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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Gartenhaus. Der Gärtner Simon trat mir mit einer
Art Ehrerbiethung entgegen und rief seine Gattin Clara
herbei, um ihr zu sagen, daß ich da sei, und um sie
zu veranlassen, daß sie mir ihre Verbeugung mache.
Er hatte dies sonst nie gethan. Als diese Art von
Vorstellung vorüber war, führte er mich erst in den
Garten, wie er mit kurzem Ausdrucke blos seine
Gewächshäuser nannte. Er zeigte mir wieder seine
Pflanzen, erklärte mir, was neu erworben worden
war, was sich besonders schön entwickelt habe, und
was in gutem Stande geblieben sei; er erzählte mir
auch, welche Verluste man erlitten habe, wie die
Pflanzen im schönsten Gedeihen gewesen seien, die
man verloren habe, und welchen besonderen Ursachen
man ihren Verlust zuschreiben müsse. Er bedachte
hiebei nicht, daß etwa meine Gedanken anderswo
sein könnten, wie er bei einer früheren Gelegenheit
auch nicht geahnt hatte, daß mein Gemüth abwesend
sei, da er mir ebenfalls mit vieler Lust und großer
Umsicht seine Gewächse erklärt hatte. Besonders eifrig
war er in der Darlegung der Vorzüge und Schön¬
heiten der Rose, welche die Frau des Sternenhofes für
den Herrn des Hauses aus England verschrieben habe.
Er führte mich zu ihr, und zeigte mir alle Vortrefflich¬

Stifter. Nachsommer. III. 5

Gartenhaus. Der Gärtner Simon trat mir mit einer
Art Ehrerbiethung entgegen und rief ſeine Gattin Clara
herbei, um ihr zu ſagen, daß ich da ſei, und um ſie
zu veranlaſſen, daß ſie mir ihre Verbeugung mache.
Er hatte dies ſonſt nie gethan. Als dieſe Art von
Vorſtellung vorüber war, führte er mich erſt in den
Garten, wie er mit kurzem Ausdrucke blos ſeine
Gewächshäuſer nannte. Er zeigte mir wieder ſeine
Pflanzen, erklärte mir, was neu erworben worden
war, was ſich beſonders ſchön entwickelt habe, und
was in gutem Stande geblieben ſei; er erzählte mir
auch, welche Verluſte man erlitten habe, wie die
Pflanzen im ſchönſten Gedeihen geweſen ſeien, die
man verloren habe, und welchen beſonderen Urſachen
man ihren Verluſt zuſchreiben müſſe. Er bedachte
hiebei nicht, daß etwa meine Gedanken anderswo
ſein könnten, wie er bei einer früheren Gelegenheit
auch nicht geahnt hatte, daß mein Gemüth abweſend
ſei, da er mir ebenfalls mit vieler Luſt und großer
Umſicht ſeine Gewächſe erklärt hatte. Beſonders eifrig
war er in der Darlegung der Vorzüge und Schön¬
heiten der Roſe, welche die Frau des Sternenhofes für
den Herrn des Hauſes aus England verſchrieben habe.
Er führte mich zu ihr, und zeigte mir alle Vortrefflich¬

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[65/0079] Gartenhaus. Der Gärtner Simon trat mir mit einer Art Ehrerbiethung entgegen und rief ſeine Gattin Clara herbei, um ihr zu ſagen, daß ich da ſei, und um ſie zu veranlaſſen, daß ſie mir ihre Verbeugung mache. Er hatte dies ſonſt nie gethan. Als dieſe Art von Vorſtellung vorüber war, führte er mich erſt in den Garten, wie er mit kurzem Ausdrucke blos ſeine Gewächshäuſer nannte. Er zeigte mir wieder ſeine Pflanzen, erklärte mir, was neu erworben worden war, was ſich beſonders ſchön entwickelt habe, und was in gutem Stande geblieben ſei; er erzählte mir auch, welche Verluſte man erlitten habe, wie die Pflanzen im ſchönſten Gedeihen geweſen ſeien, die man verloren habe, und welchen beſonderen Urſachen man ihren Verluſt zuſchreiben müſſe. Er bedachte hiebei nicht, daß etwa meine Gedanken anderswo ſein könnten, wie er bei einer früheren Gelegenheit auch nicht geahnt hatte, daß mein Gemüth abweſend ſei, da er mir ebenfalls mit vieler Luſt und großer Umſicht ſeine Gewächſe erklärt hatte. Beſonders eifrig war er in der Darlegung der Vorzüge und Schön¬ heiten der Roſe, welche die Frau des Sternenhofes für den Herrn des Hauſes aus England verſchrieben habe. Er führte mich zu ihr, und zeigte mir alle Vortrefflich¬ Stifter. Nachſommer. III. 5

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/79>, abgerufen am 20.04.2024.