Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Maaß Kauts mit dem Fremden trinken, und nicht länger
als zwei Stunden bei ihm verweilen sollten. *)

Wenn der Ordengesell, Altgesell oder Schaffner in die Her-
bergsstube trat, reichte er dem Wandergesellen die Hand und
redete ihn so an:

Also mit Gunst, Gesellschaft, was ist sein Begehr, daß
er zu mir geschickt hat? Ist sein Begehr die Stadt zu
beschauen, oder bei einem ehrlichen Meister vierzehn Tage
zu arbeiten, so kann Er mir solches zu verstehen geben.
Fremder. Also mit Gunst, die Stadt zu beschauen, das
ist schon geschehen, und was noch nicht, kann wohl noch
geschehen. Mit einem ehrlichen Meister eine Kanne Bier
zu trinken, bei einem ehrlichen Meister vierzehn Tage zu
arbeiten, ist für diesmal mein Begehr, wenn mir solches
widerfahren kann, soll es mir lieb sein, also mit Gunst.

Der Herbergsvater hatte inzwischen Bier gebracht, der Or-
dengesell trank dem Fremden zu und sprach:

Was mir und andern ehrlichen Gesellen widerfahren ist,
soll ihm auch widerfahren.

Nun verließ er ihn und verrichtete die Umschau, nach seiner
Zurückkunft sagte er:

Also mit Gunst Gesellschaft, so bin ich gewesen nach Sei-
nem Begehr, nach meinem Vermögen, vom Aeltesten
bis zum Jüngsten und vom Jüngsten bis zum Aeltesten,
die Meister lassen sich sämmtlich bedanken, doch hat
sich noch einer bedacht, mit Namen N. N., der läßt
Ihm auf vierzehn Tage Arbeit zusagen. Wenn Er will
mit einem ehrlichen Meister vorlieb nehmen, so wünsche
ich viel Glück in die Werkstatt, also mit Gunst!
*) Kauts, eine Art Broyhan. Art. 15 ihres Statuts: Wann ein
Gesell Arbeit bekommt, so sollen die Scheffere (Schaffner, so hießen
an vielen Orten die Altgesellen), welche für ihn um Arbeit geworben,
zur Vermeidung aller Unordnung, nur ein Maaß Kauts mit ihm ver-
trinken und alsdann sich mit dem Gesellen bei den Meister verfügen
und sollen sie nicht länger denn zwo Stunden Zeit zuzuschicken haben
bei Strafe eines Wochenlohns. (Prov.-Archiv in Münster.)

ein Maaß Kauts mit dem Fremden trinken, und nicht länger
als zwei Stunden bei ihm verweilen ſollten. *)

Wenn der Ordengeſell, Altgeſell oder Schaffner in die Her-
bergsſtube trat, reichte er dem Wandergeſellen die Hand und
redete ihn ſo an:

Alſo mit Gunſt, Geſellſchaft, was iſt ſein Begehr, daß
er zu mir geſchickt hat? Iſt ſein Begehr die Stadt zu
beſchauen, oder bei einem ehrlichen Meiſter vierzehn Tage
zu arbeiten, ſo kann Er mir ſolches zu verſtehen geben.
Fremder. Alſo mit Gunſt, die Stadt zu beſchauen, das
iſt ſchon geſchehen, und was noch nicht, kann wohl noch
geſchehen. Mit einem ehrlichen Meiſter eine Kanne Bier
zu trinken, bei einem ehrlichen Meiſter vierzehn Tage zu
arbeiten, iſt für diesmal mein Begehr, wenn mir ſolches
widerfahren kann, ſoll es mir lieb ſein, alſo mit Gunſt.

Der Herbergsvater hatte inzwiſchen Bier gebracht, der Or-
dengeſell trank dem Fremden zu und ſprach:

Was mir und andern ehrlichen Geſellen widerfahren iſt,
ſoll ihm auch widerfahren.

Nun verließ er ihn und verrichtete die Umſchau, nach ſeiner
Zurückkunft ſagte er:

Alſo mit Gunſt Geſellſchaft, ſo bin ich geweſen nach Sei-
nem Begehr, nach meinem Vermögen, vom Aelteſten
bis zum Jüngſten und vom Jüngſten bis zum Aelteſten,
die Meiſter laſſen ſich ſämmtlich bedanken, doch hat
ſich noch einer bedacht, mit Namen N. N., der läßt
Ihm auf vierzehn Tage Arbeit zuſagen. Wenn Er will
mit einem ehrlichen Meiſter vorlieb nehmen, ſo wünſche
ich viel Glück in die Werkſtatt, alſo mit Gunſt!
*) Kauts, eine Art Broyhan. Art. 15 ihres Statuts: Wann ein
Geſell Arbeit bekommt, ſo ſollen die Scheffere (Schaffner, ſo hießen
an vielen Orten die Altgeſellen), welche für ihn um Arbeit geworben,
zur Vermeidung aller Unordnung, nur ein Maaß Kauts mit ihm ver-
trinken und alsdann ſich mit dem Geſellen bei den Meiſter verfügen
und ſollen ſie nicht länger denn zwo Stunden Zeit zuzuſchicken haben
bei Strafe eines Wochenlohns. (Prov.-Archiv in Münſter.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0076" n="66"/><hi rendition="#g">ein Maaß</hi> Kauts mit dem Fremden trinken, und nicht länger<lb/>
als zwei Stunden bei ihm verweilen &#x017F;ollten. <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Kauts</hi>, eine Art Broyhan. Art. 15 ihres Statuts: Wann ein<lb/>
Ge&#x017F;ell Arbeit bekommt, &#x017F;o &#x017F;ollen die Scheffere (Schaffner, &#x017F;o hießen<lb/>
an vielen Orten die Altge&#x017F;ellen), welche für ihn um Arbeit geworben,<lb/>
zur Vermeidung aller Unordnung, nur ein Maaß Kauts mit ihm ver-<lb/>
trinken und alsdann &#x017F;ich mit dem Ge&#x017F;ellen bei den Mei&#x017F;ter verfügen<lb/>
und &#x017F;ollen &#x017F;ie nicht länger denn zwo Stunden Zeit zuzu&#x017F;chicken haben<lb/>
bei Strafe eines Wochenlohns. (Prov.-Archiv in Mün&#x017F;ter.)</note></p><lb/>
            <p>Wenn der Ordenge&#x017F;ell, Altge&#x017F;ell oder Schaffner in die Her-<lb/>
bergs&#x017F;tube trat, reichte er dem Wanderge&#x017F;ellen die Hand und<lb/>
redete ihn &#x017F;o an:</p><lb/>
            <list>
              <item>Al&#x017F;o mit Gun&#x017F;t, Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, was i&#x017F;t &#x017F;ein Begehr, daß<lb/>
er zu mir ge&#x017F;chickt hat? I&#x017F;t &#x017F;ein Begehr die Stadt zu<lb/>
be&#x017F;chauen, oder bei einem ehrlichen Mei&#x017F;ter vierzehn Tage<lb/>
zu arbeiten, &#x017F;o kann Er mir &#x017F;olches zu ver&#x017F;tehen geben.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Fremder</hi>. Al&#x017F;o mit Gun&#x017F;t, die Stadt zu be&#x017F;chauen, das<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;chon ge&#x017F;chehen, und was noch nicht, kann wohl noch<lb/>
ge&#x017F;chehen. Mit einem ehrlichen Mei&#x017F;ter eine Kanne Bier<lb/>
zu trinken, bei einem ehrlichen Mei&#x017F;ter vierzehn Tage zu<lb/>
arbeiten, i&#x017F;t für diesmal mein Begehr, wenn mir &#x017F;olches<lb/>
widerfahren kann, &#x017F;oll es mir lieb &#x017F;ein, al&#x017F;o mit Gun&#x017F;t.</item>
            </list><lb/>
            <p>Der Herbergsvater hatte inzwi&#x017F;chen Bier gebracht, der Or-<lb/>
denge&#x017F;ell trank dem Fremden zu und &#x017F;prach:</p><lb/>
            <list>
              <item>Was mir und andern ehrlichen Ge&#x017F;ellen widerfahren i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;oll ihm auch widerfahren.</item>
            </list><lb/>
            <p>Nun verließ er ihn und verrichtete die Um&#x017F;chau, nach &#x017F;einer<lb/>
Zurückkunft &#x017F;agte er:</p><lb/>
            <list>
              <item>Al&#x017F;o mit Gun&#x017F;t Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, &#x017F;o bin ich gewe&#x017F;en nach Sei-<lb/>
nem Begehr, nach meinem Vermögen, vom Aelte&#x017F;ten<lb/>
bis zum Jüng&#x017F;ten und vom Jüng&#x017F;ten bis zum Aelte&#x017F;ten,<lb/>
die Mei&#x017F;ter la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich &#x017F;ämmtlich bedanken, doch hat<lb/>
&#x017F;ich noch einer bedacht, mit Namen <hi rendition="#aq">N. N.,</hi> der läßt<lb/>
Ihm auf vierzehn Tage Arbeit zu&#x017F;agen. Wenn Er will<lb/>
mit einem ehrlichen Mei&#x017F;ter vorlieb nehmen, &#x017F;o wün&#x017F;che<lb/>
ich viel Glück in die Werk&#x017F;tatt, al&#x017F;o mit Gun&#x017F;t!</item>
            </list><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0076] ein Maaß Kauts mit dem Fremden trinken, und nicht länger als zwei Stunden bei ihm verweilen ſollten. *) Wenn der Ordengeſell, Altgeſell oder Schaffner in die Her- bergsſtube trat, reichte er dem Wandergeſellen die Hand und redete ihn ſo an: Alſo mit Gunſt, Geſellſchaft, was iſt ſein Begehr, daß er zu mir geſchickt hat? Iſt ſein Begehr die Stadt zu beſchauen, oder bei einem ehrlichen Meiſter vierzehn Tage zu arbeiten, ſo kann Er mir ſolches zu verſtehen geben. Fremder. Alſo mit Gunſt, die Stadt zu beſchauen, das iſt ſchon geſchehen, und was noch nicht, kann wohl noch geſchehen. Mit einem ehrlichen Meiſter eine Kanne Bier zu trinken, bei einem ehrlichen Meiſter vierzehn Tage zu arbeiten, iſt für diesmal mein Begehr, wenn mir ſolches widerfahren kann, ſoll es mir lieb ſein, alſo mit Gunſt. Der Herbergsvater hatte inzwiſchen Bier gebracht, der Or- dengeſell trank dem Fremden zu und ſprach: Was mir und andern ehrlichen Geſellen widerfahren iſt, ſoll ihm auch widerfahren. Nun verließ er ihn und verrichtete die Umſchau, nach ſeiner Zurückkunft ſagte er: Alſo mit Gunſt Geſellſchaft, ſo bin ich geweſen nach Sei- nem Begehr, nach meinem Vermögen, vom Aelteſten bis zum Jüngſten und vom Jüngſten bis zum Aelteſten, die Meiſter laſſen ſich ſämmtlich bedanken, doch hat ſich noch einer bedacht, mit Namen N. N., der läßt Ihm auf vierzehn Tage Arbeit zuſagen. Wenn Er will mit einem ehrlichen Meiſter vorlieb nehmen, ſo wünſche ich viel Glück in die Werkſtatt, alſo mit Gunſt! *) Kauts, eine Art Broyhan. Art. 15 ihres Statuts: Wann ein Geſell Arbeit bekommt, ſo ſollen die Scheffere (Schaffner, ſo hießen an vielen Orten die Altgeſellen), welche für ihn um Arbeit geworben, zur Vermeidung aller Unordnung, nur ein Maaß Kauts mit ihm ver- trinken und alsdann ſich mit dem Geſellen bei den Meiſter verfügen und ſollen ſie nicht länger denn zwo Stunden Zeit zuzuſchicken haben bei Strafe eines Wochenlohns. (Prov.-Archiv in Münſter.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/76
Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/76>, abgerufen am 19.04.2024.