den See bilden. Sie beſteht aus einer
großen Anzahl von Gipfeln, die hinter und neben
einander ſtehen, verſchieden an Größe und Geſtalt
ſind, tiefe Rinnen zwiſchen ſich haben, und bald in
einer Spize ſich erheben, bald breitgedehnte Flächen
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da mit Knieföhren bedeckt, und unzählige Felsblöcke

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[151/0165] ſehr kundig waren. Wir gingen mehrere Stunden in dieſem tiefen Schnee, dann kamen Wälder, in denen er niederer lag, und durch welche das Fortkommen leichter war. Viele Gerölle und ſchiefliegende Wände, die nun folgten, zeigten ebenfalls weniger Schnee als die Tiefe, und es war über ſie im Winter leichter zu gehen, als ich es im Sommer gefunden hatte, da die Unebenheiten und die kleinen ſcharfen Riffe und Steine mit einer Schneedecke überhüllt waren. Als wir die erſten Vorberge überwunden hatten, und auf die Hochebene der Echern gekommen waren, von der man wieder den blauen See recht tief und dunkel in der weißen Umgebung unten liegen ſah, machten wir ein wenig Halt. Die Oberfläche der Echern oder die Hochebene, wie man ſie auch gerne nennt, iſt aber nichts weniger als eine Ebene, ſie iſt es nur im Ver¬ gleiche mit den ſteilen Abhängen, welche ihre Seiten¬ wände gegen den See bilden. Sie beſteht aus einer großen Anzahl von Gipfeln, die hinter und neben einander ſtehen, verſchieden an Größe und Geſtalt ſind, tiefe Rinnen zwiſchen ſich haben, und bald in einer Spize ſich erheben, bald breitgedehnte Flächen darſtellen. Dieſe ſind mit kurzem Graſe und hie und da mit Knieföhren bedeckt, und unzählige Felsblöcke

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/165>, abgerufen am 19.04.2024.