Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Erster Abschnitt.

Allgemeine Uebersicht.

So lange die Handwerker als freie Arbeiter oder in den
Städten nur als Ansiedler ihr Gewerbe trieben, konnte, wenn
sie sich auch technisch von einander unterschieden, in ihren Werk-
stätten zwischen Meister und Gehülfen nur ein Contractsverhältniß
ohne rechtliche Wirkung für die Zukunft bestehen. Der Besitzer
einer Werkstatt oder eines Arbeitsplatzes fand in seinen heran-
wachsenden Söhnen oder fremden Knaben die nöthige Hand-
reichung, wobei diese sein Handwerk bis zu einem Grad von
Vollkommenheit, den nur ihre Willkühr oder ein Gefühl von
Selbstständigkeit bestimmte, erlernten und dann, wenn sie die
Mittel dazu besaßen, dasselbe für ihre Rechnung trieben. Ein
Stand zwischen Lehrling und Meister mit auszeichnenden recht-
lichen Befugnissen und Pflichten, wie wir ihn seit Jahrhunderten
unter dem Namen Handwerksgesell oder schlechthin Ge-
sell
kennen, war so wenig vorhanden als nothwendig, da der
Titel Meister noch keinen politischen, sondern allein Künst-
lerwerth
hatte, und jedem freien Mann unbenommen war auf
alle Weise sich seinen Unterhalt zu erwerben, denn die mechani-
schen Arbeiter hatten als solche noch kein festes bürgerliches
Verhältniß in den Städten erlangt. Durch ihr Zusammentreten

1
Erſter Abſchnitt.

Allgemeine Ueberſicht.

So lange die Handwerker als freie Arbeiter oder in den
Städten nur als Anſiedler ihr Gewerbe trieben, konnte, wenn
ſie ſich auch techniſch von einander unterſchieden, in ihren Werk-
ſtätten zwiſchen Meiſter und Gehülfen nur ein Contractsverhältniß
ohne rechtliche Wirkung für die Zukunft beſtehen. Der Beſitzer
einer Werkſtatt oder eines Arbeitsplatzes fand in ſeinen heran-
wachſenden Söhnen oder fremden Knaben die nöthige Hand-
reichung, wobei dieſe ſein Handwerk bis zu einem Grad von
Vollkommenheit, den nur ihre Willkühr oder ein Gefühl von
Selbſtſtändigkeit beſtimmte, erlernten und dann, wenn ſie die
Mittel dazu beſaßen, daſſelbe für ihre Rechnung trieben. Ein
Stand zwiſchen Lehrling und Meiſter mit auszeichnenden recht-
lichen Befugniſſen und Pflichten, wie wir ihn ſeit Jahrhunderten
unter dem Namen Handwerksgeſell oder ſchlechthin Ge-
ſell
kennen, war ſo wenig vorhanden als nothwendig, da der
Titel Meiſter noch keinen politiſchen, ſondern allein Künſt-
lerwerth
hatte, und jedem freien Mann unbenommen war auf
alle Weiſe ſich ſeinen Unterhalt zu erwerben, denn die mechani-
ſchen Arbeiter hatten als ſolche noch kein feſtes bürgerliches
Verhältniß in den Städten erlangt. Durch ihr Zuſammentreten

1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0011" n="[1]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt</hi>.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/> Allgemeine Ueber&#x017F;icht.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>o lange die Handwerker als freie Arbeiter oder in den<lb/>
Städten nur als An&#x017F;iedler ihr Gewerbe trieben, konnte, wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich auch techni&#x017F;ch von einander unter&#x017F;chieden, in ihren Werk-<lb/>
&#x017F;tätten zwi&#x017F;chen Mei&#x017F;ter und Gehülfen nur ein Contractsverhältniß<lb/>
ohne rechtliche Wirkung für die Zukunft be&#x017F;tehen. Der Be&#x017F;itzer<lb/>
einer Werk&#x017F;tatt oder eines Arbeitsplatzes fand in &#x017F;einen heran-<lb/>
wach&#x017F;enden Söhnen oder fremden Knaben die nöthige Hand-<lb/>
reichung, wobei die&#x017F;e &#x017F;ein Handwerk bis zu einem Grad von<lb/>
Vollkommenheit, den nur ihre Willkühr oder ein Gefühl von<lb/>
Selb&#x017F;t&#x017F;tändigkeit be&#x017F;timmte, erlernten und dann, wenn &#x017F;ie die<lb/>
Mittel dazu be&#x017F;aßen, da&#x017F;&#x017F;elbe für ihre Rechnung trieben. Ein<lb/>
Stand zwi&#x017F;chen Lehrling und Mei&#x017F;ter mit auszeichnenden recht-<lb/>
lichen Befugni&#x017F;&#x017F;en und Pflichten, wie wir ihn &#x017F;eit Jahrhunderten<lb/>
unter dem Namen <hi rendition="#g">Handwerksge&#x017F;ell</hi> oder &#x017F;chlechthin <hi rendition="#g">Ge-<lb/>
&#x017F;ell</hi> kennen, war &#x017F;o wenig vorhanden als nothwendig, da der<lb/>
Titel <hi rendition="#g">Mei&#x017F;ter</hi> noch keinen <hi rendition="#g">politi&#x017F;chen</hi>, &#x017F;ondern allein <hi rendition="#g">Kün&#x017F;t-<lb/>
lerwerth</hi> hatte, und jedem freien Mann unbenommen war auf<lb/>
alle Wei&#x017F;e &#x017F;ich &#x017F;einen Unterhalt zu erwerben, denn die mechani-<lb/>
&#x017F;chen Arbeiter hatten <hi rendition="#g">als &#x017F;olche</hi> noch kein fe&#x017F;tes bürgerliches<lb/>
Verhältniß in den Städten erlangt. Durch ihr Zu&#x017F;ammentreten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0011] Erſter Abſchnitt. Allgemeine Ueberſicht. So lange die Handwerker als freie Arbeiter oder in den Städten nur als Anſiedler ihr Gewerbe trieben, konnte, wenn ſie ſich auch techniſch von einander unterſchieden, in ihren Werk- ſtätten zwiſchen Meiſter und Gehülfen nur ein Contractsverhältniß ohne rechtliche Wirkung für die Zukunft beſtehen. Der Beſitzer einer Werkſtatt oder eines Arbeitsplatzes fand in ſeinen heran- wachſenden Söhnen oder fremden Knaben die nöthige Hand- reichung, wobei dieſe ſein Handwerk bis zu einem Grad von Vollkommenheit, den nur ihre Willkühr oder ein Gefühl von Selbſtſtändigkeit beſtimmte, erlernten und dann, wenn ſie die Mittel dazu beſaßen, daſſelbe für ihre Rechnung trieben. Ein Stand zwiſchen Lehrling und Meiſter mit auszeichnenden recht- lichen Befugniſſen und Pflichten, wie wir ihn ſeit Jahrhunderten unter dem Namen Handwerksgeſell oder ſchlechthin Ge- ſell kennen, war ſo wenig vorhanden als nothwendig, da der Titel Meiſter noch keinen politiſchen, ſondern allein Künſt- lerwerth hatte, und jedem freien Mann unbenommen war auf alle Weiſe ſich ſeinen Unterhalt zu erwerben, denn die mechani- ſchen Arbeiter hatten als ſolche noch kein feſtes bürgerliches Verhältniß in den Städten erlangt. Durch ihr Zuſammentreten 1

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/11
Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/11>, abgerufen am 29.03.2024.