Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

stand, sagte: "Verehrter Herr, der Winter ist doch
auch recht schön."

"Ja Kaspar," sagte ich, "er ist schön, er ist
sehr schön."

Wir blieben stehen, bis die Sonne untergegangen
war. Die Farbe des Himmels wurde für einen Au¬
genblick noch höher und flammender, dann begann
alles nach und nach zu erbleichen, und schmolz zulezt
in ein farbloses Ganzes zusammen. Nur die gewal¬
tigen Erhebungen, die gegen Süden standen, und
die das Eis, das wir besuchen wollten, enthielten,
glommen noch von einem unsichern Lichte, während
mancher Stern über ihnen erschien. Wir gingen
nun in dem beinahe finster gewordenen und ziemlich
unwegsamen Raume zur Hütte, um in derselben
unsere Vorbereitungen zum Übernachten zu treffen.
Die Hütte war, wie es im Winter immer ist,
wo sie leer steht, nicht gesperrt. Ein Holzriegel,
der sehr leicht zu beseitigen war, schloß die Thür.
Wir traten ein, steckten eine Kerze in unsern Hand¬
leuchter, und machten Licht. Wir suchten das Gemach
der Sennerinnen, und ließen uns dort nieder. In
den Schlafstellen war etwas Heu, ein grober Bretter¬
tisch stand in der Mitte des Gemaches, eine Bank lief

ſtand, ſagte: „Verehrter Herr, der Winter iſt doch
auch recht ſchön.“

„Ja Kaspar,“ ſagte ich, „er iſt ſchön, er iſt
ſehr ſchön.“

Wir blieben ſtehen, bis die Sonne untergegangen
war. Die Farbe des Himmels wurde für einen Au¬
genblick noch höher und flammender, dann begann
alles nach und nach zu erbleichen, und ſchmolz zulezt
in ein farbloſes Ganzes zuſammen. Nur die gewal¬
tigen Erhebungen, die gegen Süden ſtanden, und
die das Eis, das wir beſuchen wollten, enthielten,
glommen noch von einem unſichern Lichte, während
mancher Stern über ihnen erſchien. Wir gingen
nun in dem beinahe finſter gewordenen und ziemlich
unwegſamen Raume zur Hütte, um in derſelben
unſere Vorbereitungen zum Übernachten zu treffen.
Die Hütte war, wie es im Winter immer iſt,
wo ſie leer ſteht, nicht geſperrt. Ein Holzriegel,
der ſehr leicht zu beſeitigen war, ſchloß die Thür.
Wir traten ein, ſteckten eine Kerze in unſern Hand¬
leuchter, und machten Licht. Wir ſuchten das Gemach
der Sennerinnen, und ließen uns dort nieder. In
den Schlafſtellen war etwas Heu, ein grober Bretter¬
tiſch ſtand in der Mitte des Gemaches, eine Bank lief

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="157"/>
&#x017F;tand, &#x017F;agte: &#x201E;Verehrter Herr, der Winter i&#x017F;t doch<lb/>
auch recht &#x017F;chön.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja Kaspar,&#x201C; &#x017F;agte ich, &#x201E;er i&#x017F;t &#x017F;chön, er i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;chön.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir blieben &#x017F;tehen, bis die Sonne untergegangen<lb/>
war. Die Farbe des Himmels wurde für einen Au¬<lb/>
genblick noch höher und flammender, dann begann<lb/>
alles nach und nach zu erbleichen, und &#x017F;chmolz zulezt<lb/>
in ein farblo&#x017F;es Ganzes zu&#x017F;ammen. Nur die gewal¬<lb/>
tigen Erhebungen, die gegen Süden &#x017F;tanden, und<lb/>
die das Eis, das wir be&#x017F;uchen wollten, enthielten,<lb/>
glommen noch von einem un&#x017F;ichern Lichte, während<lb/>
mancher Stern über ihnen er&#x017F;chien. Wir gingen<lb/>
nun in dem beinahe fin&#x017F;ter gewordenen und ziemlich<lb/>
unweg&#x017F;amen Raume zur Hütte, um in der&#x017F;elben<lb/>
un&#x017F;ere Vorbereitungen zum Übernachten zu treffen.<lb/>
Die Hütte war, wie es im Winter immer i&#x017F;t,<lb/>
wo &#x017F;ie leer &#x017F;teht, nicht ge&#x017F;perrt. Ein Holzriegel,<lb/>
der &#x017F;ehr leicht zu be&#x017F;eitigen war, &#x017F;chloß die Thür.<lb/>
Wir traten ein, &#x017F;teckten eine Kerze in un&#x017F;ern Hand¬<lb/>
leuchter, und machten Licht. Wir &#x017F;uchten das Gemach<lb/>
der Sennerinnen, und ließen uns dort nieder. In<lb/>
den Schlaf&#x017F;tellen war etwas Heu, ein grober Bretter¬<lb/>
ti&#x017F;ch &#x017F;tand in der Mitte des Gemaches, eine Bank lief<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0171] ſtand, ſagte: „Verehrter Herr, der Winter iſt doch auch recht ſchön.“ „Ja Kaspar,“ ſagte ich, „er iſt ſchön, er iſt ſehr ſchön.“ Wir blieben ſtehen, bis die Sonne untergegangen war. Die Farbe des Himmels wurde für einen Au¬ genblick noch höher und flammender, dann begann alles nach und nach zu erbleichen, und ſchmolz zulezt in ein farbloſes Ganzes zuſammen. Nur die gewal¬ tigen Erhebungen, die gegen Süden ſtanden, und die das Eis, das wir beſuchen wollten, enthielten, glommen noch von einem unſichern Lichte, während mancher Stern über ihnen erſchien. Wir gingen nun in dem beinahe finſter gewordenen und ziemlich unwegſamen Raume zur Hütte, um in derſelben unſere Vorbereitungen zum Übernachten zu treffen. Die Hütte war, wie es im Winter immer iſt, wo ſie leer ſteht, nicht geſperrt. Ein Holzriegel, der ſehr leicht zu beſeitigen war, ſchloß die Thür. Wir traten ein, ſteckten eine Kerze in unſern Hand¬ leuchter, und machten Licht. Wir ſuchten das Gemach der Sennerinnen, und ließen uns dort nieder. In den Schlafſtellen war etwas Heu, ein grober Bretter¬ tiſch ſtand in der Mitte des Gemaches, eine Bank lief

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/171
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/171>, abgerufen am 25.04.2024.