Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

dunkle Stoffe, die ihr wohl standen. Wenn sie in dem
tiefen Blau oder in dem Nelkenbraun oder in der
Farbe des Veilchens ging, und das schöne Weiß das
Kleid oben säumte, so wurde eine Anmuth sichtbar,
die gleichsam sagte, daß alles sei, wie es sein muß.
Ihre Wangen waren sehr frisch, sanft roth, und wur¬
den jezt ein wenig länglich, ihr Mund war fast rosen¬
roth, die großen Augen waren sehr glänzend schwarz,
und die reinen braunen Haare gingen von der sanften
Stirne zurück. Die Mutter liebte sie sehr, sie ließ sie
fast gar nicht von sich, sprach mit ihr, ging mit ihr
spazieren, unterrichtete sie auf dem Lande selber, und
wohnte in der Stadt jeder Unterrichtsstunde bei, die
ein fremder Lehrer ertheilte. Nur mit mir und Alfred
ließ sie sie im vergangenen Sommer oft im Garten
auf dem Rasenplaze ja sogar in der Gegend herum
gehen. Da ging ich mit beiden Kindern, fragte sie,
erzählte ihnen, ließ mich selber fragen, und ließ mir
erzählen. Alfred hielt mich größtentheils an der Hand,
oder suchte sich überhaupt irgendwie an mich anzu¬
hängen, sei es selbst mit einem Hakenstäbchen, das
er sich von irgend einem Busche geschnitten hatte.
Mathilde wandelte neben uns. Ich hatte nur den
Auftrag, zu sorgen, daß sie keine heftigen Bewegun¬

dunkle Stoffe, die ihr wohl ſtanden. Wenn ſie in dem
tiefen Blau oder in dem Nelkenbraun oder in der
Farbe des Veilchens ging, und das ſchöne Weiß das
Kleid oben ſäumte, ſo wurde eine Anmuth ſichtbar,
die gleichſam ſagte, daß alles ſei, wie es ſein muß.
Ihre Wangen waren ſehr friſch, ſanft roth, und wur¬
den jezt ein wenig länglich, ihr Mund war faſt roſen¬
roth, die großen Augen waren ſehr glänzend ſchwarz,
und die reinen braunen Haare gingen von der ſanften
Stirne zurück. Die Mutter liebte ſie ſehr, ſie ließ ſie
faſt gar nicht von ſich, ſprach mit ihr, ging mit ihr
ſpazieren, unterrichtete ſie auf dem Lande ſelber, und
wohnte in der Stadt jeder Unterrichtsſtunde bei, die
ein fremder Lehrer ertheilte. Nur mit mir und Alfred
ließ ſie ſie im vergangenen Sommer oft im Garten
auf dem Raſenplaze ja ſogar in der Gegend herum
gehen. Da ging ich mit beiden Kindern, fragte ſie,
erzählte ihnen, ließ mich ſelber fragen, und ließ mir
erzählen. Alfred hielt mich größtentheils an der Hand,
oder ſuchte ſich überhaupt irgendwie an mich anzu¬
hängen, ſei es ſelbſt mit einem Hakenſtäbchen, das
er ſich von irgend einem Buſche geſchnitten hatte.
Mathilde wandelte neben uns. Ich hatte nur den
Auftrag, zu ſorgen, daß ſie keine heftigen Bewegun¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0292" n="278"/>
dunkle Stoffe, die ihr wohl &#x017F;tanden. Wenn &#x017F;ie in dem<lb/>
tiefen Blau oder in dem Nelkenbraun oder in der<lb/>
Farbe des Veilchens ging, und das &#x017F;chöne Weiß das<lb/>
Kleid oben &#x017F;äumte, &#x017F;o wurde eine Anmuth &#x017F;ichtbar,<lb/>
die gleich&#x017F;am &#x017F;agte, daß alles &#x017F;ei, wie es &#x017F;ein muß.<lb/>
Ihre Wangen waren &#x017F;ehr fri&#x017F;ch, &#x017F;anft roth, und wur¬<lb/>
den jezt ein wenig länglich, ihr Mund war fa&#x017F;t ro&#x017F;en¬<lb/>
roth, die großen Augen waren &#x017F;ehr glänzend &#x017F;chwarz,<lb/>
und die reinen braunen Haare gingen von der &#x017F;anften<lb/>
Stirne zurück. Die Mutter liebte &#x017F;ie &#x017F;ehr, &#x017F;ie ließ &#x017F;ie<lb/>
fa&#x017F;t gar nicht von &#x017F;ich, &#x017F;prach mit ihr, ging mit ihr<lb/>
&#x017F;pazieren, unterrichtete &#x017F;ie auf dem Lande &#x017F;elber, und<lb/>
wohnte in der Stadt jeder Unterrichts&#x017F;tunde bei, die<lb/>
ein fremder Lehrer ertheilte. Nur mit mir und Alfred<lb/>
ließ &#x017F;ie &#x017F;ie im vergangenen Sommer oft im Garten<lb/>
auf dem Ra&#x017F;enplaze ja &#x017F;ogar in der Gegend herum<lb/>
gehen. Da ging ich mit beiden Kindern, fragte &#x017F;ie,<lb/>
erzählte ihnen, ließ mich &#x017F;elber fragen, und ließ mir<lb/>
erzählen. Alfred hielt mich größtentheils an der Hand,<lb/>
oder &#x017F;uchte &#x017F;ich überhaupt irgendwie an mich anzu¬<lb/>
hängen, &#x017F;ei es &#x017F;elb&#x017F;t mit einem Haken&#x017F;täbchen, das<lb/>
er &#x017F;ich von irgend einem Bu&#x017F;che ge&#x017F;chnitten hatte.<lb/>
Mathilde wandelte neben uns. Ich hatte nur den<lb/>
Auftrag, zu &#x017F;orgen, daß &#x017F;ie keine heftigen Bewegun¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0292] dunkle Stoffe, die ihr wohl ſtanden. Wenn ſie in dem tiefen Blau oder in dem Nelkenbraun oder in der Farbe des Veilchens ging, und das ſchöne Weiß das Kleid oben ſäumte, ſo wurde eine Anmuth ſichtbar, die gleichſam ſagte, daß alles ſei, wie es ſein muß. Ihre Wangen waren ſehr friſch, ſanft roth, und wur¬ den jezt ein wenig länglich, ihr Mund war faſt roſen¬ roth, die großen Augen waren ſehr glänzend ſchwarz, und die reinen braunen Haare gingen von der ſanften Stirne zurück. Die Mutter liebte ſie ſehr, ſie ließ ſie faſt gar nicht von ſich, ſprach mit ihr, ging mit ihr ſpazieren, unterrichtete ſie auf dem Lande ſelber, und wohnte in der Stadt jeder Unterrichtsſtunde bei, die ein fremder Lehrer ertheilte. Nur mit mir und Alfred ließ ſie ſie im vergangenen Sommer oft im Garten auf dem Raſenplaze ja ſogar in der Gegend herum gehen. Da ging ich mit beiden Kindern, fragte ſie, erzählte ihnen, ließ mich ſelber fragen, und ließ mir erzählen. Alfred hielt mich größtentheils an der Hand, oder ſuchte ſich überhaupt irgendwie an mich anzu¬ hängen, ſei es ſelbſt mit einem Hakenſtäbchen, das er ſich von irgend einem Buſche geſchnitten hatte. Mathilde wandelte neben uns. Ich hatte nur den Auftrag, zu ſorgen, daß ſie keine heftigen Bewegun¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/292
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/292>, abgerufen am 23.04.2024.