Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

sonen und Sachen ist, und das Geschick zu einer thäti¬
gen Einreihung in ein Ganzes und kräftiger Arbeit für
Zwecke, die außer dem Gesichtskreise liegen, was nicht
minder eine Grundbedingung für jede Gliederung ist.
Ich wollte immer am Grundsäzlichen ändern und die
Pfeiler verbessern, statt in einem Gegebenen nach
Kräften vorzugehen, ich wollte die Zwecke allein ent¬
werfen, und wollte jede Sache so thun, wie sie für sich
am besten ist, ohne auf das Ganze zu sehen, und ohne
zu beachten, ob nicht durch mein Vorgehen anderswo
eine Lücke gerissen werde, die mehr schadet, als mein
Erfolg nüzt. Ich wurde, da ich noch kaum mehr als
ein Knabe war, in meine Laufbahn geführt, ohne daß
ich sie und mich kannte, und ich ging in derselben fort,
so weit ich konnte, weil ich einmal in ihr war, und
mich schämte, meine Pflicht nicht zu thun. Wenn ei¬
niges Gute durch mich zu Stande kam, so rührt es
daher, daß ich einerseits in Betrachtung meines Am¬
tes und seiner Gebote meinen Kräften eine mögliche
Thätigkeit abrang, und daß andererseits die Zeiter¬
eignisse solche Aufgaben herbei führten, bei denen ich
die Pläne des Handelns entwerfen und selber durch¬
führen konnte. Wie tief aber mein Wesen litt, wenn
ich in Arten des Handelns, die seiner Natur entge¬

ſonen und Sachen iſt, und das Geſchick zu einer thäti¬
gen Einreihung in ein Ganzes und kräftiger Arbeit für
Zwecke, die außer dem Geſichtskreiſe liegen, was nicht
minder eine Grundbedingung für jede Gliederung iſt.
Ich wollte immer am Grundſäzlichen ändern und die
Pfeiler verbeſſern, ſtatt in einem Gegebenen nach
Kräften vorzugehen, ich wollte die Zwecke allein ent¬
werfen, und wollte jede Sache ſo thun, wie ſie für ſich
am beſten iſt, ohne auf das Ganze zu ſehen, und ohne
zu beachten, ob nicht durch mein Vorgehen anderswo
eine Lücke geriſſen werde, die mehr ſchadet, als mein
Erfolg nüzt. Ich wurde, da ich noch kaum mehr als
ein Knabe war, in meine Laufbahn geführt, ohne daß
ich ſie und mich kannte, und ich ging in derſelben fort,
ſo weit ich konnte, weil ich einmal in ihr war, und
mich ſchämte, meine Pflicht nicht zu thun. Wenn ei¬
niges Gute durch mich zu Stande kam, ſo rührt es
daher, daß ich einerſeits in Betrachtung meines Am¬
tes und ſeiner Gebote meinen Kräften eine mögliche
Thätigkeit abrang, und daß andererſeits die Zeiter¬
eigniſſe ſolche Aufgaben herbei führten, bei denen ich
die Pläne des Handelns entwerfen und ſelber durch¬
führen konnte. Wie tief aber mein Weſen litt, wenn
ich in Arten des Handelns, die ſeiner Natur entge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="214"/>
&#x017F;onen und Sachen i&#x017F;t, und das Ge&#x017F;chick zu einer thäti¬<lb/>
gen Einreihung in ein Ganzes und kräftiger Arbeit für<lb/>
Zwecke, die außer dem Ge&#x017F;ichtskrei&#x017F;e liegen, was nicht<lb/>
minder eine Grundbedingung für jede Gliederung i&#x017F;t.<lb/>
Ich wollte immer am Grund&#x017F;äzlichen ändern und die<lb/>
Pfeiler verbe&#x017F;&#x017F;ern, &#x017F;tatt in einem Gegebenen nach<lb/>
Kräften vorzugehen, ich wollte die Zwecke allein ent¬<lb/>
werfen, und wollte jede Sache &#x017F;o thun, wie &#x017F;ie für &#x017F;ich<lb/>
am be&#x017F;ten i&#x017F;t, ohne auf das Ganze zu &#x017F;ehen, und ohne<lb/>
zu beachten, ob nicht durch mein Vorgehen anderswo<lb/>
eine Lücke geri&#x017F;&#x017F;en werde, die mehr &#x017F;chadet, als mein<lb/>
Erfolg nüzt. Ich wurde, da ich noch kaum mehr als<lb/>
ein Knabe war, in meine Laufbahn geführt, ohne daß<lb/>
ich &#x017F;ie und mich kannte, und ich ging in der&#x017F;elben fort,<lb/>
&#x017F;o weit ich konnte, weil ich einmal in ihr war, und<lb/>
mich &#x017F;chämte, meine Pflicht nicht zu thun. Wenn ei¬<lb/>
niges Gute durch mich zu Stande kam, &#x017F;o rührt es<lb/>
daher, daß ich einer&#x017F;eits in Betrachtung meines Am¬<lb/>
tes und &#x017F;einer Gebote meinen Kräften eine mögliche<lb/>
Thätigkeit abrang, und daß anderer&#x017F;eits die Zeiter¬<lb/>
eigni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;olche Aufgaben herbei führten, bei denen ich<lb/>
die Pläne des Handelns entwerfen und &#x017F;elber durch¬<lb/>
führen konnte. Wie tief aber mein We&#x017F;en litt, wenn<lb/>
ich in Arten des Handelns, die &#x017F;einer Natur entge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0228] ſonen und Sachen iſt, und das Geſchick zu einer thäti¬ gen Einreihung in ein Ganzes und kräftiger Arbeit für Zwecke, die außer dem Geſichtskreiſe liegen, was nicht minder eine Grundbedingung für jede Gliederung iſt. Ich wollte immer am Grundſäzlichen ändern und die Pfeiler verbeſſern, ſtatt in einem Gegebenen nach Kräften vorzugehen, ich wollte die Zwecke allein ent¬ werfen, und wollte jede Sache ſo thun, wie ſie für ſich am beſten iſt, ohne auf das Ganze zu ſehen, und ohne zu beachten, ob nicht durch mein Vorgehen anderswo eine Lücke geriſſen werde, die mehr ſchadet, als mein Erfolg nüzt. Ich wurde, da ich noch kaum mehr als ein Knabe war, in meine Laufbahn geführt, ohne daß ich ſie und mich kannte, und ich ging in derſelben fort, ſo weit ich konnte, weil ich einmal in ihr war, und mich ſchämte, meine Pflicht nicht zu thun. Wenn ei¬ niges Gute durch mich zu Stande kam, ſo rührt es daher, daß ich einerſeits in Betrachtung meines Am¬ tes und ſeiner Gebote meinen Kräften eine mögliche Thätigkeit abrang, und daß andererſeits die Zeiter¬ eigniſſe ſolche Aufgaben herbei führten, bei denen ich die Pläne des Handelns entwerfen und ſelber durch¬ führen konnte. Wie tief aber mein Weſen litt, wenn ich in Arten des Handelns, die ſeiner Natur entge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/228
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/228>, abgerufen am 19.04.2024.