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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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daß er ihn zur Erinnerung an mich trage, und meine
Dankbarkeit für seine Bemühungen zur Auffindung
der Ergänzungen der Pfeilerverkleidungen anerkenne.

"Er ist ohnehin ein Nebenbuhler von mir," sagte
ich, "er hat Natalien oft lange und bedeutend ange¬
sehen."

"Das hat einen sehr unschuldigen Grund," ent¬
gegnete mein Gastfreund, "Roland erwarb sich ein
Liebchen mit gleichen Augen und Haaren, wie sie
Natalie besizt. Er hat uns das öfter gesagt. Das
Mädchen ist die Tochter eines Forstmeisters im Ge¬
birge, und ihm äußerst zugethan. Da nun der Arme
ihren Anblick oft lange entbehren muß, so sah er zur
Erquickung Natalien an. Es hat Schwierigkeiten mit
diesem jungen Manne, ich wünsche sein Wohl. Er
kann ein bedeutender Künstler werden oder auch ein
unglücklicher Mensch, wenn sich nehmlich sein Feuer,
das der Kunst entgegen wallt, von seinem Gegen¬
stande abwendet, und sich gegen das Innere des jun¬
gen Mannes richtet. Ich hoffe aber, daß ich alles
werde ins Gleiche bringen können."

Da alle nothwendigen Dinge in der Stadt abge¬
than waren, wurde die Rückreise angetreten, und zwar
in den Asperhof. Die Zeit der Rosenblüthe war

daß er ihn zur Erinnerung an mich trage, und meine
Dankbarkeit für ſeine Bemühungen zur Auffindung
der Ergänzungen der Pfeilerverkleidungen anerkenne.

„Er iſt ohnehin ein Nebenbuhler von mir,“ ſagte
ich, „er hat Natalien oft lange und bedeutend ange¬
ſehen.“

„Das hat einen ſehr unſchuldigen Grund,“ ent¬
gegnete mein Gaſtfreund, „Roland erwarb ſich ein
Liebchen mit gleichen Augen und Haaren, wie ſie
Natalie beſizt. Er hat uns das öfter geſagt. Das
Mädchen iſt die Tochter eines Forſtmeiſters im Ge¬
birge, und ihm äußerſt zugethan. Da nun der Arme
ihren Anblick oft lange entbehren muß, ſo ſah er zur
Erquickung Natalien an. Es hat Schwierigkeiten mit
dieſem jungen Manne, ich wünſche ſein Wohl. Er
kann ein bedeutender Künſtler werden oder auch ein
unglücklicher Menſch, wenn ſich nehmlich ſein Feuer,
das der Kunſt entgegen wallt, von ſeinem Gegen¬
ſtande abwendet, und ſich gegen das Innere des jun¬
gen Mannes richtet. Ich hoffe aber, daß ich alles
werde ins Gleiche bringen können.“

Da alle nothwendigen Dinge in der Stadt abge¬
than waren, wurde die Rückreiſe angetreten, und zwar
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[437/0451] daß er ihn zur Erinnerung an mich trage, und meine Dankbarkeit für ſeine Bemühungen zur Auffindung der Ergänzungen der Pfeilerverkleidungen anerkenne. „Er iſt ohnehin ein Nebenbuhler von mir,“ ſagte ich, „er hat Natalien oft lange und bedeutend ange¬ ſehen.“ „Das hat einen ſehr unſchuldigen Grund,“ ent¬ gegnete mein Gaſtfreund, „Roland erwarb ſich ein Liebchen mit gleichen Augen und Haaren, wie ſie Natalie beſizt. Er hat uns das öfter geſagt. Das Mädchen iſt die Tochter eines Forſtmeiſters im Ge¬ birge, und ihm äußerſt zugethan. Da nun der Arme ihren Anblick oft lange entbehren muß, ſo ſah er zur Erquickung Natalien an. Es hat Schwierigkeiten mit dieſem jungen Manne, ich wünſche ſein Wohl. Er kann ein bedeutender Künſtler werden oder auch ein unglücklicher Menſch, wenn ſich nehmlich ſein Feuer, das der Kunſt entgegen wallt, von ſeinem Gegen¬ ſtande abwendet, und ſich gegen das Innere des jun¬ gen Mannes richtet. Ich hoffe aber, daß ich alles werde ins Gleiche bringen können.“ Da alle nothwendigen Dinge in der Stadt abge¬ than waren, wurde die Rückreiſe angetreten, und zwar in den Asperhof. Die Zeit der Roſenblüthe war

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/451>, abgerufen am 25.04.2024.