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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Widerscheine ihrer Freunde leben. Das sei ihre Lage,
sie daure ihrer Natur nach fort, und gehe ihrer Ent¬
wicklung entgegen. Ich hatte mir die Worte gemerkt,
und hatte sie tief ins Herz genommen.

Ein Theil dieser Entwicklung, glaubte ich nun, war
gekommen, der zweite wird mit Gustavs Ansiedlung
eintreten. An mir hatten die Frauen wieder einen
Halt gewonnen, daß sich ein fester Kern ihres Da¬
seins wieder darstelle; ein neues Band war durch mich
von ihnen zu den Meinigen geschlungen, und selbst
das Verhältniß zu Risach hatte an Rundung und
Festigkeit gewonnen. Den Abschluß der Familienzu¬
sammengehörigkeit wird dann Gustav bringen.

Was mich selber anbelangt, so hatte ich nach der
gemeinschaftlichen Reise in die höheren Lande die Frage
an mich gestellt, ob ein Umgang mit lieben Freunden
ob die Kunst die Dichtung die Wissenschaft das Leben
umschreibe und vollende, oder ob es noch ein Ferneres
gäbe, das es umschließe, und es mit weit größerem
Glück erfülle. Dieses größere Glück, ein Glück, das
unerschöpflich scheint, ist mir nun von einer ganz an¬
deren Seite gekommen als ich damals ahnte. Ob ich
es nun in der Wissenschaft, der ich nie abtrünnig
werden wollte, weit werde bringen können, ob mir

Widerſcheine ihrer Freunde leben. Das ſei ihre Lage,
ſie daure ihrer Natur nach fort, und gehe ihrer Ent¬
wicklung entgegen. Ich hatte mir die Worte gemerkt,
und hatte ſie tief ins Herz genommen.

Ein Theil dieſer Entwicklung, glaubte ich nun, war
gekommen, der zweite wird mit Guſtavs Anſiedlung
eintreten. An mir hatten die Frauen wieder einen
Halt gewonnen, daß ſich ein feſter Kern ihres Da¬
ſeins wieder darſtelle; ein neues Band war durch mich
von ihnen zu den Meinigen geſchlungen, und ſelbſt
das Verhältniß zu Riſach hatte an Rundung und
Feſtigkeit gewonnen. Den Abſchluß der Familienzu¬
ſammengehörigkeit wird dann Guſtav bringen.

Was mich ſelber anbelangt, ſo hatte ich nach der
gemeinſchaftlichen Reiſe in die höheren Lande die Frage
an mich geſtellt, ob ein Umgang mit lieben Freunden
ob die Kunſt die Dichtung die Wiſſenſchaft das Leben
umſchreibe und vollende, oder ob es noch ein Ferneres
gäbe, das es umſchließe, und es mit weit größerem
Glück erfülle. Dieſes größere Glück, ein Glück, das
unerſchöpflich ſcheint, iſt mir nun von einer ganz an¬
deren Seite gekommen als ich damals ahnte. Ob ich
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werden wollte, weit werde bringen können, ob mir

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[443/0457] Widerſcheine ihrer Freunde leben. Das ſei ihre Lage, ſie daure ihrer Natur nach fort, und gehe ihrer Ent¬ wicklung entgegen. Ich hatte mir die Worte gemerkt, und hatte ſie tief ins Herz genommen. Ein Theil dieſer Entwicklung, glaubte ich nun, war gekommen, der zweite wird mit Guſtavs Anſiedlung eintreten. An mir hatten die Frauen wieder einen Halt gewonnen, daß ſich ein feſter Kern ihres Da¬ ſeins wieder darſtelle; ein neues Band war durch mich von ihnen zu den Meinigen geſchlungen, und ſelbſt das Verhältniß zu Riſach hatte an Rundung und Feſtigkeit gewonnen. Den Abſchluß der Familienzu¬ ſammengehörigkeit wird dann Guſtav bringen. Was mich ſelber anbelangt, ſo hatte ich nach der gemeinſchaftlichen Reiſe in die höheren Lande die Frage an mich geſtellt, ob ein Umgang mit lieben Freunden ob die Kunſt die Dichtung die Wiſſenſchaft das Leben umſchreibe und vollende, oder ob es noch ein Ferneres gäbe, das es umſchließe, und es mit weit größerem Glück erfülle. Dieſes größere Glück, ein Glück, das unerſchöpflich ſcheint, iſt mir nun von einer ganz an¬ deren Seite gekommen als ich damals ahnte. Ob ich es nun in der Wiſſenſchaft, der ich nie abtrünnig werden wollte, weit werde bringen können, ob mir

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/457>, abgerufen am 25.04.2024.