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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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mein lieber Knabe, dem ich eine glückselige Zukunft
wünsche, eure Gesellschaft genieße. Ich glaube, ihr
werdet vielleicht in einiger Zeit sehen, daß wir eure
Freunde sind, und ihr werdet uns etwa auch eure
Freundschaft schenken. Richtet eure Beschäftigungen
ein, wie ihr wollt, verlegt euch auf das, was euer
künftiger Beruf fordert, und betrachtet euch in allen
Stücken wie in eurem eigenen Hause. Ihr werdet
euch wohl hier an Einfachheit gewöhnen müssen. Wir
haben hier und in der Stadt wenig Besuch, und ma¬
chen auch wenig. Mathilde wird von der Frau selber
erzogen. Mit Erzieherinnen hatten wir kein Glück.
Wir gaben es daher auf, für Mathilden eine Gesell¬
schafterin zu suchen. Sie ist bei der Mutter, zuweilen
sieht sie Mädchen ihres Alters, und manches Mal
wohnt sie Gesprächen und Spaziergängen mit zwei
älteren guten und lieben Mädchen bei. Sonst ist sie
in ihrer Ausbildung begriffen, und bringt ihre Zeit
mit Lernen zu. Wie es mit dem Knaben ist, werdet
ihr wohl sehen. Man hat uns gesagt, daß ihr in der
Stadt sehr zurückgezogen gelebt habt, deßhalb glaub¬
ten wir, daß ihr bei uns nicht gar sehr die menschliche
Gesellschaft vermissen werdet. Ich beschäftige mich mit
einigen wissenschaftlichen Dingen, und wenn euch ein

mein lieber Knabe, dem ich eine glückſelige Zukunft
wünſche, eure Geſellſchaft genieße. Ich glaube, ihr
werdet vielleicht in einiger Zeit ſehen, daß wir eure
Freunde ſind, und ihr werdet uns etwa auch eure
Freundſchaft ſchenken. Richtet eure Beſchäftigungen
ein, wie ihr wollt, verlegt euch auf das, was euer
künftiger Beruf fordert, und betrachtet euch in allen
Stücken wie in eurem eigenen Hauſe. Ihr werdet
euch wohl hier an Einfachheit gewöhnen müſſen. Wir
haben hier und in der Stadt wenig Beſuch, und ma¬
chen auch wenig. Mathilde wird von der Frau ſelber
erzogen. Mit Erzieherinnen hatten wir kein Glück.
Wir gaben es daher auf, für Mathilden eine Geſell¬
ſchafterin zu ſuchen. Sie iſt bei der Mutter, zuweilen
ſieht ſie Mädchen ihres Alters, und manches Mal
wohnt ſie Geſprächen und Spaziergängen mit zwei
älteren guten und lieben Mädchen bei. Sonſt iſt ſie
in ihrer Ausbildung begriffen, und bringt ihre Zeit
mit Lernen zu. Wie es mit dem Knaben iſt, werdet
ihr wohl ſehen. Man hat uns geſagt, daß ihr in der
Stadt ſehr zurückgezogen gelebt habt, deßhalb glaub¬
ten wir, daß ihr bei uns nicht gar ſehr die menſchliche
Geſellſchaft vermiſſen werdet. Ich beſchäftige mich mit
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[261/0275] mein lieber Knabe, dem ich eine glückſelige Zukunft wünſche, eure Geſellſchaft genieße. Ich glaube, ihr werdet vielleicht in einiger Zeit ſehen, daß wir eure Freunde ſind, und ihr werdet uns etwa auch eure Freundſchaft ſchenken. Richtet eure Beſchäftigungen ein, wie ihr wollt, verlegt euch auf das, was euer künftiger Beruf fordert, und betrachtet euch in allen Stücken wie in eurem eigenen Hauſe. Ihr werdet euch wohl hier an Einfachheit gewöhnen müſſen. Wir haben hier und in der Stadt wenig Beſuch, und ma¬ chen auch wenig. Mathilde wird von der Frau ſelber erzogen. Mit Erzieherinnen hatten wir kein Glück. Wir gaben es daher auf, für Mathilden eine Geſell¬ ſchafterin zu ſuchen. Sie iſt bei der Mutter, zuweilen ſieht ſie Mädchen ihres Alters, und manches Mal wohnt ſie Geſprächen und Spaziergängen mit zwei älteren guten und lieben Mädchen bei. Sonſt iſt ſie in ihrer Ausbildung begriffen, und bringt ihre Zeit mit Lernen zu. Wie es mit dem Knaben iſt, werdet ihr wohl ſehen. Man hat uns geſagt, daß ihr in der Stadt ſehr zurückgezogen gelebt habt, deßhalb glaub¬ ten wir, daß ihr bei uns nicht gar ſehr die menſchliche Geſellſchaft vermiſſen werdet. Ich beſchäftige mich mit einigen wiſſenſchaftlichen Dingen, und wenn euch ein

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/275>, abgerufen am 28.03.2024.