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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Es hat keiner etwas zu befehlen, das Gesetz allein befiehlt.

Aber sind die Personen auch gleich geworden, so doch
nicht ihr Besitzthum. Und doch braucht der Arme den
Reichen, der Reiche den Armen, jener das Geld des Reichen,
dieser die Arbeit des Armen. Also es braucht keiner den An¬
dern als Person, aber er braucht ihn als Gebenden, mit¬
hin als einen, der etwas zu geben hat, als Inhaber oder
Besitzer. Was er also hat, das macht den Mann. Und
im Haben oder an "Habe" sind die Leute ungleich.

Folglich, so schließt der sociale Liberalismus, muß Ke
ner haben, wie dem politischen Liberalismus zufolge Ke
ner befehlen sollte, d. h. wie hier der Staat allein den
Befehl erhielt, so nun die Gesellschaft allein die Habe.

Indem nämlich der Staat eines Jeden Person und Eigen¬
thum gegen den Andern schützt, trennt er sie von einander:
Jeder ist sein Theil für sich und hat sein Theil für sich.
Wem genügt, was er ist und hat, der findet bei diesem Stande
der Dinge seine Rechnung; wer aber mehr sein und ha¬
ben möchte, der sieht sich nach diesem Mehr um und findet
es in der Gewalt anderer Personen. Hier geräth er auf
einen Widerspruch: als Person steht keiner dem Andern nach,
und doch hat die eine Person, was die andere nicht hat,
aber haben möchte. Also, schließt er daraus, ist doch die eine
Person mehr als die andere, denn jene hat, was sie braucht,
diese hat es nicht, jene ist ein Reicher, diese ein Armer.

Sollen Wir, fragt er sich nunmehr weiter, wieder auf¬
leben lassen, was Wir mit Recht begruben, sollen Wir
diese auf einem Umwege wiederhergestellte Ungleichheit der
Personen gelten lassen? Nein, Wir müssen im Gegentheil,
was nur halb vollbracht war, ganz zu Ende führen. Unserer

Es hat keiner etwas zu befehlen, das Geſetz allein befiehlt.

Aber ſind die Perſonen auch gleich geworden, ſo doch
nicht ihr Beſitzthum. Und doch braucht der Arme den
Reichen, der Reiche den Armen, jener das Geld des Reichen,
dieſer die Arbeit des Armen. Alſo es braucht keiner den An¬
dern als Perſon, aber er braucht ihn als Gebenden, mit¬
hin als einen, der etwas zu geben hat, als Inhaber oder
Beſitzer. Was er alſo hat, das macht den Mann. Und
im Haben oder an „Habe“ ſind die Leute ungleich.

Folglich, ſo ſchließt der ſociale Liberalismus, muß Ke
ner haben, wie dem politiſchen Liberalismus zufolge Ke
ner befehlen ſollte, d. h. wie hier der Staat allein den
Befehl erhielt, ſo nun die Geſellſchaft allein die Habe.

Indem nämlich der Staat eines Jeden Perſon und Eigen¬
thum gegen den Andern ſchützt, trennt er ſie von einander:
Jeder iſt ſein Theil für ſich und hat ſein Theil für ſich.
Wem genügt, was er iſt und hat, der findet bei dieſem Stande
der Dinge ſeine Rechnung; wer aber mehr ſein und ha¬
ben möchte, der ſieht ſich nach dieſem Mehr um und findet
es in der Gewalt anderer Perſonen. Hier geräth er auf
einen Widerſpruch: als Perſon ſteht keiner dem Andern nach,
und doch hat die eine Perſon, was die andere nicht hat,
aber haben möchte. Alſo, ſchließt er daraus, iſt doch die eine
Perſon mehr als die andere, denn jene hat, was ſie braucht,
dieſe hat es nicht, jene iſt ein Reicher, dieſe ein Armer.

Sollen Wir, fragt er ſich nunmehr weiter, wieder auf¬
leben laſſen, was Wir mit Recht begruben, ſollen Wir
dieſe auf einem Umwege wiederhergeſtellte Ungleichheit der
Perſonen gelten laſſen? Nein, Wir müſſen im Gegentheil,
was nur halb vollbracht war, ganz zu Ende führen. Unſerer

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[154/0162] Es hat keiner etwas zu befehlen, das Geſetz allein befiehlt. Aber ſind die Perſonen auch gleich geworden, ſo doch nicht ihr Beſitzthum. Und doch braucht der Arme den Reichen, der Reiche den Armen, jener das Geld des Reichen, dieſer die Arbeit des Armen. Alſo es braucht keiner den An¬ dern als Perſon, aber er braucht ihn als Gebenden, mit¬ hin als einen, der etwas zu geben hat, als Inhaber oder Beſitzer. Was er alſo hat, das macht den Mann. Und im Haben oder an „Habe“ ſind die Leute ungleich. Folglich, ſo ſchließt der ſociale Liberalismus, muß Kei¬ ner haben, wie dem politiſchen Liberalismus zufolge Kei¬ ner befehlen ſollte, d. h. wie hier der Staat allein den Befehl erhielt, ſo nun die Geſellſchaft allein die Habe. Indem nämlich der Staat eines Jeden Perſon und Eigen¬ thum gegen den Andern ſchützt, trennt er ſie von einander: Jeder iſt ſein Theil für ſich und hat ſein Theil für ſich. Wem genügt, was er iſt und hat, der findet bei dieſem Stande der Dinge ſeine Rechnung; wer aber mehr ſein und ha¬ ben möchte, der ſieht ſich nach dieſem Mehr um und findet es in der Gewalt anderer Perſonen. Hier geräth er auf einen Widerſpruch: als Perſon ſteht keiner dem Andern nach, und doch hat die eine Perſon, was die andere nicht hat, aber haben möchte. Alſo, ſchließt er daraus, iſt doch die eine Perſon mehr als die andere, denn jene hat, was ſie braucht, dieſe hat es nicht, jene iſt ein Reicher, dieſe ein Armer. Sollen Wir, fragt er ſich nunmehr weiter, wieder auf¬ leben laſſen, was Wir mit Recht begruben, ſollen Wir dieſe auf einem Umwege wiederhergeſtellte Ungleichheit der Perſonen gelten laſſen? Nein, Wir müſſen im Gegentheil, was nur halb vollbracht war, ganz zu Ende führen. Unſerer

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/162>, abgerufen am 25.04.2024.