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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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sich größtentheils außer Hause, die Schwester besorgte
mit der einzigen Magd, die sie hatte, die häuslichen
Geschäfte, und wenn die Abenddämmerung kam,
wurde die Thür, die gegen die Straße ging, mit den
eisernen Stangen von Innen verriegelt, und nur die
in den Garten führende blieb offen, bis die Stunde
zum Schlafen kam, wo sie dann auch die Schwester
mit eigenen Händen schloß. Das häusliche Glück der
zwei Ehegatten schien fest gegründet zu sein, das war
eine Linderung für meine Wunde, und ich verzieh dem
Schwager, daß er nicht ein Mann war, der durch
hohe Begabung und den Schwung seiner Seele die
Schwester zu einem himmlischen Glücke emporgeführt
hatte."

"So vergingen mehrere Wochen. Vor meiner
Abreise ging ich noch in unser Gerichtsamt, verzich¬
tete dort für meine Schwester auf jeden Erbanspruch
des von unsern Eltern hinterlassenen Besizthumes,
und ließ meine Rechte auf die Schwester überschrei¬
ben. So war den beiden Gatten das Dasein, so lange
es ihnen der Himmel verlieh, gesichert; ich hatte als
Erbtheil den Unterricht bekommen, und hoffte durch
das, was er mir an Kenntnissen eingebracht hatte,
und was ich mir noch erwerben wollte, den Unterhalt

ſich größtentheils außer Hauſe, die Schweſter beſorgte
mit der einzigen Magd, die ſie hatte, die häuslichen
Geſchäfte, und wenn die Abenddämmerung kam,
wurde die Thür, die gegen die Straße ging, mit den
eiſernen Stangen von Innen verriegelt, und nur die
in den Garten führende blieb offen, bis die Stunde
zum Schlafen kam, wo ſie dann auch die Schweſter
mit eigenen Händen ſchloß. Das häusliche Glück der
zwei Ehegatten ſchien feſt gegründet zu ſein, das war
eine Linderung für meine Wunde, und ich verzieh dem
Schwager, daß er nicht ein Mann war, der durch
hohe Begabung und den Schwung ſeiner Seele die
Schweſter zu einem himmliſchen Glücke emporgeführt
hatte.“

„So vergingen mehrere Wochen. Vor meiner
Abreiſe ging ich noch in unſer Gerichtsamt, verzich¬
tete dort für meine Schweſter auf jeden Erbanſpruch
des von unſern Eltern hinterlaſſenen Beſizthumes,
und ließ meine Rechte auf die Schweſter überſchrei¬
ben. So war den beiden Gatten das Daſein, ſo lange
es ihnen der Himmel verlieh, geſichert; ich hatte als
Erbtheil den Unterricht bekommen, und hoffte durch
das, was er mir an Kenntniſſen eingebracht hatte,
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[250/0264] ſich größtentheils außer Hauſe, die Schweſter beſorgte mit der einzigen Magd, die ſie hatte, die häuslichen Geſchäfte, und wenn die Abenddämmerung kam, wurde die Thür, die gegen die Straße ging, mit den eiſernen Stangen von Innen verriegelt, und nur die in den Garten führende blieb offen, bis die Stunde zum Schlafen kam, wo ſie dann auch die Schweſter mit eigenen Händen ſchloß. Das häusliche Glück der zwei Ehegatten ſchien feſt gegründet zu ſein, das war eine Linderung für meine Wunde, und ich verzieh dem Schwager, daß er nicht ein Mann war, der durch hohe Begabung und den Schwung ſeiner Seele die Schweſter zu einem himmliſchen Glücke emporgeführt hatte.“ „So vergingen mehrere Wochen. Vor meiner Abreiſe ging ich noch in unſer Gerichtsamt, verzich¬ tete dort für meine Schweſter auf jeden Erbanſpruch des von unſern Eltern hinterlaſſenen Beſizthumes, und ließ meine Rechte auf die Schweſter überſchrei¬ ben. So war den beiden Gatten das Daſein, ſo lange es ihnen der Himmel verlieh, geſichert; ich hatte als Erbtheil den Unterricht bekommen, und hoffte durch das, was er mir an Kenntniſſen eingebracht hatte, und was ich mir noch erwerben wollte, den Unterhalt

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/264>, abgerufen am 16.04.2024.