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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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Altgesellen, was er bei dem hochlöblichen Gesellenma-
chen gesehen habe
, unter anderm: so hab' ich auch ge-
sehen Gesellen, Kranzgesellen, Bandgesellen und
allerhand Farben-Lieberei
etc.

Es gab noch eine Art Geschenk bei den Seilern, welches sie
Gastgeschenk nannten; es wurde wahrscheinlich den Gesellen
gereicht, welche in einer benachbarten kleinen Stadt, wo sie keine
Lade, oder wie sie sagten, Aeltest und Jüngst hatten, arbeiteten
und um sich nicht zu isoliren, zu der nächsten Brüderschaft hiel-
ten, und daher ihrer Auflage beiwohnten; solchen Gesellen wurde
auch der sogenannte Schenkgroschen gereicht, den sie nach ge-
sprochenem großen Gruß wieder zurückgaben, wenn sie das Gast-
geschenk in Natura empfangen hatten.

Waren alle Angelegenheiten, wie sie bei der Auflage in
ihren schwerfälligen Formen vorkamen, beseitiget, so hielt der
Altgesell noch einmal Umfrage, ob die Brüderschaft noch etwas
zu erinnern habe, dann verschenkte er sein Amt, das heißt er
wählte selbst einen aus der Brüderschaft zu seinem Nachfolger;
nach dessen Annahme übergab er ihm die Lade mit allen hinein-
gehörenden Stücken, wünschte ihm Glück dazu und trat zurück;
eben so verfuhr der Junggesell, er übergab dem jüngsten, oder
dem zuletzt eingewanderten Gesellen, seine Schlüssel zur Lade.

Der neue Altgesell hielt nun, nach vorher gesprochenem
Gruß, noch eine Umfrage; meldete sich Niemand mit einer Be-
schwerde oder Erinnerung, so verschloß er die Lade, nach ihm
der Junggesell, nahm seinen Hut und sagte:

So mit V. u. G., der Filz ist mein.

IV. Gebräuche der Böttchergesellen in Magde-
burg bei der Auflage bis 1806
.

Die Auflage der Böttchergesellen wurde eben so gehalten,
nur mit großer Beschränkung des Wortkrams, wie wir ihn bei
den Seilern gehört haben. Derselbe Zweck waltete vor, daher
ähnliche Fragen und Antworten, aber ohne die barbarische Härte
und ermüdende Wiederholung, wie bei manchen anderen Brü-

7*

Altgeſellen, was er bei dem hochlöblichen Geſellenma-
chen geſehen habe
, unter anderm: ſo hab’ ich auch ge-
ſehen Geſellen, Kranzgeſellen, Bandgeſellen und
allerhand Farben-Lieberei
ꝛc.

Es gab noch eine Art Geſchenk bei den Seilern, welches ſie
Gaſtgeſchenk nannten; es wurde wahrſcheinlich den Geſellen
gereicht, welche in einer benachbarten kleinen Stadt, wo ſie keine
Lade, oder wie ſie ſagten, Aelteſt und Jüngſt hatten, arbeiteten
und um ſich nicht zu iſoliren, zu der nächſten Brüderſchaft hiel-
ten, und daher ihrer Auflage beiwohnten; ſolchen Geſellen wurde
auch der ſogenannte Schenkgroſchen gereicht, den ſie nach ge-
ſprochenem großen Gruß wieder zurückgaben, wenn ſie das Gaſt-
geſchenk in Natura empfangen hatten.

Waren alle Angelegenheiten, wie ſie bei der Auflage in
ihren ſchwerfälligen Formen vorkamen, beſeitiget, ſo hielt der
Altgeſell noch einmal Umfrage, ob die Brüderſchaft noch etwas
zu erinnern habe, dann verſchenkte er ſein Amt, das heißt er
wählte ſelbſt einen aus der Brüderſchaft zu ſeinem Nachfolger;
nach deſſen Annahme übergab er ihm die Lade mit allen hinein-
gehörenden Stücken, wünſchte ihm Glück dazu und trat zurück;
eben ſo verfuhr der Junggeſell, er übergab dem jüngſten, oder
dem zuletzt eingewanderten Geſellen, ſeine Schlüſſel zur Lade.

Der neue Altgeſell hielt nun, nach vorher geſprochenem
Gruß, noch eine Umfrage; meldete ſich Niemand mit einer Be-
ſchwerde oder Erinnerung, ſo verſchloß er die Lade, nach ihm
der Junggeſell, nahm ſeinen Hut und ſagte:

So mit V. u. G., der Filz iſt mein.

IV. Gebräuche der Böttchergeſellen in Magde-
burg bei der Auflage bis 1806
.

Die Auflage der Böttchergeſellen wurde eben ſo gehalten,
nur mit großer Beſchränkung des Wortkrams, wie wir ihn bei
den Seilern gehört haben. Derſelbe Zweck waltete vor, daher
ähnliche Fragen und Antworten, aber ohne die barbariſche Härte
und ermüdende Wiederholung, wie bei manchen anderen Brü-

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[99/0109] Altgeſellen, was er bei dem hochlöblichen Geſellenma- chen geſehen habe, unter anderm: ſo hab’ ich auch ge- ſehen Geſellen, Kranzgeſellen, Bandgeſellen und allerhand Farben-Lieberei ꝛc. Es gab noch eine Art Geſchenk bei den Seilern, welches ſie Gaſtgeſchenk nannten; es wurde wahrſcheinlich den Geſellen gereicht, welche in einer benachbarten kleinen Stadt, wo ſie keine Lade, oder wie ſie ſagten, Aelteſt und Jüngſt hatten, arbeiteten und um ſich nicht zu iſoliren, zu der nächſten Brüderſchaft hiel- ten, und daher ihrer Auflage beiwohnten; ſolchen Geſellen wurde auch der ſogenannte Schenkgroſchen gereicht, den ſie nach ge- ſprochenem großen Gruß wieder zurückgaben, wenn ſie das Gaſt- geſchenk in Natura empfangen hatten. Waren alle Angelegenheiten, wie ſie bei der Auflage in ihren ſchwerfälligen Formen vorkamen, beſeitiget, ſo hielt der Altgeſell noch einmal Umfrage, ob die Brüderſchaft noch etwas zu erinnern habe, dann verſchenkte er ſein Amt, das heißt er wählte ſelbſt einen aus der Brüderſchaft zu ſeinem Nachfolger; nach deſſen Annahme übergab er ihm die Lade mit allen hinein- gehörenden Stücken, wünſchte ihm Glück dazu und trat zurück; eben ſo verfuhr der Junggeſell, er übergab dem jüngſten, oder dem zuletzt eingewanderten Geſellen, ſeine Schlüſſel zur Lade. Der neue Altgeſell hielt nun, nach vorher geſprochenem Gruß, noch eine Umfrage; meldete ſich Niemand mit einer Be- ſchwerde oder Erinnerung, ſo verſchloß er die Lade, nach ihm der Junggeſell, nahm ſeinen Hut und ſagte: So mit V. u. G., der Filz iſt mein. IV. Gebräuche der Böttchergeſellen in Magde- burg bei der Auflage bis 1806. Die Auflage der Böttchergeſellen wurde eben ſo gehalten, nur mit großer Beſchränkung des Wortkrams, wie wir ihn bei den Seilern gehört haben. Derſelbe Zweck waltete vor, daher ähnliche Fragen und Antworten, aber ohne die barbariſche Härte und ermüdende Wiederholung, wie bei manchen anderen Brü- 7*

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/109>, abgerufen am 29.03.2024.