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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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das gethan haben, so fühlen wir uns befriediget, wir
fühlen uns noch viel höher und inniger als wir uns
als Einzelne fühlen, wir fühlen uns als ganze
Menschheit. Es gibt daher Kräfte, die nach dem Be¬
stehen der gesammten Menschheit hinwirken, die durch
die Einzelkräfte nicht beschränkt werden dürfen, ja im
Gegentheile beschränkend auf sie selber einwirken. Es
ist das Gesez dieser Kräfte das Gesez der Gerechtig¬
keit das Gesez der Sitte, das Gesez, das will, daß
jeder geachtet geehrt ungefährdet neben dem Andern
bestehe, daß er seine höhere menschliche Laufbahn
gehen könne, sich Liebe und Bewunderung seiner
Mitmenschen erwerbe, daß er als Kleinod gehütet
werde, wie jeder Mensch ein Kleinod für alle andern
Menschen ist. Dieses Gesez liegt überall, wo Men¬
schen neben Menschen wohnen, und es zeigt sich,
wenn Menschen gegen Menschen wirken. Es liegt in
der Liebe der Ehegatten zu einander in der Liebe der
Eltern zu den Kindern der Kinder zu den Eltern in
der Liebe der Geschwister der Freunde zu einander in
der süßen Neigung beider Geschlechter in der Arbeit¬
samkeit, wodurch wir erhalten werden, in der Thätig¬
keit, wodurch man für seinen Kreis für die Ferne für
die Menschheit wirkt, und endlich in der Ordnung
und Gestalt, womit ganze Gesellschaften und Staaten

das gethan haben, ſo fühlen wir uns befriediget, wir
fühlen uns noch viel höher und inniger als wir uns
als Einzelne fühlen, wir fühlen uns als ganze
Menſchheit. Es gibt daher Kräfte, die nach dem Be¬
ſtehen der geſammten Menſchheit hinwirken, die durch
die Einzelkräfte nicht beſchränkt werden dürfen, ja im
Gegentheile beſchränkend auf ſie ſelber einwirken. Es
iſt das Geſez dieſer Kräfte das Geſez der Gerechtig¬
keit das Geſez der Sitte, das Geſez, das will, daß
jeder geachtet geehrt ungefährdet neben dem Andern
beſtehe, daß er ſeine höhere menſchliche Laufbahn
gehen könne, ſich Liebe und Bewunderung ſeiner
Mitmenſchen erwerbe, daß er als Kleinod gehütet
werde, wie jeder Menſch ein Kleinod für alle andern
Menſchen iſt. Dieſes Geſez liegt überall, wo Men¬
ſchen neben Menſchen wohnen, und es zeigt ſich,
wenn Menſchen gegen Menſchen wirken. Es liegt in
der Liebe der Ehegatten zu einander in der Liebe der
Eltern zu den Kindern der Kinder zu den Eltern in
der Liebe der Geschwiſter der Freunde zu einander in
der ſüßen Neigung beider Geſchlechter in der Arbeit¬
ſamkeit, wodurch wir erhalten werden, in der Thätig¬
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die Menſchheit wirkt, und endlich in der Ordnung
und Geſtalt, womit ganze Geſellſchaften und Staaten

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[7/0020] das gethan haben, ſo fühlen wir uns befriediget, wir fühlen uns noch viel höher und inniger als wir uns als Einzelne fühlen, wir fühlen uns als ganze Menſchheit. Es gibt daher Kräfte, die nach dem Be¬ ſtehen der geſammten Menſchheit hinwirken, die durch die Einzelkräfte nicht beſchränkt werden dürfen, ja im Gegentheile beſchränkend auf ſie ſelber einwirken. Es iſt das Geſez dieſer Kräfte das Geſez der Gerechtig¬ keit das Geſez der Sitte, das Geſez, das will, daß jeder geachtet geehrt ungefährdet neben dem Andern beſtehe, daß er ſeine höhere menſchliche Laufbahn gehen könne, ſich Liebe und Bewunderung ſeiner Mitmenſchen erwerbe, daß er als Kleinod gehütet werde, wie jeder Menſch ein Kleinod für alle andern Menſchen iſt. Dieſes Geſez liegt überall, wo Men¬ ſchen neben Menſchen wohnen, und es zeigt ſich, wenn Menſchen gegen Menſchen wirken. Es liegt in der Liebe der Ehegatten zu einander in der Liebe der Eltern zu den Kindern der Kinder zu den Eltern in der Liebe der Geschwiſter der Freunde zu einander in der ſüßen Neigung beider Geſchlechter in der Arbeit¬ ſamkeit, wodurch wir erhalten werden, in der Thätig¬ keit, wodurch man für ſeinen Kreis für die Ferne für die Menſchheit wirkt, und endlich in der Ordnung und Geſtalt, womit ganze Geſellſchaften und Staaten

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/20>, abgerufen am 28.03.2024.