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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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andere, die sich des Gegenstandes bemächtigen, wer¬
den auch wohl viel einzuwenden haben."

Wir waren während dieser Worte vor das Bild
getreten.

Ich hatte nie etwas Ähnliches gesehen. Nicht,
daß ich gemeint hätte, daß das Bild so vortrefflich sei,
das konnte man noch nicht beurtheilen, da sich Vieles
in den ersten Anfängen befand, auch glaubte ich zu
bemerken, daß manches wohl kaum würde bemeistert
werden können. Aber in der Anlage und in dem Ge¬
danken erschien mir das Bild merkwürdig. Es war
sehr groß, es war größer als man gewöhnlich land¬
schaftliche Gegenstände behandelt sieht, und wenn es
nicht gerollt wird, so kann es aus dem Zimmer, in
welchem es entsteht, gar nicht gebracht werden. Auf
diesem wüsten Raume waren nicht Berge oder Wasser¬
fluthen oder Ebenen oder Wälder oder die glatte See
mit schönen Schiffen dargestellt, sondern es waren
starre Felsen da, die nicht als geordnete Gebilde
empor standen, sondern wie zufällig als Blöcke und
selbst hie und da schief in der Erde staken, gleichsam
als Fremdlinge, die wie jene Normannen auf dem
Boden der Insel, die ihnen nicht gehörte, sich seßhaft
gemacht hatten. Aber der Boden war nicht wie der

Stifter, Nachsommer. III. 12

andere, die ſich des Gegenſtandes bemächtigen, wer¬
den auch wohl viel einzuwenden haben.“

Wir waren während dieſer Worte vor das Bild
getreten.

Ich hatte nie etwas Ähnliches geſehen. Nicht,
daß ich gemeint hätte, daß das Bild ſo vortrefflich ſei,
das konnte man noch nicht beurtheilen, da ſich Vieles
in den erſten Anfängen befand, auch glaubte ich zu
bemerken, daß manches wohl kaum würde bemeiſtert
werden können. Aber in der Anlage und in dem Ge¬
danken erſchien mir das Bild merkwürdig. Es war
ſehr groß, es war größer als man gewöhnlich land¬
ſchaftliche Gegenſtände behandelt ſieht, und wenn es
nicht gerollt wird, ſo kann es aus dem Zimmer, in
welchem es entſteht, gar nicht gebracht werden. Auf
dieſem wüſten Raume waren nicht Berge oder Waſſer¬
fluthen oder Ebenen oder Wälder oder die glatte See
mit ſchönen Schiffen dargeſtellt, ſondern es waren
ſtarre Felſen da, die nicht als geordnete Gebilde
empor ſtanden, ſondern wie zufällig als Blöcke und
ſelbſt hie und da ſchief in der Erde ſtaken, gleichſam
als Fremdlinge, die wie jene Normannen auf dem
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gemacht hatten. Aber der Boden war nicht wie der

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[177/0191] andere, die ſich des Gegenſtandes bemächtigen, wer¬ den auch wohl viel einzuwenden haben.“ Wir waren während dieſer Worte vor das Bild getreten. Ich hatte nie etwas Ähnliches geſehen. Nicht, daß ich gemeint hätte, daß das Bild ſo vortrefflich ſei, das konnte man noch nicht beurtheilen, da ſich Vieles in den erſten Anfängen befand, auch glaubte ich zu bemerken, daß manches wohl kaum würde bemeiſtert werden können. Aber in der Anlage und in dem Ge¬ danken erſchien mir das Bild merkwürdig. Es war ſehr groß, es war größer als man gewöhnlich land¬ ſchaftliche Gegenſtände behandelt ſieht, und wenn es nicht gerollt wird, ſo kann es aus dem Zimmer, in welchem es entſteht, gar nicht gebracht werden. Auf dieſem wüſten Raume waren nicht Berge oder Waſſer¬ fluthen oder Ebenen oder Wälder oder die glatte See mit ſchönen Schiffen dargeſtellt, ſondern es waren ſtarre Felſen da, die nicht als geordnete Gebilde empor ſtanden, ſondern wie zufällig als Blöcke und ſelbſt hie und da ſchief in der Erde ſtaken, gleichſam als Fremdlinge, die wie jene Normannen auf dem Boden der Inſel, die ihnen nicht gehörte, ſich ſeßhaft gemacht hatten. Aber der Boden war nicht wie der Stifter, Nachſommer. III. 12

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/191>, abgerufen am 25.04.2024.