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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Auch liegt dieser Gegenstand unserem heutigen Ge¬
spräche zu ferne, und wir können ein anderes Mal
von ihm reden, so weit wir im Urtheile über ihn zu
kommen vermögen. Das ist gewiß: wenn auch im ge¬
genwärtigen Staatsdienste Veränderungen nothwen¬
dig sein sollten, und wenn die Veränderungen in dem
früher angeführten Sinne vor sich gehen werden, so
hat der gegenwärtige Zustand doch in den allgemeinen
Umwandlungen, denen der Staat so wie jedes mensch¬
liche Ding und die Erde selbst unterworfen ist, sein
Recht, er ist ein Glied der Kette, und wird seinem
Nachfolger so weichen, wie er selber aus seinem Vor¬
läufer hervor gegangen ist. Wir haben schon vielmal
über Lebensberuf gesprochen, und daß es so schwer ist,
seine Kräfte zu einer Zeit zu kennen, in welcher man
ihnen ihre Richtung vorzeichnen, das heißt, einen
Lebensweg wählen muß. Wir hatten bei unsern Ge¬
sprächen hauptsächlich die Kunst im Auge, aber auch
von jeder andern Lebensbeschäftigung gilt dasselbe.
Selten sind die Kräfte so groß, daß sie sich der Be¬
trachtung aufdrängen, und die Angehörigen eines
jungen Menschen zur Ergreifung des rechten Gegen¬
standes für ihn führen, oder daß sie selber mit großer
Gewalt ihren Gegenstand ergreifen. Ich hatte außer

Auch liegt dieſer Gegenſtand unſerem heutigen Ge¬
ſpräche zu ferne, und wir können ein anderes Mal
von ihm reden, ſo weit wir im Urtheile über ihn zu
kommen vermögen. Das iſt gewiß: wenn auch im ge¬
genwärtigen Staatsdienſte Veränderungen nothwen¬
dig ſein ſollten, und wenn die Veränderungen in dem
früher angeführten Sinne vor ſich gehen werden, ſo
hat der gegenwärtige Zuſtand doch in den allgemeinen
Umwandlungen, denen der Staat ſo wie jedes menſch¬
liche Ding und die Erde ſelbſt unterworfen iſt, ſein
Recht, er iſt ein Glied der Kette, und wird ſeinem
Nachfolger ſo weichen, wie er ſelber aus ſeinem Vor¬
läufer hervor gegangen iſt. Wir haben ſchon vielmal
über Lebensberuf geſprochen, und daß es ſo ſchwer iſt,
ſeine Kräfte zu einer Zeit zu kennen, in welcher man
ihnen ihre Richtung vorzeichnen, das heißt, einen
Lebensweg wählen muß. Wir hatten bei unſern Ge¬
ſprächen hauptſächlich die Kunſt im Auge, aber auch
von jeder andern Lebensbeſchäftigung gilt daſſelbe.
Selten ſind die Kräfte ſo groß, daß ſie ſich der Be¬
trachtung aufdrängen, und die Angehörigen eines
jungen Menſchen zur Ergreifung des rechten Gegen¬
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[216/0230] Auch liegt dieſer Gegenſtand unſerem heutigen Ge¬ ſpräche zu ferne, und wir können ein anderes Mal von ihm reden, ſo weit wir im Urtheile über ihn zu kommen vermögen. Das iſt gewiß: wenn auch im ge¬ genwärtigen Staatsdienſte Veränderungen nothwen¬ dig ſein ſollten, und wenn die Veränderungen in dem früher angeführten Sinne vor ſich gehen werden, ſo hat der gegenwärtige Zuſtand doch in den allgemeinen Umwandlungen, denen der Staat ſo wie jedes menſch¬ liche Ding und die Erde ſelbſt unterworfen iſt, ſein Recht, er iſt ein Glied der Kette, und wird ſeinem Nachfolger ſo weichen, wie er ſelber aus ſeinem Vor¬ läufer hervor gegangen iſt. Wir haben ſchon vielmal über Lebensberuf geſprochen, und daß es ſo ſchwer iſt, ſeine Kräfte zu einer Zeit zu kennen, in welcher man ihnen ihre Richtung vorzeichnen, das heißt, einen Lebensweg wählen muß. Wir hatten bei unſern Ge¬ ſprächen hauptſächlich die Kunſt im Auge, aber auch von jeder andern Lebensbeſchäftigung gilt daſſelbe. Selten ſind die Kräfte ſo groß, daß ſie ſich der Be¬ trachtung aufdrängen, und die Angehörigen eines jungen Menſchen zur Ergreifung des rechten Gegen¬ ſtandes für ihn führen, oder daß ſie ſelber mit großer Gewalt ihren Gegenſtand ergreifen. Ich hatte außer

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/230>, abgerufen am 28.03.2024.